Unter Druck macht er Fehler. So lautete einst die einzige Hoffnung der Gegner von Michael Schumacher auf dem langen Zenit seiner Karriere. Gemeint war damit vor allem der direkte Druck auf der Strecke - durch einen Konkurrenten im Zweikampf. Doch gibt es Druck in der Formel 1 noch auf sehr vielen anderen Ebenen. Da ist der Mediendruck, die Öffentlichkeit, dann der Erfolgsdruck, dem du dich als Fahrer selbst unterziehst, aber auch der Druck des Teams, der permanente Druck, sich sein Cockpit in der Königsklasse immer wieder neu verdienen zu müssen.

Jede Menge Facetten also, jede Menge Erwartungen, denen Formel-1-Fahrer gerecht werden müssen."In der Formel 1 haben wir viel Druck, vor allem wenn du jung bist", erinnert sich Felipe Massa an die Anfänge seiner Karriere und die Beobachtungen seines neuen Rookie-Teamkollegen Lance Stroll. "Oder wenn du viele schlechte Ergebnisse hast und selbst dafür verantwortlich bist, dann musst du auch das überstehen", ergänzt Massa.

Massa: Mit Druck musst du in F1 umgehen können

An Letzterem führt in der Formel 1 kein Weg vorbei. Wer den Druck nicht aushält, sich kein dickes Fell zulegt, ist Fehl am Platz. "Wenn du viel Druck hast, musst du das akzeptieren und damit klarkommen. Wir müssen stark sein", sagt Massa. Denn: "Druck kann Probleme beim Fahren verursachen oder auch bei der Arbeit generell - egal, was du machst. Aber das musst du durchstehen. Jeder hat Druck. Druck kann sich auf jeden Fall auf den Menschen auswirken."

Zu viel Druck ist demzufolge also kontraproduktiv - zu viel des falschen Drucks jedenfalls. "Druck ist wirklich schlecht, wenn du nicht die Macht hast, um das aufzulösen. Dann sagst du Dinge, aber die Leute hören nicht zu, weil du keine Macht hast", berichtet Massa. Ein gutes Beispiel dafür: Seine Zeit als Teamkollege von Fernando Alonso bei Ferrari. Da sei es so gelaufen. "Manchmal, nicht immer", berichtet Massa. "Aber manchmal fühltest du dich so schwach. Du hast Dinge gesagt, und die Leute nur: 'ja, ja, ja'. Aber sie hören nicht zu, weil sie es nicht wollen. Und du verstehst, dass die Dinge beim Team nicht in die richtige Richtung laufen. Das kann schlecht sein", erinnert sich Massa an Zeiten, in den er nicht gewinnen durfte - Stichwort Stallorder-Skandal, Hockenheim 2010.

Mediendruck eine Sache der Erfahrung

Hinzu gekommen sei damals der Mediendruck. "Natürlich kommst du nicht gern heim und liest schlechte Dinge über dich. Aber viele Leute haben Sachen geschrieben, die nicht korrekt waren", erinnert sich Massa. "Aber die Dinge ändern sich und die Leute schreiben dann komplett anders. Die Medien ändern sich oft. Es hängt davon ab, was du machst oder in welche Richtung der Wind weht. Ich hab so viele Dinge in der Formel 1 erlebt, da gab es viele Richtungsänderungen in den Medien. "

Erst mit Erfahrung könne man über solchen Dingen stehen. Nico Rosberg etwa konsumierte in seinem WM-Jahr überhaupt keine Medien mehr - der Ärger hätte ihn nur abgelenkt. "Mit der Erfahrung ändert sich das. Wenn sich Dinge ändern sollten, dann ist das kein Problem mehr. Du machst dir keine wirklichen Sorgen mehr darüber, was du liest oder was du siehst", schildert Massa. Was jedoch längst nicht meint, dass der Brasilianer im Winter seiner Karriere keinen Druck mehr spürt. Im Gegenteil. Der eigene Erfolgsdruck ist noch immer da. Immerhin hat sich Massa das ehrgeizige Ziel gesetzt, 2017 bester Fahrer eines Nicht-Top-Teams, also WM-Siebter, zu werden. Aktuell rangiert Massa auf P10, entsprechend bedient schaute er jüngst nach seinem bitteren Baku-Ausfall in aussichtsreicher Position drein.

Hamilton: Druck kommt nur aus mir selbst

Ohnehin gibt es auch positiven Druck, meist der, den sich ein Fahrer selbst macht - sofern er es nicht maßlos übertreibt. So sei die Situation im Jahr 2008, seinem großen WM-Kampf mit Lewis Hamilton, für Felipe Massa in Sachen Druck exzellent gelaufen. "Das ist ein sehr guter Druck!", sagt Massa und lacht. "Ich habe dass perfekt gemacht", stellt er klar. Tatsächlich ist Massa kein Vorwurf zu machen. Auf dem Gipfel des Erfolgsdrucks gewann er souverän das letzte Saisonrennen - obendrein sein Heimrennen, also nochmal zusätzlicher Druck on top -, verlor die WM nicht, weil er am Druck zerbrochen wäre.

