Wie bitter kann diese Formel 1 manchmal sein? Während sich Lewis Hamilton und Sebastian Vettel verbremsen, Kimi Räikkönen am Start und die beiden Red Bull von Max Verstappen und Daniel Ricciardo sogar miteinander crashen, liefert Mercedes-Pilot Valtteri Bottas beim Aserbaidschan GP 2018 in Baku als einziger Topfahrer ein blitzsauberes Rennen.

Das scheint auch kurze Zeit belohnt zu werden: Durch den teaminternen Unfall bei Red Bull kommt in Runde 40 kurz vor Rennende das Safety Car auf die Strecke, Bottas ist der große Gewinner, war der Finne als einziger Topfahrer noch immer auf seinen Startreifen unterwegs, konnte seinen Reifenwechsel somit extrem zeitsparend erledigen.

Bottas in Baku durch Safety Car klar auf Siegkurs

Doch nicht nur das: Weil hinter ihm alle anderen das SC ebenfalls nutzten, um noch einmal auf frischere Reifen zu wechseln, behielt Bottas sogar seine in Runde 31 nach dem Vettel-Stopp gewonnene Führung. Bei Re-Start in Runde 47 behauptet Bottas seine Spitzenposition, trickst den Ferrari aus. Doch soll er schon den nächsten Umlauf nicht mehr beenden.

Ein Trümmerteil auf der Strecke beendet den Traum vom jetzt greifbar nahen, fast sicheren Sieg abrupt. Bottas zieht sich durch das überfahrene Teil einen Reifenschaden zu, gerade als er die Runde begonnen hat. In Baku besonders bitter, handelt es sich um den nach Spa längsten Kurs im ganzen Rennkalender. Die Folge: Bottas kann den Mercedes nicht einmal zurück in die Box retten, muss abstellen. Ausfall, null Punkte, statt 25 für den Sieg, der zudem die WM-Führung bedeutet hätte.

Bottas: Zehn Bier und es ist wieder okay

Entsprechend gigantisch ist die Enttäuschung des Finnen. Seine Medienrunde für die schreibenden Journalisten sagt Mercedes ab, verweist auf die verpflichtenden TV-Interviews. Humorvoll. Bottas arbeite jetzt an seinen zehn Bier, von denen er dort gesprochen habe, so die Silberpfeile.

Die hatte Bottas spaßeshalber als einzige Möglichkeit bezeichnet, seinen Frust zu bewältigen. "10 und es wird wieder okay sein", so Bottas. Oder finnischer Wodka, so ein weiterer Aufmunterungsversuch eines TV-Kollegen. "Yeah", lacht Bottas. "Nein, du musst über solche Schwierigkeiten einfach hinwegkommen. Das ist Racing. Aber für den Moment ist es sehr schmerzhaft", sagt Bottas nicht nur einmal.

Bottas: Nichts gesehen, keine Chance - plötzlich Explosion

"Aber das zeigt, dass der Sieg eben nie in der Tasche ist - bis zur Zielflagge. Es ist enttäuschend. Schwierig. Unglücklich", hadert der Finne mit dem Pech. Denn das sei es gewesen. Er habe keine Chance gehabt. "Ich hatte keine Ahnung, dass da Trümmer lagen. Ich habe nicht gesehen oder gespürt. Ganz plötzlich ist der Hinterreifen explodiert. Es ist ein furchtbares Gefühl, wenn du den Sieg so verlierst. Ein kleines Teil hat heute unser Rennen zerstört. Das tut weh", klagt Bottas. "Sehr, sehr unglücklich einfach."

Der Rennleitung macht der Finne - anders als zuvor seine Mercedes-Chefs - keinen Vorwurf, die Strecke nicht ausreichend kontrolliert zu haben. "Ich denke, auf dieser Strecke ist das einfach schwierig. Generell auf Straßenkursen wenn es viele Unfälle gibt. Dann ist das immer auf gewisse Weise ein Problem. Dieses Mal hatte ich da einfach Pech", sagt Bottas.

Die FIA erklärte via Charlie Whiting dazu, man sei das ganze Rennen über hoch zufrieden mit der Arbeit der Stewards gewesen. Hauptverdächtiger für den Ursprung des Bottas-Trümmers ist ein Unfall von Kevin Magnussen und Pierre Gasly am zweiten Re-Start, also nur eine Runde bevor es Bottas den Reifen zerlegte, sodass für einen sprintenden Streckenposten überhaupt nur eine Minute Zeit gewesen wäre, den Trümmer zu beseitigen.

Bottas ermutigt: Mercedes in Baku stark

Was den Finnen noch so gefasst erscheinen lässt? Die Pace, die Strategie, das Auto. "Bis dahin war es ein sehr gutes Rennen. Die Pace, die wir Ende des ersten Stints hatten... da konnten wir wirklich sehr lang mit einer guten Pace fahren, wir sind lang draußen geblieben, falls ein Safety Car kommen würde. Dann kam es. Dann beim Re-Start hinter dem Safety Car hat es sich angefühlt, als hätten wir alles unter Kontrolle. Seb hat ein großes Manöver in der ersten Kurve versucht, aber da habe ich schon gesehen, dass er eine Ecke zu spät auf der Bremse war. Das Auto fühlte sich echt gut an, ich konnte eine kleine Lücke aufmachen", schwärmt Bottas vom Silberpfeil. Einzig ganz am Anfang sei Ferrari besser gewesen.

"Aber dann passiert sowas ... Da kann man gar nicht mehr viel sagen. Einfach Pech. Das ist herzzerreißend. Es tut hier drin sehr weh", trauert Bottas dem verpassten ersten Saisonsieg und der WM-Führung nach. "Als Team hätten wir auch einen Doppelsieg holen können. Schade, dass so kleine Dinge das ganze Wochenende ruinieren können."

Wolff: Trauer über Bottas überwiegt Freude über Hamilton-Sieg

Mit dem Finnen leidet Teamchef Toto Wolff. "Es ist einfach brutal", so Wolff. "Aber ich denke, so sollte Rennsport sein, durch so eine Achterbahnfahrt der Gefühle gehen ..." Dennoch: "Der schnellste Fahrer auf der Strecke hat das Rennen mit einem Plattfuß wegen Trümmern auf der Strecke nur drei Runden vor dem Ende nicht beendet. Das ist das Gefühl, das überwiegt." Selbst den noch immer ersten Erfolg der Saison durch Lewis Hamilton.