Michael Schumacher 1995: Der Bann ist gebrochen

Schon bei seinem ersten Anlauf auf heimischem Boden schürte Michael Schumacher 1992 die Hoffnungen auf einen baldigen Heimsieg, als er hinter Nigel Mansell und Ayrton Senna als Dritter auf das Podium fuhr. Im Jahr darauf ging es mit Platz zwei auf dem Treppchen gleich noch eine Stufe weiter nach oben. Die Formkurve des Kerpeners mobilisierte die Massen und das Motodrom des damaligen Highspeed-Kurses erfreute sich mit jeder Saison eines größeren Zulaufs. Spätestens 1994, als Schumi zum Zeitpunkt des Deutschland GP bereits sechs Saisonsiege in der Tasche hatte, waren die Fans in freudiger Erwartung des ersten Sieges eines Lokalmatadors - 43 Jahre nach der Premiere des Großen Preises von Deutschland im Rahmen der Formel-1-WM. Doch schon in der vierten Runde des Rennens beendete ein Motorschaden am in Führung liegenden Benetton diesen Traum. Der Heimsieg blieb Schumacher auf dem Weg zum ersten WM-Titel damit verwehrt.

In der Saison 1995 befand sich Schumacher erneut im WM-Kampf. Als der Formel-1-Zirkus Ende Juli zum neunten Rennen der Saison nach Hockenheim reiste, hieß es wiederum Michael Schumacher vs. Damon Hill, Benetton vs. Williams. Nach Siegen stand es vor dem Rennen 4:2 für Schumacher und der Kampf mit Hill hatte beim vorherigen Grand Prix in Silverstone stark an Intensität gewonnen. Der Williams-Pilot hatte sich und seinen Widersacher vor Heimpublikum mit einem übermotivierten Manöver ins Aus befördert. Hill stand unter Druck, denn Schumacher drohte in der WM zu enteilen - und obendrein hatte Williams einen seiner großen Vorteile aus dem Vorjahr verloren. Während Benetton in Sachen Leistung 1994 mit dem V8-Motor von Ford auf Power-Strecken einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz hatte, gingen 1995 beide WM-Kandidaten mit einem V10-Aggregat von Renault ins Rennen. Auf den langen Waldgeraden des damaligen Hockenheimrings versprach diese Konstellation ein spannendes Kopf-an-Kopf-Duell - und schon im Qualifying schenkten sich Schumacher und Hill nichts. Auf dem 6,823 Kilometer langen Kurs trennten sie am Ende lediglich 0,080 Sekunden - mit dem besseren Ende für Hill.

Hill machte nicht nur im Zeittraining, sondern auch am Start den etwas besseren Job und behauptete seine Führung vor Schumacher und seinem Teamkollegen David Coulthard. Der Brite ging schon in der ersten Runde in die Vollen und hatte bei der Überfahrt von Start- und Ziel bereits einen Respektabstand zwischen sich und Schumacher gebracht, der ihn auf den langen Geraden vor Attacken des Gegners schützen sollte. Doch in diesen Genuss sollte er gar nicht erst kommen: Hill verlor beim Einlenken in die Nordkurve das Heck seines Williams FW17 und schlug in die Reifenstapel ein. Während er seinen Ausfall als ziemlich verheerend für die Weltmeisterschaft bezeichnete, freute sich Schumacher über das Geschenk des Gegners: "Als ich Damon abfliegen sah, konnte ich es nicht glauben. Ich dachte mir: Großartig, das ist es!"

