Völlige Eiszeit herrscht noch nicht zwischen McLaren und Motorenpartner Honda. Doch das Thermometer fällt rapide, zunehmend friert die Beziehung zwischen Woking und Sakura angesichts unzureichender Leistung und Zuverlässigkeit der japanischen Power Units ein - und das nicht nur intern. So sprach McLarens Executive Director Zak Brown bereits vor dem Kanada GP öffentlich von einem Plan B für 2018 sollten die Schwierigkeiten auf Honda-Seite bis zur Sommerpause nicht so weit ausgräumt sein, dass zumindest ein klarer Aufwärtstrend für das kommende Jahr erkennbar sei.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Honda gerade gestehen müssen, das ursprünglich für Kanada geplante Upgrade nicht geschafft zu haben. Doch damit nicht genug des jüngsten Ärgers. So wetterte McLaren-Renndirektor Eric Boullier schon nach dem Rennen in Montréal direkt weiter in Richtung Honda: "Es ist einfach absolut nicht gut genug." Die Schlagzahl erhöhte sich nicht grundlos: Gerade war Fernando Alonso kurz vor der Zielflagge mit einem neuerlichen Defekt an der Power Unit ausgeschieden, hatte dieses Mal sogar auf Punktkurs gelegen.

McLaren und Honda: Wogen vor Baku nicht geglättet

Im Vorfeld des Aserbaidschan GP in Baku haben sich die Wogen noch immer nicht geglättet. Weiterhin spricht Boullier von "Frustrationen", zeigt sich angesichts kaum abzusehender Verbesserungen alles andere als angetan von der gegenwärtigen Situation rund um Honda. "In Kanada waren wir nicht in der Lage das Potential, das wir über das Wochenende gezeigt haben, umzusetzen und wir prognostizieren, dass uns in Baku ähnliche Herausforderungen erwarten werden wenn man sich die Anforderungen der Streckencharakteristik an das Auto ansieht", fürchtet Boullier.

"Kanada war für das ganze Team ein enttäuschendes Rennen und wir erwarten nicht, dass Baku uns in Sachen Performance irgendwelche besonderen Überraschungen liefern wird", bestätigt Stoffel Vandoorne. "Aber wir lernen permanent und arbeiten hart, um unserer Probleme Herr zu werden."

Nur Schwarzsehen will Eric Boullier jedoch nicht. McLaren stehe nicht still. "Ganz im Gegenteil sind Einsatz und Hunger des Teams, uns nach vorne zu bringen und auf die Jagd nach besseren Resultaten zu machen, stärker als je zuvor", sagt der Renndirektor. Ob Boullier Honda bei diesen Worten vom "Team" mit einschließt ist nicht überliefert. Einzig: "Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auf die Lösungen richten statt das Negative zu fokussieren und zusammenarbeiten, um das Beste aus unserer Lage zu machen."

Statt Punkten wieder nur Frust für Alonso, Foto: Sutton
Statt Punkten wieder nur Frust für Alonso, Foto: Sutton

Alonso droht Strafe, Honda bringt kleines Update

Genau diesen Ansatz wählt auch Alonso: "Nachdem wir in Kanada so nah an unseren ersten Punkt herangekommen sind und einen weiteren Ausfall erlitten haben fahren wir mit noch mehr Einsatz nach Baku." Doch sieht auch der Spanier zumindest kurzfristig keinen Grund für Hoffnung. "Aber es ist kein Geheimnis, dass wir ein schwieriges Wochenende erwarten", sagt Alonso. Nach den Problemen mit der Power Unit in Kanada sei es zudem wahrscheinlich, in Baku eine Strafversetzung zu erhalten.

Die könnte es in Aserbaidschan jedoch ohnehin geben. Immerhin plant Honda, das verpatzte Kanada-Update nun nachzuholen. In Kanada hatte Hondas F1-Chef Yusuke Hasegawa noch nichts für Baku versprechen wollen, doch inzwischen gilt ein Upgrade japanischen Medienberichten zufolge als sicher - wenngleich noch immer nicht von einem großen Wurf die Rede ist, mehr von einer Übergangslösung, um die Zuverlässigkeit zu verbessern und zumindest einen Teil des auf fast 100 PS geschätzten Leistungsnachteils abzufeilen.

Große Hoffnungen setzt jedoch nicht einmal Honda selbst in das Baku-Upgrade. "Es ist dieses Jahr kein Back-to-back-Rennen, sodass wir zusätzliche Zeit hatten, um in der Fabrik die Daten aus Kanada zu analysieren und zu verstehen. Dennoch machen wir uns keine Illusionen, dass dieses Wochenende für uns reibungslos laufen wird - der Baku City Circuit hat eine der längsten Geraden aller F1-Strecken und ist ein leistungshungriger Kurs. Wir können eine weitere harte Challenge für das Team erwarten", sagt Hasegawa.

Dem Honda-Chef ist der ernst der Lage damit absolut bewusst. "Wir machen gerade eine schwierige Zeit durch, aber wir tun alles, was wir können, um die Situation zu berichtigen", versichert Hasegawa. "Wir müssen uns weiter auf die Entwicklung konzentrieren - als ein Team mit McLaren - und die Dinge herumreißen sobald wir können."

