Beim Qualifying zum Finale der Formel-1-Saison 2017 in Abu Dhabi hätte die Stimmung in der Red-Bull-Garage unterschiedlicher kaum sein können. Zwar kam letztendlich keiner der beiden Piloten an Mercedes heran, doch Daniel Ricciardo mischte zumindest das Ferrari-Duo auf. Außerdem revanchierte sich der Australier im letzten Zeittraining des Jahres bei Teamkollege Max Verstappen, der an diesem Wochenende gar nicht mit seinem RB13 zurechtkommt.

"Die Session war schlecht. Manchmal muss du einfach akzeptieren, dass heute nicht dein Tag wird", zeigt sich Verstappen angesichts von Startplatz sechs für das Saisonfinale sichtlich enttäuscht. Schon vor dem Qualifying standen die Vorzeichen schlecht. "Das ganze Wochenende habe ich mit der Balance des Autos gekämpft und war einfach nicht glücklich."

Nicht nur, dass der 20-Jährige nach zwei Siegen in den letzten fünf Rennen in Abu Dhabi gegen Lewis Hamilton und Sebastian Vettel chancenlos ist - auch der Garagen-Nachbar landete dieses Mal vor ihm. Über drei Zehntel Rückstand auf Ricciardo ist Verstappen nach 13 in diesem Jahr gewonnen Qualifying-Duellen nicht gewohnt.

Beim Australier ist die Freude nach seinem Formtief in der zweiten Saisonhälfte dafür umso größer. "Es war für mich kein perfektes Jahr, was die Samstage anbelangt. Es ist schön, die Saison mit einer guten Runde zu beenden", so Ricciardo, der sich als Vierter zwischen Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen schob.

"Im ersten Run im Q3 waren wir noch zu langsam. Aber ich wusste, das mehr im Auto steckt. Wir haben dann die Reifentemperaturen besser verstanden und die nächste Runde war sofort viel schneller. Ich konnte schon in der Outlap fühlen, dass der Grip da war und wusste, jetzt muss ich nur noch eine saubere Runde fahren", fügt der 28-Jährige an.

F1-Abschiede: Das sehen wir 2018 nicht mehr in der Formel 1: (01:53 Min.)

Max Verstappen in Abu Dhabi in der Setup-Sackgasse

Den Grip spürte Verstappen am Samstag zu keinem Zeitpunkt. Dabei war am Vortag noch alles in Ordnung. "Im 1. Freien Training war es okay, aber danach lief es nicht mehr", erklärt er. Sämtliche Rettungsversuche schlugen fehl. "Die Änderungen die wir vornahmen, hatten nicht den Effekt, den wir uns gewünscht hatten. Als das Qualifying an der Reihe war, war es zu spät um noch mehr zu ändern."

Laut Verstappen untersteuerte sein Bolide zu stark, was besonders im letzten Sektor wertvolle Zeit kostete. Der Red Bull funktioniert in Abu Dhabi wie schon in Interlagos nicht nach Wunsch. "In Brasilien ließ es sich hauptsächlich mit dem Motor erklären, den wir runterdrehen mussten. Hier geht es mehr darum, dass wir nicht das Maximum aus dem Auto geholt haben", so Verstappen.

Die Highspeed-Abschnitte auf dem Yas Marina Circuit seien dieses Mal nicht der Grund für den großen Abstand zur Spitze. "Sie haben einen großartigen Topspeed und können dabei noch viel Anpressdruck fahren. Das funktioniert natürlich toll", zeigt er die Qualitäten des Mercedes auf. "Wir könnten hier auch etwas mehr Downforce gebrauchen. Wenn wir auf die Sektoren schauen, sind wir im zweiten Abschnitt konkurrenzfähig und der besteht hauptsächlich aus Geraden.

Ricciardo: Habe mich dieses Jahr zu oft wie Max gefühlt

Ricciardo hat auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com keine klare Antwort auf die Probleme seines Teamkollegen parat. "Schwierig zu sagen. Das Setup ist nahezu identisch. Kleine Dinge wie die Bremsbalance können immer unterschiedlich sein. Aber generell sind wir dieses Wochenende in dieselbe Richtung gegangen, aber er hatte deutlich mehr zu kämpfen."

Die Schwierigkeiten Verstappens erinnern ihn an die eigenen durchwachsenen Qualifying-Sessions in dieser Saison, die ihm einige Samstage versalzten. "Ich war dieses Jahr ein paar Mal zu häufig in dieser Position und manchmal hast du einfach keine Antwort. In Brasilien fehlten mir drei oder vier Zehntel und ich wusste nicht, warum. Auch da war das Setup ähnlich. Ich denke, er hat das hier genauso erlebt."

Ob es für Verstappen am Sonntag nach vorne gehen wird, ist für ihn fraglich. Auf das Setup der ersten Trainingssession konnte das Team nicht mehr zurückbauen und die Abstimmung aus dem Qualifying hat er im Renntrimm nie erprobt. "Ich weiß es nicht, denn ich habe das Setup nicht im Longrun gefahren. Ich finde es erst morgen heraus", so Verstappen im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Ricciardo und Verstappen drehen Spaß-Runde in Abu Dhabi: (03:58 Min.)

Ricciardo will Abu-Dhabi-Sieg: Vollgas bis es knallt

Ricciardo ist hinsichtlich des Saisonabschlusses deutlich optimistischer. "Das Podium ist sicherlich möglich. Wir sind eng beieinander und alles was ich brauche ist ein guter Start, dann sind wir vorne dabei", so der Australier, der hofft, dass sich ihm die Mercedes-Teamkollegen und Vettel die Arbeit möglicherweise sogar erleichtern.

"Ich denke nicht, dass der Start eine klare Angelegenheit wird. Es ist das letzte Rennen des Jahres und jeder will gewinnen. Das kann also ein bisschen Action geben", so Ricciardo. Nachdem die Renault-Motoren den Bullen zuletzt ebenfalls Bauchschmerzen bereiteten, gilt beim letzten Saisonrennen freie Fahrt: In Abu Dhabi heißt es Vollgas.

"Wir werden es auf jeden Fall versuchen. Alles, was wir nächste Woche verpassen können, ist ein Test. Also, wen juckt's?", scherzt Ricciardo. "Wir geben Vollgas und wenn ich gewinne, gebe ich weiter Vollgas im Kreis, solange bis es knallt." Sich seinem Testeinsatz am Dienstag auf diese Art und Weise zu entziehen bereitet Ricciardo dann aber doch ein schlechtes Gewissen: "Nein, ich werde lieb sein."