Die Aufgabe war gewaltig für Lewis Hamilton beim Brasilien GP 2017. Nach seinem Abflug im Qualifying und anschließendem Bruch der Parc-fermé-Regeln startete der Brite nur aus der Box, immerhin ausgestattet mit den neuesten Spezifikationen, die die Motorenschmiede von Mercedes in Brixworth auf Lager hatte. Dass er im Rennen eine Aufholjagd starten würde, war also zu erwarten. Deren Ausgang mit Rang vier war aber nicht vorauszusehen.

"Mein Ziel war es heute, alles zu geben und meinen gestrigen Fehler wettzumachen. Ich wollte das Team stolz machen und einige Punkte zurückholen", erklärte der Brite. Dass ein Start aus der Boxengasse dabei sogar behilflich sein kann, wurde gleich nach wenigen Metern klar.

Sechs Positionen kampflos gewonnen

Denn im Senna-S kam es zu einer Kollision zwischen Daniel Ricciardo, Kevin Magnussen und Stoffel Vandoorne, die für die beiden Letztgenannten mit dem Ausfall endete. Hamilton ging diesem Treiben aus dem Weg und verbesserte sich somit gleich kampflos um drei Plätze.

Die nächsten gewonnenen Platzierungen folgten prompt. Esteban Ocon schied nach einem Unfall mit Romain Grosjean aus, in Folge der Safety-Car-Phase entschieden sich Ricciardo, Pascal Wehrlein und eben Grosjean für einen Reifenwechsel. Damit war Hamilton - der seinerseits ohnehin auf den härteren Reifen gestartet war - schon auf Rang 14 nach vorne gekommen.

Als das Rennen wieder freigegeben wurde, begann der Weltmeister dann auch in direkten Duellen, sich durch das Feld zu arbeiten. Wobei, echte "Duelle" waren es zumeist nicht. Die Gegenwehr der Kontrahenten hielt sich in argen Grenzen. Bis Runde 21 hatte sich Hamilton bereits auf den fünften Platz gekämpft, jeder Positionsgewinn entsprang dabei einem eigenen Manöver und nicht etwa diverser Boxenstopps vor ihm.

Auch Sergio Perez war kein Hindernis für Lewis Hamilton, Foto: LAT Images
Auch Sergio Perez war kein Hindernis für Lewis Hamilton, Foto: LAT Images

Prominente Opfer waren dabei etwa die beiden Renault-Piloten Nico Hülkenberg und Carlos Sainz, Force-India-Speerspitze Sergio Perez oder auch der aufgrund seines Power-Defizits chancenlose Fernando Alonso. In besagter 21. Rennrunde kam Hamiltons Vorwärtsdrang jedoch erst einmal zum Erliegen. Zu groß war der Rückstand auf den viertplatzierten Max Verstappen, der zehn Sekunden vor dem Mercedes-Fahrer lag.

Strategie bringt Hamilton in Führung

Nun kamen aber die unterschiedlichen Reifenwahlen ins Spiel. Die vier Fahrer an der Spitze absolvierten wenig später allesamt und Runde für Runde ihre Boxenstopps, so dass Hamilton in Runde 30 die Führung übernahm. Sein Vorsprung auf Sebastian Vettel betrug zu diesem Zeitpunkt vier Sekunden, der in den folgenden Runden auch nicht wirklich kleiner wurde. Trotz frischer Reifen tat sich der Ferrari-Pilot äußerst schwer, die Lücke zum Briten zu schließen.

In der 43. Runde kam dann schließlich auch Hamilton an die Box, er bekam jedoch frische Supersofts und hatte damit einen Vorteil gegenüber den Kontrahenten an der Spitze. Einen Umlauf später war die Ausgangslage somit klar: Auf Vettel fehlten dem nun auf Rang fünf befindlichen Hamilton 18 Sekunden, auf das Podium deren 14. Und sofort machte sich Hamilton wieder ans Werk. Einer schnellen Runde folgte die nächste.

In der 57. Runde hatte Hamilton den Anschluss an Verstappen geschafft, der Niederländer war trotz anfänglicher Gegenwehr dank doppeltem DRS-Einsatz schlussendlich kein Hindernis. Bei noch 13 zu fahrenden Runden lag Hamilton nur noch fünf Sekunden hinter Kimi Räikkönen, der den letzten Podestplatz einnahm. Angesichts der Pace, die Hamilton an den Tag legte, schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis er auch den Finnen schnappt.

Doch die superweichen Reifen, die ihn bis dahin haben fliegen lassen, verfügen auch über einen entscheidenden Nachteil: Sie brechen schneller ein. Und das musste Hamilton in den letzten Runden erleben. "Ich versuchte, mir den dritten Platz zu holen, aber am Ende gingen mir die Reifen aus", erklärte der Brite, der schlussendlich keine wirkliche Attacke mehr gegen Räikkönen setzen konnte.

Hamilton sicher: Einfacher Sieg möglich

Dennoch zeigte sich der nun viermalige Weltmeister glücklich über den Rennverlauf. Er ist sicher: Ohne seinen Fehler im Qualifying wäre der Sieger kein Roter gewesen. "Ich hatte so eine gute Pace, damit wäre es an diesem Wochenende ein einfacher Sieg geworden", ist er überzeugt. Entsprechend war die Enttäuschung über seinen Abflug am Samstag weiterhin vorhanden. "Es ist einfach kein Platz für Fehler, wenn man der Beste sein will. Man darf keine Fehler machen, aber es kommt vor, das gehört auch zum Wachstumsprozess", sagte er.

Und die Aufholjagd habe auch ihr Gutes gehabt, schließlich konnte er so seine Motivation an den Tag legen. "Ich habe den Kampf heute genossen und das zeigt hoffentlich allen, dass die Flamme in meinem Herzen noch lodert und es auch für sehr viele weitere Rennen noch so sein wird", schickt er gleichzeitig auch eine Kampfansage an die Konkurrenz.

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff würdigt die Leistung seines Schützlings ebenfalls mit deutlichen Worten. "Lewis lieferte den besten vierten Platz ab, den ich jemals gesehen habe", stellte der Österreicher klar. "Das war eine seiner besten Leistungen in diesem Jahr und sie zeigte, dass wir hier das mit Abstand schnellste Auto hatten. Er hat heute alles gegeben und es war eine weltmeisterliche Vorstellung", so Wolff weiter.