Vor der Leistung Hondas schließt Fernando Alonso am liebsten die Augen, Foto: Sutton
Vor der Leistung Hondas schließt Fernando Alonso am liebsten die Augen, Foto: Sutton

Honda bricht mit Philosophie: Brawn-Hilfe angenommen

Dafür sperrt sich Honda inzwischen nicht einmal mehr gegen externe Hilfe. Das war in der Unternehmensphilosophie der Japaner zuvor undenkbar gewesen. "Er sagte, er würde sich freuen Honda zu helfen, falls ich Bedarf hätte", sagt Hasegawa über ein Gespräch mit Ross Brawn, Liberty Medias Verantwortlicher für alle sportlichen Belange der F1. "Und wir müssen ihn um Unterstützung bitten. Ich freue mich sehr über dieses Angebot. Wir werden weiter mit ihm sprechen. Ich bin sicher, dass er uns unterstützen wird", sagt Hasegawa. Ross Brawn habe auf ihn den Eindruck gemacht, dass er Honda auf jeden Fall weiter in der Formel 1 halten wolle.

Das scheint angesichts des neuen Abkommens mit Sauber für 2018 ohnehin nicht fragwürdig, wohl aber die weitere Kooperation mit McLaren, wie Zak Brown eingangs genannte Aussagen nahelegen. Nicht zum ersten Mal in den vergangenen Monaten wurde McLaren infolgedessen wieder mit einer Rückkehr zu Mercedes-Motoren in Verbindung gebracht.

Das ewige Gerücht: Kehrt McLaren zurück zu Mercedes?, Foto: Mercedes-Benz
Das ewige Gerücht: Kehrt McLaren zurück zu Mercedes?, Foto: Mercedes-Benz

McLaren wieder mit Mercedes? Wolff dementiert

Doch die Silberpfeile selbst wollen davon überaupt nichts wissen. "Das ist momentan nicht unsere Priorität. Zuerst würde wir gerne Honda und McLaren ihre Beziehung hinbekommen sehen", sagte Motorsportchef Toto Wolff während der FIA-Sportkonferenz in Genf. Dass der Markt sich aktuell bewege nehme Mercedes allerdings durchaus wahr. Doch sei für den Sport insgesamt nichts wichtiger als ein gesundes Honda.

Wolff: "Das Wichtigste ist, das Honda performt, im Sport bleibt und gut mit seinen Kundenteams oder Werksteams klarkommt. Da wollen wir zu diesem Zeitpunkt nicht reinfunken." Doch laufen hinter den Kulissen tatsächlich keine Gespräche? Statt eines klaren Dementi wählt Wolff ein Bild: "Wenn du als die neue Braut infrage kommst, willst du erst, dass sich das Paar scheidet, bevor du ins Bett springst."

So gut wie hier ist die Stimmung zwischen McLaren und Honda nur selten, Foto: Sutton
So gut wie hier ist die Stimmung zwischen McLaren und Honda nur selten, Foto: Sutton

Wackelt jetzt auch Hasegawas Honda-Posten?

Das Thema Scheidung indessen taucht mittelweile jedoch nicht nur in Sachen Honda und McLaren auf. Auch der Stuhl Yusuke Hasegawas bei dem Motorenhersteller soll inzwischen wackeln. Für die Verbesserungen in der Saison 2016 nach dem totalen Desaster im Vorjahr habe noch Hasegawa-Vorgänger Yasuhisa Arai verantwortlich gezeichnet, Hasegawa dagegen verantworte den erneuten Einbruch 2017, heißt es in Teilen der F1-Szene.

Doch Hondas aktueller Motorenchef will davon nichts wissen. "Ich entscheide nicht über meine Zukunft. Fall jemand meinen Posten ändern will, muss ich das befolgen. Aber von Hondas Standpunkt aus denkt niemand daran, meinen Posten auszuwechseln. Der Fokus liegt auf dem Job und so lange ich hier bin, gebe ich mein Bestes", sagt Hasegawa bei Autosport. Zumindest angeknackst scheint das Selbstvertrauen des Japaners jedoch schon zu sein. Hasegawa: "Wir sind mit der gegenwärtigen Performance nicht zufrieden. Wir versuchen es sehr hart, aber in der Konsequenz sind wir nicht zufrieden - wir sind sehr frustriert und wir sind enttäuscht. Vielleicht gibt es jemanden, der dieses Programm besser führen kann. Falls er kommt, wäre ich nicht sehr glücklich, aber okay, dann müsste ich den Posten freimachen."

McLaren-Vorsorge für Alonso-Flucht?

Freiwillig freimachen könnte indessen Fernando Alonso sein Cockpit bei McLaren. Der Spanier hatte zuletzt bereits mehr als nur deutlich gemacht, den Helm zum Saisonende bei weiter ausbleibendem Erfolg an den Nagel zu hängen. Ohne Sieg bis September sei er weg, so der Spanier. Weil das ähnlich realistisch ist wie ein Abrutschen Mercedes' auf Platz zehn der Teamwertung, baut McLaren aktuellen Gerüchten aus Spanien zufolge bereits vor, soll die Fühler nach Alonso-Landsmann Carlos Sainz austrecken, sollte der zweifache Champion tatsächlich die Flucht ergreifen.

Wissenswertes über den Baku GP: (00:52 Min.)