Fernando Alonso macht in Russland da weiter, wo er in Australien, China und Bahrain aufgehört hat: Der Spanier in McLaren-Diensten nimmt im dritten Jahr Honda-Frust in Folge kein Blatt mehr vor den Mund und entertaint die F1-Szene mit markigen Ansagen. Nach Platz 15 im Qualifying im ehemaligen Olympia-Ort Sochi ist Alonso Feuer und Flamme - diesmal jedoch nicht nur für sich selbst.

Unglaublich, aber wahr: Alonso lobt sein Auto

"Das Auto fühlte sich heute gut an, richtig grippy. Es war ein gutes Qualifying, was das Chassis und die Aerodynamik angeht perfekt. Die Balance war gut. Wir waren sehr konkurrenzfähig in den Kurven", schwärmt Alonso geradezu von seinem Boliden. Höchst ungewöhnlich: Schon im Boxenfunk hatte sich der Ex-Weltmeister nach Erreichen von Q2 lobend geäußert. Alles in Ordnung, Fernando? Ja - schon kurze Zeit später kehrt wieder der Normalzustand ein: Mit einem laut gestöhnten "Unglaublich" lässt Alonso nach seinem Aus in Q2 Dampf ab.

"Ja, es war unglaublich", berichtet Alonso später der Pressemeute. Was genau? Die Honda-Performance natürlich! "Ich fühlte mich gut, konkurrenzfähig im Auto, der Grip war da. Aber leider haben wir auf den Geraden viel, viel Zeit verloren heute. Wir haben 1,3 Sekunden auf der Geraden gegenüber den anderen verloren - auf der ersten Gerade allein meine ich. Also sind es insgesamt 2,5 oder 3 Sekunden auf die Geraden der ganzen Strecke gerechnet", führt Alonso aus. "Manchmal echt frustrierend. Wir wussten aber, dass auf diesem Kurs die Power eine sehr große Rolle spielt. Deshalb wussten wir, dass wir nicht sehr konkurrenzfähig sein würden."

Erst freut sich Alonso über die gute Balance seines McLaren in Russland ..., Foto: Sutton
Erst freut sich Alonso über die gute Balance seines McLaren in Russland ..., Foto: Sutton

Alonso gelingt erneut "perfekte Runde"

Dass es dennoch immerhin für das zweite Quali-Segment reichte, liege wohl nur an ihm. Das zeige der Vergleich zu seinem Teamkollegen Stoffel Vandoorne. "Meine Runden waren gut. Sie waren perfekt. Im Q1 war ich sieben Zehntel vor Stoffel, der alle Kategorien vor der Formel 1 gewonnen und dominiert hat. Ich fühle mich im Auto großartig", poltert Alonso.

Vandoorne (P17) indessen erklärt den großen Abstand mit seiner Strafversetzung: "Nachdem ich gestern die Grid-Strafe wegen des Auswechselns von Power-Unit-Teilen kassiert habe, haben wir uns entschieden, uns mehr auf das Rennen zu fokussieren." Angesichts von 15 Strafplätzen und dem aktuellen Leistungsvermögen McLaren-Hondas nur plausibel - ein Qualifying-Ergebnis, das somit nicht zum letzten Startplatz geführt hätte, war realistisch gesehen unmöglich.

... dann wird geschmollt. Honda und so, Foto: Sutton
... dann wird geschmollt. Honda und so, Foto: Sutton

Alonso: Der Honda ist kein normaler Motor

Selbst der perfekte Alonso hätte das nicht bewerkstelligen können - über P15 ging es immerhin auch für den Spanier nicht hinaus. Dennoch: Er selbst fühle sich voll konkurrenzfähig, daher sei es schade mit dem aktuellen Motor keine Chance zu haben. "Die Top-4-Autos sind in allen Bereichen einen Schritt voraus - Mercedes und Ferrari sind überall die besten, ob Motor, Aerodynamik oder mechanischer Grip. Aber wir könnten locker direkt hinter ihnen sein. Wenn wir einen normalen Motor hätten könnten wir da vorne bei den Top-Jungs mitmischen", meint Alonso.

Vor allem dank seines Talents, das durch die neuen Aero-Regularien 2017 erst wieder so richtig zum Tragen komme. "Ich genieße die Kurven, ich genieße die Starts, ich genieße die Boxenstopps. Mit den Regeln dieses Jahr und diesen Autos fühlt es sich eigentlich alles sehr konkurrenzfähig an und ich kann meinen eigenen Stiefel und Style fahren. Es ist so schade ...", hadert Alonso.

Fernando Alonso sieht von P15 keine Chance auf Punkte aus eigener Kraft, Foto: Sutton
Fernando Alonso sieht von P15 keine Chance auf Punkte aus eigener Kraft, Foto: Sutton

McLaren-Führung kniet vor Alonso

Angesichts dieser Aussagen ist die Teamführung inzwischen fast schon peinlich berührt. McLaren-Renndirektor Eric Boullier sieht sich genötigt, Fernando Alonso alle verfügbaren Rosen zu streuen und Schulterklopfer zu spendieren: "Fernando fuhr heute wieder mit seiner typischen Stärke, hat auf der Strecke absolut nichts liegen gelassen als er in Q1 seine schnellste Runde des Tages gefahren ist. Er sah großartig aus auf der Strecke und wir können nur hoffen, dass wir in der Lage sind, ihn besser früher als später mit einem Paket auszustatten, das besser zu seinen mächtigen Talenten passt."

Honda indessen gibt sich angesichts der neuerlichen Manöverkritik dennoch kleinlaut. "Fernando hat im Qualifying einmal mehr seine exzellente Performance gezeigt als er trotz widriger Umstände ins Q2 gekommen ist", sagt Yusuke Hasegawa und meint mit letzteren 'Umständen' zweifelsohne die eigene Power Unit.

Wissenswertes über den Russland GP (00:46 Min.)

Punkte aus eigener Kraft? Unmöglich!

Was damit im Rennen möglich ist? "Es wird schwer aus eigener Kraft in die Punkte zu kommen. Das Defizit ist zu groß", sagt Alonso. "Wir brauchen also etwas Hilfe von den Jungs da vorne, wenn wir in die Punkte wollen. Wir brauchen einen Torpedo in Kurve drei, um auch nur einen Hauch von Chancen zu haben", spielt Alonso auf einen gewissen Vorfall zwischen Sebastian Vettel und Daniel Kvyat im Vorjahr an.

Deren Crash verhalf Alonso 2016 zu einem für McLaren-Verhältnisse bärenstarken sechsten Platz in Russland. Ohne derartige Schützenhilfe sehe es für McLaren eher mau aus. "Wir sind P15 - also nur das 15. schnellste Auto auf der Strecke", sagt Alonso. "Aber wir werden natürlich versuchen, ein gutes Rennen zu fahren, wieder gut zu starten, mit guter Strategie und so zumindest ein paar Position zu gewinnen. Alles kann passieren."