Top: Vettel kann es noch

Guter Start, sauber direkt in Kurve eins hinein überholt, danach das Rennen fehlerlos bis ins Ziel kontrolliert. Sebastian Vettel kann es noch - nicht nur kein Pech haben oder selbst für Probleme sorgen, sondern ganz einfach noch ein Rennen gewinnen. Zuletzt war dem Ferrari-Piloten das in Ungarn gelungen - vor der Sommerpause, vor mehr als 100 Tagen. Und das mit einem Boliden, der dem Mercedes als mindestens ebenbürtig gilt. Einziges Problem: Ein wirklicher Trost konnte das Vettel und Ferrari nach der verlorenen WM nicht mehr sein.

Flop: Bottas kann es noch nicht

Kein Guter Start, sauber direkt in der ersten Kurve überholen lassen, danach das Rennen einfach auf P2 beendet. Valtteri Bottas unternahm in Brasilien niemals auch nur den Versuch, Sebastian Vettel zu attackieren. Einzig nach den Boxenstopps wurde es einmal kurz eng, doch das lag schlicht und einfach an dem Undercut Mercedes'.

Wie viel tatsächlich im Silberpfeil steckte, bewies Lewis Hamilton mit seiner Spitzenaufholjagd. Nur gut fünf Sekunden nach Sieger Vettel kam der aus der Box gestartete Brite ins Ziel. Der Mercedes war demnach ganz klar ein Siegauto in Sao Paulo. Doch Bottas wusste das selbst mit Pole nicht zu nutzen.

Top: Hamilton kann Mensch und Roboter

Wie das heiße Messer durch die kalte Butter pflügte Lewis Hamilton in Brasilien durch das Feld. Zuerst profitierte der aus der friedlichen Box gestartete Weltmeister von dem Startchaos durch gleich zwei Unfälle, kam so bereits kampflos auf P16 statt P20 zurück aus der ersten Runde. Durch Boxenstopps gewann Hamilton zwei weitere Plätze. Doch von da an vollstreckte er selbst.

Wie eine Maschine überholte Roboter Hamilton Auto um Auto bis er hinter den vier Top-Fahrern an der Spitze angekommen war - und holte sogar noch weiter auf. Max Verstappen musste sich schließlich beugen, er bei Kimi Räikkönen war Feierabend. Eine meisterliche Leistung der Überholmaschine Hamilton. Maschine? Roboter? Nicht nur. Mensch geblieben ist Hamilton auch noch, wie sein Unfall nach einem Fahrfehler im Qualifying zeigt.

Flop: Stierkampf Toro Rosso vs. Renault

Fast schon unmenschlich ging es dagegen bei Toro Rosso und Renault zu. Nachdem schon vor den Trainings nach dem Mexiko-Horror erneut Motorenstrafen wegen defekter MGU-Hs an den beiden Boliden des Renault-Kunden feststanden, die neu eingebaute bei Pierre Gasly im ersten Training gleich wieder den Dienst quittierte, entluden sich die Spannungen endgültig - in einem Donnerwetter der Noch-Partner.

Schon in Mexiko hatte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko bei Motorsport-Magazin.com die dauernden Defekte beim Nachwuchsteam als nicht akzeptabel bezeichnet. Jetzt sah sich Renault offenbar genötigt, aus Angst vor neuer Kritik vorzubeugen, sprach sich von jeder Verantwortung für die Defekte bei Toro Rosso frei. Die würden die Power Units einfach falsch verwenden. Pikante Randnotiz dabei: Renault und Toro Rosso befinden sich auch noch im direkten Duell um P6 in der Teamwertung.

Toro Rosso reagierte erbost, schickte sogar eine Pressemitteilung und behauptete das Gegenteil. Auch Red Bull mischte sich ein, verschickte per Aussendung ein Machtwort von Helmut Marko, den die TV-Kameras kurz zuvor schon in einem Streitgespräch mit Renaults Cyril Abiteboul eingefangen hatten. Großes Kino irgendwie die ganze Angelegenheit, aber eigentlich ein völlig unnötiger Rosenkrieg.

Top: Massas zweiter Abschied mit Emotion UND Leistung

Schon einmal verabschiedete sich Felipe Massa in Brasilien von seinen Fans. 2016 allerdings endete sein Abschiedsrennen daheim zwar mit großen Emotionen und Tränen, aber auch einem Crash. Ganz anders 2017 nach dem Comeback zu Jahresbeginn: Erst blödelten in Sao Paulo etliche Fahrer-Kollegen, Massa werde die F1 schon überraschen und 2018 doch wieder im Grid stehen.