Druck im WM-Kampf kann auch negative Folgen haben, Foto: Motorsport-Magazin.com
Druck im WM-Kampf kann auch negative Folgen haben, Foto: Motorsport-Magazin.com

Der damalige Kontrahent Lewis Hamilton schätzt Erfolgsdruck in der Formel 1 indessen sehr ähnlich ein, geht sogar noch einen Schritt weiter. "Wenn du keine Spannung fühlst, ist es härter dein Bestes zu bringen. Das ist in jedem Sport dasgleiche", sagt Hamilton. "Ich fühle keinen Druck." Zumindest keinen, der den Briten belastet. "Ich fahre jetzt schon seit langer Zeit Rennen und ... ja, klar ist da Druck. Aber ich liebe es. Es fühlt sich nicht wie Druck an. Es fühlt sich ...", sagt Hamilton, im Zuge des aktuellen WM-Duells mit Sebastian Vettel auf das Thema angesprochen.

Hamilton weiter: "Es ist schwierig zu erklären. Klar haben wir Druck. Aber in meinem ganzen Leben kommt der meiste Druck von mir selbst, abliefern zu wollen. Wenn du weißt, dass du glänzen kannst, willst du nichts liegen lassen. Ich fühle keinen Druck. Ich weiß, was ich tun muss. Es kommt auf mich an, zu trainieren, mich vorzubereiten, zu arbeiten. Wenn ich diese Arbeit nicht erledige, bekomme ich nicht das Resultat, das ich mir erhoffe. Es ist eigentlich ganz leicht."

Dass sich Druck im WM-Kampf jedoch auch sehr negativ auswirken kann, zeigte das jüngste Rennwochenende in Baku, als Vettel die Sicherungen durchbrannten, er Hamilton offenbar absichtlich per Revanche-Foul in die Kiste fuhr. Für Hamilton eine direkte Auswirkung des zuletzt gestiegenen Drucks auf Vettel: "Wir wissen, dass sich in schwierigen Zeiten das wahre Gesicht zeigt, und wir haben in den vergangenen Wochen viel Druck ausgeübt."

Auf Mick Schumacher lastet bereits im ersten F3-Jahr irrer Druck - Nachname lässt grüßen, Foto: FIA F3
Auf Mick Schumacher lastet bereits im ersten F3-Jahr irrer Druck - Nachname lässt grüßen, Foto: FIA F3

Massa, Schumi junior, Vandoorne: Druck in der Ausbildung

Ganz andere Situation, sehr ähnliche generelle Einschätzung bei Stoffel Vandoorne. Das vermeintliche Supertalent aus Belgien tut sich trotz aller Vorschusslorbeeren schwer in seiner ersten Saison bei McLaren - noch dazu neben einem Top-Teamkollegen wie Fernando Alonso. "Druck habe ich aber bisher keinen. Ich weiß, dass ich liefern kann", sagte Vandoorne in Kanada. "Ich hatte auch in den Juniorserien schwierige Zeiten. Dort ist es natürlich anders als in der Formel 1, aber ich bin zuversichtlich, dass ich die Leistung bringen kann, sobald wir alle Probleme überwunden haben."

Ohnehin spielt die Ausbildung in den Juniorserien in Sachen Druck bereits eine Schlüsselrolle. Hier wird der Grundstein gelegt, Stück für Stück. Nicht umsonst hielt Managerin Sabine Kehm Mick Schumacher bei seinen jüngsten Anfängen im Formelsport zunächst fast komplett raus aus den Medien - so war dieser Druck schonmal weniger. Gerade bei Mick angesichts des prominenten Nachnamens besonders wichtig. "Schauen Sie sich doch Mick Schumacher an, den Sohn von Michael Schumacher: Gerade habe ich irgendwo gelesen, er sei Favorit auf den Formel-3-Titel. Und er ist erst in seinem ersten Jahr", sagte Nico Rosberg, selbst erfahren mit prominentem Nachnamen, dem Zeit-Magazin. Zumal man nie im Vorfeld wissen kann, wie ein Fahrer reagiert. "Der Druck von außerhalb ist etwas, womit die Leute unterschiedlich umgehen", weiß Massa.

Im Rennauto selbst, dem eingangs genannten Druck im direkten Zweikampf auf der Strecke, Michael Schumachers womöglich einziger Schwäche, sei es dagegen in der Regel kein Problem. "Ich denke der Druck im Auto ist ziemlich normal für Fahrer, denn dem bist du schon im Kartsport ausgesetzt", sagt Massa. "Du musst versuchen, mehr Druck auf den Kerl vor dir machen. Du musst versuchen, einen anderen Druck auf den Vordermann zu machen, damit der Kerl das spürt. Das ist aber ganz normaler Druck beim Rennfahren."