Auf dem Papier hat sich Sebastian Vettel die Pole Position für den Russland Grand Prix geschnappt. Auf dem Papier war Mercedes beiden Ferraris im Qualifying unterlegen. Wirft man einen genaueren Blick auf die einzelnen Sessions, wird klar, dass es auch ganz anders hätte kommen können und stattdessen zum vierten Mal in Folge ein Silberpfeil auf Startplatz eins hätte stehen können.

Dabei ist die Rede nicht von Lewis Hamilton, der mit seinem Auto überhaupt nicht zurecht kam. Sondern vielmehr von Teamkollege Valtteri Bottas. Denn: Der Finne war schneller als Vettel, wenn man sich einmal die theoretische Bestzeit aller Qualifying-Sessions anschaut. Nimmt man Bottas beste Sektorenzeiten zusammen, wäre er in Sochi eine 1:33.072 gefahren. Vettel brauchte für seine Pole-Runde 1:33.194 Minuten. Seine optimale Zeit wäre eine 1:33.182 gewesen.

Fehler kostet Pole

"Wenn Valtteri alle Sektoren zusammenbekommen und nicht einen kleinen Fehler macht hätte, in Q3 zu sehr zu pushen, wäre er auf Pole gestanden", musste sich Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff letztendlich eingestehen. "Aber 'wäre, hätte' zählt eben nicht in diesem Sport." Und so wird es am Sonntag schwierig für Mercedes, den nächsten Sieg in dieser Saison einzufahren.

Dabei hatte Bottas im Gegensatz zu Hamilton das Potenzial gehabt, Ferrari die erste Startreihe streitig zu machen. Doch dem Finnen gelang es schlichtweg nicht, im entscheidenden Q3 des Qualifyings einen Fortschritt zu erzielen. Seine persönliche Bestzeit hatte er zuvor im Q2 erzielt. Die 1:33.264 hätte allerdings nicht ausgereicht, um Vettel oder Räikkönen zu schlagen.

Sektoren-Bestzeiten im Vergleich

Fahrer1. Sektor2. Sektor3. SektorTheoretische Quali-Bestzeit
Valtteri Bottas33.624 (Q3, 1. Run)32.050 (Q3, 2. Run)27.398 (Q2, 1. Run)1:33.072
Sebastian Vettel33.764 (Q3, 2. Run)31.910 (Q3, 1. Run)27.508 (Q3, 2. Run)1:33.182
Kimi Räikkönen33.835 (Q3, 2. Run)32.053 (Q3, 2. Run)27.315 (Q3, 1. Run)1:33.203

Bottas wird langsamer

Beide rote Autos verbesserten sich vom Q2 ins Q3 um mehr als acht Zehntelsekunden. Und Bottas? Der Mercedes-Neuzugang wurde stattdessen zwei Hundertstel langsamer. Auch gelang es ihm nicht, mit seinem zweiten Run in der letzten Runde nachzulegen. Sein erster Schuss - eine 1:33.289 - war schneller gewesen als die finale Runde (1:33.371).

Am Ende eine vertane Chance für Bottas, seine zweite Pole in Folge einzusacken. Danach hatte es im Q2 ausgesehen, als er den Rest des Feldes mit seiner Hammer-Runde deutlich distanzierte. "Valtteri im Besonderen sagte, dass es sich fast nach dem Optimum angefühlt habe", sagte Wolff. "Aber aus irgendwelchen Gründen konnten wir unsere Rundenzweiten nicht verbessern. Ob sie versucht haben, zu viel aus den Reifen herauszuquetschen oder ob es an den Aufwärmrunden lag, wissen wir nicht."

Qualifying-Vergleich Q1 bis Q3

Q1 Q2 Q3
Vettel 1:34.493 1:34.038 1:33.194
Räikkönen 1:34.953 1:33.663 1:33.253
Bottas 1:34.041 1:33.264 1:33.289
Hamilton 1:34.409 1:33.760 1:33.767

Zuversicht vor dem Rennen

Bottas selbst sparte es sich, öffentlich zu erwähnen, dass die Pole durchaus greifbar gewesen wäre. Stattdessen deutete er mehrfach an, dass Ferrari in Sochi schlichtweg schneller sei und besser mit den Ultrasoft-Reifen umgehen könne - mit diesen Mischungen hatte Mercedes dieses Jahr schon mehrfach Probleme gehabt. Immerhin, stellte Bottas fest, sei Mercedes im Gesamten ein guter Fortschritt gelungen.

Am Freitag nach den Trainings hatte Ferrari deutlich die Oberhand, am Samstag sah es wesentlich enger aus zwischen den beiden Top-Teams der Formel 1. "Wir haben uns verbessert", sagte Bottas. "Ich weiß aber nicht, ob es am Auto oder an den Reifen lag. Aber unsere Veränderungen über Nacht sollten uns auch im Rennen helfen. Alles zeigte in die richtige Richtung. Wenn die Bedingungen gleich bleiben, sollte es in Ordnung sein."

Chance für Bottas

Dabei war Bottas zu Beginn des Russland-Wochenendes überrascht gewesen, dass sich Ferrari so stark präsentiert: "Ja, auf jeden Fall. Ich persönlich und wir als Team haben gedacht, dass es besser wird als in Bahrain. Das hat sich aber nicht als richtig herausgestellt und bis jetzt macht Ferrari etwas besser als wir."

Nachdem Hamilton in Russland arge Probleme zu haben scheint, muss Bottas die Mercedes-Ehre retten. Ein möglicher Sieg würde auch ihm persönlich gut tun, nachdem er zuletzt einiges an Kritik angesichts seiner Renn-Performance abbekommen hatte.