Im Zeittraining für den Großen Preis von Russland 2017 wurden Max Verstappen und Daniel Ricciardo von Ferrari und Mercedes wieder einmal an ihre Grenzen aufgezeigt. Auf dem bei Red Bull bisher ohnehin nicht besonders beliebten Sochi Autodrom waren die Österreicher zwar wieder die dritte Kraft, doch die Spitze ist Lichtjahre entfernt. Zu allem Überfluss drängelte sich auch noch Felipe Massa im Williams zwischen die beiden Bullen.

Während Ricciardo sich mit über anderthalb Sekunden Rückstand auf die Pole Position zumindest noch den bei seinem Team in diesem Jahr angestammten fünften Platz sichern konnte, verlor Verstappen weitere zweieinhalb Zehntel und musste sich hinter Massa anstellen. Angesichts dieses Debakels ist das Unternehmen WM-Titel für Red Bull schon beim vierten Saisonrennen erledigt, wie Dr. Helmut Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com einräumt: "Ich fürchte ja. Wir haben unsere Probleme und Renault hat seine Probleme."

Während Red Bull leidet, freut sich Massa über den kleinen Sieg für sein Team. "Sie waren in den ersten drei Rennen besser als wir, sowohl im Qualifying als auch im Rennen. Aber diese Strecke liegt uns und wir kämpfen gegen sie", so der Brasilianer. Bei dieser Ausgangslage liegt nahe, wer am Rennsonntag der erste Gegner der Bullen sein wird. "Ich denke, es könnte eng werden. Es wird wichtig, ihn am Start nicht durchzulassen", so Ricciardo, der vor allem die Mercedes-Power im Heck des Williams fürchtet: "Wenn Felipe uns knackt, wird es schwierig für uns, dieses Auto wieder zu überholen."

Wissenswertes über den Russland GP (00:46 Min.)

Ricciardo mit Masterplan für den Start

Während Ricciardo den Brasilianer im Rückspiegel im Auge behalten muss, muss Verstappen ihn erst einmal überholen. Und das, obwohl der Schwierigkeitsgrad in Sochi für sein Team ohnehin schon höher ist. "Dieses Wochenende ist es wegen den langen Geraden für uns sowieso schon schwieriger", klagt der Niederländer. Um sich beim vierten Saisonrennen nicht mit Massa rumschlagen zu müssen, muss bei Red Bull demnach schon der Start sitzen.

Ricciardo hat sich für den Moment, in dem die Ampeln ausgehen, bereits einen guten Plan einfallen lassen. "Für mich geht es darum zu versuchen, mich von einem der beiden Mercedes vor mir ziehen zu lassen und ihren Windschatten zu nutzen, um mich bis zur ersten Kurve ziehen zu lassen," so der Australier, der sich dann gute Chancen ausrechnet, Massas' Mercedes-Power auch über die Renndistanz widerstehen zu können: "Wenn wir vorne bleiben, sollte es uns möglich sein, ihn hinter uns zu halten."

Verstappen erhofft sich natürlich einen umso besseren Start, um erst einmal an Massa vorbeizukommen. Der 19-Jährige ändert aber trotz des ungewohnten Anblickes des Williams-Hecks nichts an seiner Herangehensweise. "Ich mache es wie immer. Für uns ist der fünfte Platz im Moment das Maximum, das ist dann wie ein Sieg. Also gehen wir es auch so an", sagt Verstappen.

Red Bull hat in Russland Williams im Nacken sitzen, Foto: Sutton
Red Bull hat in Russland Williams im Nacken sitzen, Foto: Sutton

Verstappen mit Balance-Problemen

Dass sich Verstappen über den Kampf mit Massa überhaupt seine Gedanken muss, lag an dem im Zeittraining ihm gegenüber äußerst widerspenstigen RB13. "Ich hatte im letzten Sektor immer zu kämpfen. In Kurve 13 habe ich permanent das Heck verloren und die Reifen überhitzt. Die ersten beiden Sektoren waren immer gut, aber im letzten habe ich dann alles verloren", erklärt der Niederländer. Das Team nahm angesichts der begrenzten Zeit im Qualifying keine Setup-Änderungen vor, sodass Verstappen selbst versuchen musste, das Problem in den Griff zu bekommen.

"Ich habe versucht es zu beheben, aber nichts machte einen Unterschied. Ich bin unterschiedliche Linien gefahren, habe anders angebremst und die mir zur Verfügung stehenden Einstellungsmöglichkeiten benutzt, um den Hinterreifen irgendwie zu helfen. Aber immer in der Kurvenmitte habe ich das Heck verloren und bin gerutscht", fügt er an. Ricciardo konnte ein ähnliches Fahrverhalten wahrnehmen, empfand es jedoch als weit weniger unnatürlich.

"Auf dieser Strecke rutscht man immer etwas, gerade am Kurveneingang. Erst ab der Kurvenmitte bekommt man den Grip. Das liegt am glatten Asphalt", so der Australier, der im Qualifying beim Aufwärmverhalten seiner Reifen eine Besserung vernehmen konnte: "Im Q3 haben wir entschieden, schon in der ersten schnellen Runde alles herauszuholen. Normalerweise haben wir immer erst ein paar Runden gedreht, um schneller zu werden. Aber im Q3 hat es offenbar auch anders funktioniert."

Max Verstappen war mit seinem RB13 im Qualifying alles andere als glücklich, Foto: Sutton
Max Verstappen war mit seinem RB13 im Qualifying alles andere als glücklich, Foto: Sutton

Ricciardo hält Zweistopp-Strategie für möglich

Aufgrund der glatten Asphaltoberfläche des Sochi Autodroms war der Ultrasoft-Reifen bisher klar die erste Wahl bei den Teams. Dass es am Rennsonntag Einstopp-Strategien hageln dürfte, scheint damit fast schon sicher. "Wenn du die Strecke für dich alleine hast, könnte es ziemlich klar sein. Da wäre sicherlich eine Einstopp-Strategie drin", so Ricciardo, der jedoch glaubt, dass die Rennsituation auch bei den Reifen wieder einen Unterschied machen könnte.

"Dieses Jahr ist das Hinterherfahren schwieriger. Wenn du hinter ein langsameres Auto zurückfällst und kämpfst, deine Reifen rannimmst und aus dem Fenster rutschst, könnte es sein, dass du zu einem frühen stopp oder zwei Stopps gezwungen bist." Seine Reifen rannehmen sollte er am Sonntag aber im Falle einer Safety-Car-Phase, denn in Bahrain versuchte er vergeblich seine Pneus hinter dem Führungsfahrzeug auf Temperatur zu bekommen und verlor danach massiv an Boden. Der Plan für Sochi? "Ich mach es wie Valtteri in China", scherzt Ricciardo und gibt dem Silberpfeil-Piloten einen kleinen Seitenhieb für seinen Dreher in Shanghai mit auf den Weg.