Wer war aus sportlicher Sicht der große Verlierer beim Aserbaidschan Grand Prix? Force India wäre zumindest ein würdiger Anwärter. Das Team rund um Sergio Perez und Esteban Ocon hätte beim Chaos-Rennen in Baku sogar Chancen auf den Sieg gehabt. Das unsägliche Ende: Kollision zwischen den Teamkollegen, Perez ausgefallen, Ocon nur Sechster und weiter mächtig Ärger innerhalb der Truppe.

"Wir hätten um den Sieg kämpfen können", war Perez nach seiner Kollision mit Ocon überzeugt. Ein durchaus realistisches Szenario. Beim Re-Start in Folge einer Safety-Car-Phase zur 20. Runde fuhren Perez und Ocon an vierter und fünfter Stelle hinter dem Führungstrio Hamilton, Vettel, Massa. Alle drei fielen später wegen Strafen oder Technikproblemen zurück. Damit wäre der Weg für das pinke Duo theoretisch frei gewesen.

Traum vom Sieg zerstört

Doch eine teaminterne Kollision beim Re-Start zerstörte jegliche Träume von Force India. Ausgangs Kurve zwei wollte Ocon den Mexikaner überholen, dabei berührten sich beide Autos. Ocon setzte sich auf der Außenseite neben Perez und erwischte dessen vordere Fahrzeugseite mit seinem rechten Hinterrad. Während der junge Franzose zurückfiel, die Fahrt aber zumindest fortsetzen konnte, verlor Perez seinen Frontflügel und musste an die Box.

Später nahm Force India Perez wegen eines gebrochenen Sitzes aus Sicherheitsgründen vorzeitig aus dem Rennen. Ocon schnappte sich als Sechster ein paar Punkte. Doch angesichts der verpassten Chance kann man in diesem Fall kaum von Schadensbegrenzung sprechen. Für Perez war die Sache unterdessen klar: Ocon sei der Schuldige beim Team-Crash gewesen.

Perez: Ocon fuhr unlogisch

"Das Team muss mit ihm sprechen", forderte Perez. "Letztendlich sind wir nur Mitarbeiter, die für Force India fahren. Aber es war nicht richtig so, wie er heute gefahren ist. Es hätte auch ein anderer Fahrer sein können, das wären die gleichen Konsequenzen gewesen. Ich würde nicht sagen, dass er zu aggressiv war. Ich denke aber, dass es unlogisch war, was er getan hat. Das hat uns um die Chancen auf ein tolles Ergebnis für das Team gebracht."

Perez erklärte, dass er in der Situation nicht anders hätte handeln können. Tatsächlich hing er mit seinem Auto schon fast rechts in der Mauer, als sich Ocon neben ihn gesellte. Das Talent war beim Überfahren des Kerbs ausgangs Kurve zwei etwas weit rausgekommen und plötzlich gefährlich nah am Boliden des Teamkollegen dran.

"Ich hätte nicht mehr machen können, um den Crash zu verhindern", versicherte Perez. "Ich habe versucht, an die Mauer heranzufahren. Aber mein Teamkollege hat mir einfach nicht genug Platz gelassen und das Rennen war für uns beide vorbei. Schlimm war es vor allem für das Team, dass unser Rennen unter diesen Umständen ruiniert wurde."

Für Sergio Perez war das Rennen in Baku vorzeitig beendet, Foto: Sutton
Für Sergio Perez war das Rennen in Baku vorzeitig beendet, Foto: Sutton

Ocon: Kann passieren

Ocon selbst wollte nicht die Verantwortung für die Kollision übernehmen. Die FIA sah von einer Strafe ab. "Wenn man eng gegeneinander bei einem Re-Start fährt, dann kann so etwas passieren", meinte er. "Sergio fuhr tief innen in Kurve eins und ich fuhr auf seine Innenseite. Er drückte mich zwischen der ersten und zweiten Kurve, deshalb war ich dann auf der Innenseite. Er versuchte sich auf der Außenbahn zu wehren und dann berührten wir uns."

Der Vorfall in Baku dürfte nicht ohne Konsequenzen bleiben. Es war das zweite Mal in Folge, dass es zwischen Perez und Ocon hitzig zuging. Zuletzt in Kanada weigerte sich Perez, seinem vermeintlich schnelleren Teamkollegen Platz zu machen und einen Angriff auf das Podest zu starten. Wenig später beschwerte sich Ocon, dass Perez in der letzten Runde zu hart gefahren sei. Anschließend entwickelte sich eine Teamorder-Debatte bei Force India mit dem Resultat, dass sich Vorkommnisse wie in Montreal nicht wiederholen dürften. Was folgte, war der Worst Case...

Nachwehen aus Kanada?

Ob Baku eine Konsequenz aus den Vorfällen in Kanada gewesen sei, wurde Perez befragt. Seine Antwort: "Nein, das weiß ich nicht. Ich glaube, das ist etwas, was nur er weiß. Aber letztendlich fahren wir für das Team. Wir haben ein sehr wichtiges Resultat verloren und die Regeln waren seit Anfang an eindeutig."

Dank Force Indias überraschender Stärke und Ocons derzeitiger Top-Form war es zu erwarten, dass es zwischen beiden Fahrern einmal turbulent werden könnte. Längst hat das Team begriffen, dass Red Bull in Reichweite ist. Das bedeute laut Perez aber nicht, dass es unbedingt zwischen den beiden Fahrern knallen muss.

Es gibt Konsequenzen

In der Vergangenheit sei es schließlich auch gut gelaufen, als Nico Hülkenberg noch für Force India unterwegs gewesen war. "Teamkollegen können gegeneinander Rennen fahren. Ich hatte früher mit Hülkenberg sehr harte Kämpfe, aber wir haben uns immer respektiert und genug Platz gelassen, damit so eine Situation wie jetzt nicht vorkommen kann."

Force India wird den Fall nun aufbereiten und weitere Konsequenzen ziehen. "Das Team muss darüber wichtige Entscheidungen treffen. So wie mein Teamkollege gefahren ist, war es einfach nicht gut", forderte Perez. So etwas dürfe nicht mehr passieren, pflichtete Ocon bei.

Die Gespräche sollen allerdings hinter verschlossenen Türen stattfinden, um nicht noch mehr Unruhe zu riskieren. Der stellvertretende Teamchef Robert Fernley sagte nur: "Wir werden das intern diskutieren und stärker daraus hervorgehen."