Die goldene Himbeere der Formel 1 für den Reinfall-Rennstall des Jahres scheint in der Saison 2017 einmal mehr an das Traditionsteam von McLaren zu gehen. Auch das dritte Jahr mit Motorenpartner Honda beginnt mit einem Stotterstart - und das ist angesichts dreier Ausfälle, eines letzten Platzes mit zwei Runden Rückstand und der resultieren roten Laterne in der WM-Tabelle noch ungemein freundlich formuliert. Was McLaren-Honda bislang sportlich liefert, ist von den Testfahrten in Barcelona über den Saisonauftakt in Australien und das vergangene Rennen in China eine einzige, veritable Katastrophe.

Einzig das Drumherum verhindert ein ausschließlich mit 'Mangelhaft' und 'Ungenügend' gespicktes Armutszeugnis. Zumindest die neue orange-schwarz-farbene Lackierung und die Entertainer-Qualitäten von Fernando 'Gib' mir Tiernamen' Alonso sorgen für immerhin partiell positive Presse. Doch insgesamt gestalten sich die Schlagzeilen freilich alles andere als wünschenswert und werden sich zunehmend in diese Richtung drehen, bleiben Erfolge und der seit Jahren propagierte Fortschritt im dritten Jahr in Folge aus.

Fernando AlonZoo: Ich pushe wie ein Tier (01:03 Min.)

Nur Entertainer Alonso sorgt für Highlights

Gerüchte und Berichte um eine mögliche Trennung von Honda noch während der laufenden Saison, eine Rückkehr zu Mercedes oder gar den Bau einer hauseigenen McLaren-Power Unit machten so bereits die Runde. McLaren streitet all das in schöner Regelmäßigkeit ab - mal mehr, mal weniger deutlich. Insgesamt ist jedoch zunächst von einer Fortführung der als Traumehe angekündigten, inzwischen zum tristen Ehealltag verkommenen, Partnerschaft auszugehen.

Zumal McLaren und Honda ihre Zusammenarbeit jetzt noch durch ein anderes Projekt intensivieren: Fernando Alonso wird das Indy 500 fahren - mit McLaren, Honda und Andretti. Dass er dafür aber den Monaco GP absagt, ausgerechnet McLarens wohl beste Punktechance angesichts der ausgeprägten Topspeed-Nachteile, lässt sich jedoch ebenso gut als Flucht, als nötige Auszeit von den vielleicht nie enden wollenden Rückschlägen im Formel-1-Geschäft interpretieren.

Doch ist das wirklich so? Setzt sich McLaren bisheriger Horrortrip durch die F1-Saison 2017 jetzt unendlich fort? Oder gibt es Hoffnung auf Besserung? Aktuelle Aussagen der verantwortlichen Hauptakteure jedenfalls geben ein ziemlich gemischtes bis widersprüchliches Bild ab.

Yusuke Hasegawa sieht das Momentum aufseiten des Teams. Alonso denkt sich seinen Teil. (Symbolbild), Foto: Sutton
Yusuke Hasegawa sieht das Momentum aufseiten des Teams. Alonso denkt sich seinen Teil. (Symbolbild), Foto: Sutton

Honda-Chef Hasegawa sieht 'Momentum' ...

Honda-Chef Yusuke Hasegawa etwa spricht im Ausblick auf den bevorstehenden Grand Prix in Bahrain schon davon, "hoffentlich weiter auf unser Momentum aufbauen zu können." Weiter: "Ich habe mehr und mehr Vertrauen in den Fortschritt in Sachen Zuverlässigkeit unserer Power Unit nach den ersten beiden Rennwochenende." Woran genau der Japaner diesen Trend erkennen will, ist angesichts des jüngsten Doppelausfalls kaum ersichtlich.

