Sergey Olegowitsch Sirotkin heißt Williams' neuer Formel-1-Fahrer für die F1-Saison 2018 mit vollem Namen. Der zweite Fahrer neben Lance Stroll gilt genau wie der kanadische Milliardärssohn als großer Profiteur des lieben Geldes.

Nicht unweit verbreitet ist die Einschätzung, Sirotkin habe es nur wegen einer deutlich zweistelligen Millionensumme von Förderer SMP Racing ins Cockpit des Williams FW41 geschafft.

Sergey Sirotkin: Der unterbewertete Fleißarbeiter

Williams streitet das ab. Bereits mehrfach ließ sich Teamchefin Claire Williams über derlei Aussagen aus, konterte mit Lobeshymnen auf den Russen. Vielleicht zu Recht. Immerhin hat noch niemand Sirotkin als Stammfahrer im Formel-1-Cockpit gesehen. In den Nachwuchsserien hatte der Russe zudem nie einen unterdurchschnittlichen Eindruck hinterlassen, wurde etwa zweimal Gesamtdritter der GP2.

Doch wäre Sirotkin auch nicht der erste, der dem großen letzten Schritt in die Formel 1 nicht gewachsen ist und in der Königsklasse nicht an alte Leistungen anzuknüpfen vermag. Doch bislang spürt der Russe selbst davon nichts. Zumindest erkennt er in seiner Arbeit noch keinen großen Unterschied zu seinem vorherigen Job als Entwicklungsfahrer Renaults.

Da hängt laut Sirotkin aber auch damit zusammen, dass er 2018 nicht zum ersten Mal die Vorbereitung eines F1-Stammfahrers gestemmt hat. "Letztes Jahr habe ich schon so ziemlich dieselbe Vorbereitung absolviert wie es jeder andere F1-Rennfahrer getan hat", sagt Sirotkin am Rande der Testfahrten in Barcelona zu Motorsport-Magazin.com. Der größte Unterschied sei für ihn daher gerade der Stolz, endlich seinen Namen auf dem Chassis zu lesen.

"Die Arbeit aber unterscheidet sich nicht wirklich, ist ziemlich ähnlich", so Sirotkin. Für die Quantität gilt das dem Russen zufolge jedoch nicht. Sirotkin hat im Winter nahezu jede freie Minute in seinen neuen Formel-1-Job gesteckt, will mehr geschuftet haben als jeder andere Formel-1-Fahrer im Grid.

Sirotkin: Habe viel mehr gemacht als Formel-1-Standard

"Ich habe viel mehr Zeit in der Fabrik verbracht, im Simulator vor allem. Das war ein extremer Fall und ist nicht vergleichbar mit einem anderen F1-Fahrer. Das war nicht der Standard für einen F1-Fahrer", klopft sich Fleißarbeiter Sirotkin selbst auf die Schulter. Williams habe ihn zudem nicht dazu gedrängt. "Das war mehr mein eigener Wunsch", so Sirotkin.

Von ungefähr kam dieser Wunsch nicht. Sirotkin lebt die Formel 1, den Rennsport allgemein. " Rennautos und alles, was damit zu tun hat - das habe ich mein ganzes Leben geliebt", sagt Sirotkin. So verfügt der Russe etwa auch über einen Ingenieursabschluss, spezialisiert auf die Entwicklung von Rennfahrzeugen. Seine Abschlussarbeit handelte von der Entwicklung eines F1-Setups für verschiedene Rennkurse und die Anpassungen für unterschiedliche Bedingungen. "Also im Grunde genau über das, was ich hier jetzt auch mache", sagt Sirotkin. Ein Faktor, den Williams ganz besonders an seinem neuen Fahrer schätzt.

Sollte die Formel 1 im Winter in Malaysia oder Bahrain testen? (04:48 Min.)

Ingenieur Sirotkin hilft Williams weiter

"Er brennt darauf, sich im Auto zu beweisen - und außerhalb davon", sagt Claire Williams über Sirotkin. "Er engagiert sich wirklich sehr für das Auto, arbeitet gut mit den Ingenieuren zusammen, ist sehr intelligent. Er hat ja selbst einen Abschluss als Ingenieur und das hilft wirklich, das Team nach vorne zu bringen", lobt die Teamchefin.

"Es war mein Wunsch", bestätigt Sirotkin. "Das Team hat das unterstützt und zusammen haben wir die Idee dann weiterentwickelt und am Ende so viel Zeit in den letzten zwei Monaten investiert wie wir es jetzt haben. Es war eine extreme Menge an Zeit und Arbeit. Vor allem hat mir das aber viel Spaß gemacht. Das war der wichtigste Aspekt daran. Zweitens war es aber auch sehr nützlich für uns alle", berichtet Sirotkin auf Motorsport-Magazin.com-Nachfrage.

Williams-Chefin: Er wird die Leute überraschen

Gekostet hatte die Doppelbelastung aus Studium und Rennsport den Russen in der Vergangenheit viel Zeit. Noch auf einem F1-Flug nach Kanada finalisierte Sirotkin seine Uni-Laufbahn. Allgemein nutzte der Russe die unzähligen Flugstunden, um seine Zeit effizient für das Studium zu nutzen. Perspektivisch kann sich Sirotkin damit auch eine Laufbahn in der Garage, Fabrik oder am Kommandostand vorstellen, ist seine Zeit als aktiver Formel-1-Pilto erst einmal vorbei.

Doch die geht gerade erst los. Was von dem Russen zu erwarten ist? Claire Williams zufolge mehr als alle glauben, was uns zurück an die eingangs benannte Kritik an der Fahrerwahl bringt. "Er wird die Leute dieses Jahr beeindrucken - zumindest hoffe ich das. Er wird eine Lernkurve hinlegen. Die Leute hatten ihn letztes Jahr vielleicht nicht so auf dem Radar und haben unsere Entscheidung deshalb vielleicht nicht verstanden. Aber er wird viele überraschen. Wenn wir nicht an ihn glauben würden, hätten wir ihn nicht genommen", stellt Williams klar.

Auf dem Radar hatten Sirotkin tatsächlich eine lange Zeit die wenigsten, immerhin fuhr er 2017 keine Rennen mehr. Im Dunstkreis der Formel 1 trieb sich der Russe bei Renault aber noch herum, schon lange vorher war er Entwicklungsfahrer bei Sauber. Ob er potentiell schon früher bereits für die F1 gewesen wäre? "Klar ist mehr Zeit besser. Da gewinsnt du immer mehr an Wissen und wirst besser. Das heißt aber nicht, dass ich vor ein oder zwei Jahren nicht bereit gewesen wäre. Ich hätte es da auch schon gut hinbekommen", sagt Sirotkin. An Selbstbewusstsein mangelt es diesem Mann also ganz klar nicht - und das kann im oft zitierten Haifischbecken der Formel 1 ganz sicher nur helfen.

Formel 1: Williams' Sergey Sirotkin über seinen F1-Aufstieg (01:19 Min.)