Ein Spaziergang sollten die folgenden 44 Runden bis zur Zielflagge für Schumacher aber nicht werden, denn Coulthard folgte ihm wie ein Schatten. Die Benetton-Strategen sorgten mit dem Wechsel auf eine Zweistopp-Strategie dafür, dass Schumacher den nötigen Vorsprung herausfahren konnte und mit dem ersten Sieg eines deutschen Piloten beim Grand Prix von Deutschland Geschichte schreiben durfte. Gleich nach der Zieldurchfahrt ließ er sich vom Publikum gebührend feiern - und würgte dabei den Motor ab. Sein Fauxpas sorgte für eine der wohl längsten und erinnerungswürdigsten Ehrenrunden der Geschichte. Statt ihn zurück zur Box zu schleppen, wurde Schumacher von einem Streckensicherungsfahrzeug um die gesamte Runde zurück an die Box gezogen. Zunächst verschwand er zwischen den Pinienwäldern Hockenheims, um dann zurück im Motodrom erneut von den Fans empfangen und frenetisch gefeiert zu werden. "Ich fühle mich wie auf Wolke Sieben, vielleicht noch mehr als nach meinem Titelgewinn. Die Unterstützung der Fans ist ein elektrisierendes Gefühl, es ist fantastisch. Als ich ins Motodrom kam, war es einfach unglaublich. Ich kann es nicht in Worte fassen", so der überglückliche Schumacher.

2002 holte Schumi seinen ersten Deutschland-Sieg im Ferrari, Foto: Sutton
2002 holte Schumi seinen ersten Deutschland-Sieg im Ferrari, Foto: Sutton

Michael Schumacher 2002: Premiere in Rot

Die Vorzeichen für einen Schumacher-Sieg beim Deutschland GP standen 2002 gut, schließlich hatte er in der laufenden Saison bereits acht Siege und kurz zuvor in Magny Cours sogar den vorzeitigen Gewinn der WM gefeiert. Beim ersten Rennen der Formel 1 auf dem neuen Hockenheimring knüpfte Schumacher nahtlos an diese Serie an und gewann vor dem BMW-Williams-Duo Juan Pablo Montoya und Ralf Schumacher zum zweiten Mal in der Heimat - und zum ersten Mal in den Farben von Ferrari.

Michael Schumacher 2004: Außer Konkurrenz

Nachdem BMW Williams-Pilot Montoya 2003 auf dem Hockenheimring dominierte, schlug Michael Schumacher im darauffolgenden Jahr zurück. Nachdem er sich zunächst die Pole Position vor dem Kolumbianer sicherte, holte er am Sonntag im zwölften Rennen der Saison seinen elften Sieg. Sein größter Herausforderer an diesem Tag war jedoch nicht Montoya, sondern Jenson Button. Der Brite wurde im BAR Zweiter, obwohl er nach einem Motorwechsel nur von Startplatz 13 ins Rennen gegangen war.

2004 war Schumi in Hockenheim nicht zu schlagen, Foto: Sutton
2004 war Schumi in Hockenheim nicht zu schlagen, Foto: Sutton

Michael Schumacher 2006: Der letzte Streich

In der Saison 2006 befand sich Schumacher gegen Fernando Alonso in seinem letzten großen WM-Kampf. Vor dem zwölften Saisonrennen in Hockenheim lag der Ferrari-Star in der WM hinter seinem spanischen Herausforderer, doch er ließ nicht locker. Im Qualifying hatte einzig Kimi Räikkönen noch die Oberhand, doch im Rennen war gegen Ferrari kein Kraut gewachsen. Schumacher holte seinen vierten und letzten Sieg auf heimischem Boden. Die WM ging am Ende zwar an Alonso, doch der letzte Schumi-Sieg in Hockenheim wird für immer in Erinnerung bleiben.

Auch in seinem letzten Ferrari-Jahr siegte Schumacher in Deutschlang, Foto: Sutton
Auch in seinem letzten Ferrari-Jahr siegte Schumacher in Deutschlang, Foto: Sutton

Ralf Schumacher 2001: Ein Sieg vom anderen Schumi

Im Jahr 2001 fand der Große Preis von Deutschland zum letzten Mal auf dem klassischen Layout des Hockenheimrings statt. Eine Konstellation, über die sich besonders BMW Williams freute. Die Ingenieure des bayrischen Motorenlieferanten sorgten in der damaligen Ära der V10-Saugmotoren stets dafür, dass ihre Motoren in Sachen Power das Maß der Dinge waren. Vor dem zwölften Saisonrennen auf deutschem Boden lag der britische Traditionsrennstall in der WM allerdings weit hinter der Übermacht von Ferrari. Michael Schumacher war nach sechs Saisonsiegen drauf und dran am Horizont zu verschwinden. Ralf Schumacher war für Williams zwar auch zwei Mal siegreich gewesen, doch in der WM fehlten ihm bereits 53 Punkte auf den älteren Bruder. Eine Rennstrecke wie der Hockenheimring kam da wie gerufen, um gegen die Scuderia zurückzuschlagen. Schon im Qualifying ließen Ralf und sein Stallgefährte Juan Pablo Montoya nichts anbrennen. Während der Rookie mit 0,019 Sekunden Vorsprung auf Ralf Schumacher die erste Pole Position seiner Formel-1-Karriere in den Asphalt brannte, fehlten Michael Schumacher auf Startplatz vier über acht Zehntel.