Dann lieferte Massa sogar noch Argumente dafür: Dieses Mal zeigte der Brasilianer ein richtig starkes Rennen, besiegte den eigentlich schnelleren McLaren von Fernando Alonso im direkten Duell und erzielte einen siebten Platz - weit über den eigentlichen Möglichkeiten des Williams, so Massa. Was folgte, waren erneut tolle Szenen als Sohn Felipinho Massa in Cockpit funkte und die beiden sich den Fans danach auch noch gemeinsam auf dem Podium zeigten.

Ob es sich Williams nach dieser Performance vielleicht nochmal überlegt, Massa doch noch zu behalten? Unwahrscheinlich. Doch hat Felipe immerhin klar bewiesen, dass er es doch noch richtig draufhat - wenn er denn will. Obrigado!

Formel 1 Brasilien 2017: Renn-Highlights in 60 Sekunden (01:07 Min.)

Flop: Formel 1 im Brennpunkt Sao Paulo

So großartig die Massa-Geschichte in Brasilien auch war, vermag sie es kaum, über einen insgesamt dunklen Schleier über dem Rennwochenende hinwegzutäuschen. Gemeint sind nicht die Regenwolken, die sich entgegen der Prognosen (eigentlich ein eigener Flop) doch überraschend zurückhielten, sondern die unsäglichen Meldungen in Sachen Kriminalität.

Gleich drei Mal verbreiteten sich die Schreckensmeldungen von Übergriffen auf Formel-1-Personal. Zuerst bei Mercedes, deren Mitarbeiter am Freitag ausgeraubt wurden, woraufhin die Sicherheitsbestimmungen erheblich verschärft wurden. Dennoch ging es weiter - bei Sauber, deren Minibus am Samstag gerammt wurde und zuletzt Pirelli, deren Mitarbeiter am Sonntagabend betroffen waren.

Immerhin: Zu körperlichen Schäden kam bei allen Vorfällen niemand. Doch muss sich die Formel 1 dringend ein besseres Sicherheitskonzept ausdenken, will man denn unbedingt weiter mitten im Armenviertel von Sao Paulo fahren. Der Vertrag zwischen Brasilien und der Formel 1 endet 2020.

Top: Tatort Qualifying

Einen weitaus angenehmeren Tatort gab es dagegen am Samstag. Erneut lieferte die Qualifikation einen waschechten Krimi, der sogar mehr Spannung bot als der Grand Prix selbst. Nur 0,038 Sekunden trennten Sebastian Vettel von der Bottas-Pole, nachdem sich der Finne im letzten Moment noch verbessert hatte. Auch Kimi Räikkönen war mit zwei Zehnteln keine Welt entfernt.

Schon in Mexiko hatte es einen ähnlich prickelnden Samstag geben. Auch dort betrug der Abstand an der Spitze weniger als eine Zehntel, auch dort entschied sich die Pole erst im letzten Moment. Noch dazu purzelten einmal mehr Rundenrekorde im Minutentakt - in Sao Paulo auch durchaus relevant, veränderte sich die Strecke im Lauf der Jahre nur marginal.

Flop: Stewards mit Strafen- Paradoxon

Mit wenig Ruhm bekleckerten sich in Brasilien mal wieder die Stewards bei ihren Untersuchungen der beiden Startunfälle: Romain Grosjean kassierte eine extreme Strafe (10 Sekunden + 2 Strafpunkte) für einen Unfall mit Esteban Ocon, den eigentlich jeder Beobachter als normalen Rennunfall einstufte, da Grosjean schlicht die Kontrolle verloren hatte - und das offenbar auch noch, weil sein Reifen durch eine vorherige Berührung beschädigt worden war. Kurios: Selbst die Stewards klangen in ihrer Urteilsbegründung mehr nach Rennunfall - die Strafe setzte es dennoch.

Genau anders herum dagegen das Bild beim zweiten Vorfall. Hier schienen die Stewards in ihrer Begründung eindeutig Kevin Magnussen als Verursacher der Kettenreaktion im Senna-S, die Stoffel Vandoorne das Rennen kostete und Daniel Ricciardo in einen Dreher zwang, auszumachen. Doch hier lautete das Urteil: keine Strafe. So hört die Kritik an der Inkonsistenz der Formel-1-Strafen sicher nie aus.