Am Start behauptete das Williams-Duo seine Führung, während Schumacher durch ein Getriebeproblem an seinem Ferrari kaum vom Fleck kam. Der aus der achten Reihe gestartete Luciano Burti konnte nicht mehr ausweichen, fuhr auf Schumacher auf, überschlug sich und landete im Kiesbett. Das Rennen wurde abgebrochen und der Ferrari-Star sprang für den Re-Start ins T-Car. Beim Neustart behauptete Montoya erneut seine Führung vor Ralf Schumacher, während Michael Schumacher dahinter lauerte. Der Kolumbianer kontrollierte zunächst das Rennen und fuhr einen üppigen Vorsprung auf den Teamkollegen heraus. Beim Boxenstopp gab es jedoch ein Problem mit der Tankanlage, wodurch Ralf und Michael an ihm vorbeigingen. Es roch nach einem Doppelsieg für die Schumacher-Brüder, doch für Michael war das Rennen nur wenige Umläufe später mit einem Benzindruck-Problem beendet. Wenig später quittierte Montoyas Motor den Dienst, womit Ralf ungefährdet seinen ersten und einzigen Sieg beim Deutschland GP sicherstellen konnte. "Es ist ein unglaublicher Tag für mich und ich bin überglücklich. Es ist fantastisch, als deutscher Fahrer das Heimrennen zu gewinnen - und das auch noch mit einem Motor aus München", freute sich der jüngere der Schumi-Brüder.

Auch Ralf Schumacher gewann sein Heimrennen - 2001 auf dem alten Hockenheimring, Foto: Sutton
Auch Ralf Schumacher gewann sein Heimrennen - 2001 auf dem alten Hockenheimring, Foto: Sutton

Sebastian Vettel 2013: Ein privilegierter Sieger

In Folge des 2008 eingeführten Rotationsprinzips, nach welchem der Deutschland GP jährlich zwischen dem Hockenheim- und dem Nürburgring wechselte, gastierte die Königsklasse im Jahr 2013 in der Eifel. Trotz Weltmeistertiteln in den vorherigen drei Jahren wartete Lokalmatador Sebastian Vettel jedoch immer noch auf einen Sieg vor heimischem Publikum. Mehr als ein zweiter und ein dritter Rang waren für ihn bis dato nicht drin. In der letzten Saison der großen Red Bull-Dominanz sollte sich dies jedoch ändern: Im Qualifying sicherte sich Vettel hinter Lewis Hamilton im McLaren Mercedes mit dem zweiten Startplatz die fast perfekte Ausgangslage für das neunte Saisonrennen.

Den Grundstein für den Sieg legte der Heppenheimer am Start. Nach einem kurzen Schlagabtausch gegen Hamilton setzte er sich durch und übernahm früh die Führung. Der McLaren-Pilot zog nicht nur gegen Vettel den Kürzeren, sondern auch gegen dessen Teamkollegen Mark Webber. Mit einer Red Bull-Doppelführung hätte die erste Runde für Vettel kaum besser laufen können. Bereits ab dem fünften Umlauf begannen die Piloten, sich der kurzlebigen Soft-Reifen zu entledigen. Webber verlor nach einem verpatzten Boxenstopp eine ganze Runde auf Vettel, der nun seinen ärgsten Gegner los war vor dem Lotus-Duo Kimi Räikkönen und Romain Grosjean an der Spitze lag.

2013 gab es auf dem Nürburgring den Vettel-Finger, Foto: Red Bull
2013 gab es auf dem Nürburgring den Vettel-Finger, Foto: Red Bull

Vettel kontrollierte von diesem Punkt an das Rennen, konnte seine Verfolger jedoch nicht abschütteln. Beim Überqueren des Zielstrichs lag der Heppenheimer lediglich eine Sekunde vor Räikkönen, der bis zur Zielflagge hartnäckig versucht hatte, den Red Bull einzuholen. "Es war ein hartes Rennen, sicherlich eines der härtesten seit langem", gab der erleichterte Vettel nach seinem ersten und bis dato einzigen Heimsieg zu Protokoll. Umso größer war angesichts dieses Drucks die Freude darüber, dass es mit dem Triumph in der Heimat beim sechsten Anlauf endlich geklappt hatte. Fast schon prophetisch sinnierte Vettel danach: "Zuerst einmal muss man sich dessen bewusst sein, dass es ein Privileg ist, überhaupt die Möglichkeit zu haben, in seinem Heimatland zu fahren. Wir haben 20 Rennen und da es logischer Weise mehr als 20 Länder gibt, ist es etwas sehr Besonderes, zuhause zu fahren und all diese Unterstützung zu bekommen."

Nico Rosberg 2014: Alleingang im Silberpfeil

Im achten Jahr in der Formel 1 gelang Nico Rosberg 2014 endlich der ganz große Durchbruch. Die Hybrid-Ära erwies sich für ihn und seinen Teamkollegen Lewis Hamilton als ein wahres Geschenk, denn ihr Arbeitgeber Mercedes hatte in der Vorbereitung auf das neue Zeitalter den besten Job gemacht. Als es zum zehnten Rennen der Saison an den Hockenheimring ging, war der Titelkampf zwischen den Silberpfeil-Piloten im vollen Gange. Rosberg führte die Gesamtwertung mit vier Punkten Vorsprung auf Hamilton an, der wiederum mit 5:3 Siegen mehr Einzelerfolge vorweisen konnte. Am Rennwochenende des Großen Preises von Deutschland sah es zunächst wieder danach aus, als ob der Brite an seinen Heimsieg in Silverstone zwei Wochen zuvor anknüpfen können könnte.

Im Qualifying ereilte Hamilton jedoch zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt ein verheerender Defekt. Noch im ersten Segment des Zeittrainings versagte an seinem Mercedes die Bremsscheibe am rechten Vorderrad. Das Resultat waren ein Abflug in der Sachskurve und der letzte Startplatz. Rosberg nutzte hingegen das Potential seines Boliden perfekt aus und fuhr vor dem Williams-Duo Valtteri Bottas und Felipe Massa auf die Pole Position. Im unantastbaren Silberpfeil und mit seinem einzigen echten Gegner am Ende des Feldes, sollte der Sonntag für ihn ein leichtes Spiel werden. Schon beim Start gab Rosberg sich keine Blöße und behauptete die Führung nach dem Erlöschen der Ampel.

2014 feierte Nico Rosberg seinen einzigen Deutschlang-Sieg, Foto: Sutton
2014 feierte Nico Rosberg seinen einzigen Deutschlang-Sieg, Foto: Sutton

In der ersten Kurve kollidierte Massa mit dem McLaren von Kevin Magnussen, was das Safety Car auf die Strecke brachte. Rosberg meisterte auch den Re-Start und kontrollierte den Grand Prix in der Folge bis zum Fallen der Zielflagge. Mit einem lupenreinen Start-Ziel-Triumph sicherte er seinen vierten Saisonsieg. "Wow, was für ein großartiger Tag! Ich hatte hier auf einen Sieg gehofft und es klappte perfekt. Mein Silberpfeil war so dominant, vielen Dank an das Team für dieses fantastische Auto. Ich bin so glücklich für Mercedes: Das war der erste Sieg seit vielen, vielen Jahren in Deutschland. Vielen Dank für die Unterstützung hier in Hockenheim, die Fans waren toll. Die La Ola am Start war großartig", so die Worte des Siegers. Es sollte der bis dato letzte Sieg eines deutschen Piloten beim Großen Preis von Deutschland sein.

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