Allenfalls die Performance im Qualifying und zu Rennbeginn liefert einen möglichen Grund für diesen Optimismus. "Das war definitiv viel besser als erwartet", sagte Alonso am Samstag. "Wir hatten schon im dritten Training unser volles Potential abgerufen und sind dann mit ein wenig Pessimismus und Sorgen ins Qualifying gegangen, das Q1 heute unser Ziel sein würde. Aber wir haben im Qualifying noch ein bisschen Pace gefunden, unser Auto hat sich okay verhalten. Jetzt liegt es an uns, morgen aus dieser Position Kapital zu schlagen und hoffentlich in den Punkten zu sein." Gesagt, gescheitert. Trotz guter Startphase bei unwirtlichen Bedingungen stand am Ende des Rennsonntages wieder die Doppel-Null. Zwei Ausfälle aufgrund technischer Gebrechen.

... trotzdem erneute Doppel-Null in China

"Ein Problem mit der Antriebswelle. Zusammen mit Stoffels Benzinproblemen sind das natürlich schlechte Nachrichten", klagt Alonso. "Eine große Enttäuschung", ergänzt Hasegawa trotz allen Optimismus' schließlich doch noch bezüglich der weiter deprimierenden Zuverlässigkeit. "Nichtsdestotrotz nehmen wir eine Reihe positiver Dinge mit, denn bis zu den Ausfällen hatten wir ein ermutigendes Rennen." Was jedoch beileibe nicht das wahre Bild spiegele, mahnt Alonso. "Wo wir waren, war eine Kombination der Streckenbedingungen und des Wetters." Für einen sechsten Platz reiche die Performance des McLaren zurzeit höchst wahrscheinlich nicht. "Als es auf die pure Performance des Autos ankam, auf einer komplett trockenen Strecke, haben wir an Pace verloren."

Besonders besorgt blickt das Team auf den nun bevorstehenden Bahrain GP. "Die Hitze und die zwei langen Geraden werden die Power Units sehr beanspruchen, sodass wir kein einfaches Wochenende erwarten", entschuldigt sich Hasegawa gefühlt schon vorab für das nächste Debakel. Renndirektor Eric Boullier derweil nähert sich dem Thema ironisch: "Fernando hat dieses Rennen nicht weniger als dreimal gewonnen. Traurig sagen zu müssen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass Alonso diese beeindruckende Siegesausbeute ausbauen wird." Zumindest Punkte nehme McLaren jedoch ins Visier. "Aber wir machen keine Versprechen oder Vorhersagen. Wir hoffen einfach, dass ihre Mühen erflogreich sein werden", ergänzt der Franzose vorsichtig.

McLaren Honda: Wege aus der Krise: (36:39 Min.)

McLaren hängt noch immer im Testfahrten-Modus

Allerdings kann Boullier den heißen Bedingungen auch etwas Positives abgewinnen. Der nahezu vollständig ins Wasser gefallene China-Freitag wird sich in der Wüste nicht wiederholen, sodass die Teams wesentlich mehr Fahrzeit erhalten. Gerade für McLaren ist das elementar, verpasste man bei den Testfahrten durch Probleme viel Streckenzeit. "Das erste Training ist für uns eine Testsession. Wir bringen da noch einige Messgeräte und Sensoren am Auto an, um daran zu arbeiten", erklärt Boullier. Die auch seinen Worten zufolge verbesserte Standfestigkeit helfe daher sehr. Nur so lasse sich verlässlich planen und an der Performance arbeiten.

Letztere sei nämlich das größere Problem, so nahezu alle Verantwortlichen unisono. "Nach den Tests war ich nervöser wegen Performance als wegen Zuverlässigkeit - auch wenn das Auto mal stehen geblieben ist. Von diesem Standpunkt aus hat sich nichts verändert. Wir müssen uns noch immer darauf konzentieren, mehr Power aus dem Motor zu holen", sagt Hasegawa. Mit Motor meint der Japaner dabei übrigens tatsächlich Motor - nicht das Hybrid-System: "Aus Performance-Sicht ist die ICE das größte Problem, das wir haben." Einen genauen Termin, wann mehr als nur graduelle Verbesserungen drin seien, vermag der Japaner jedoch noch immer nicht zu nennen. Das weggefallene Token-System helfe zwar. "Aber wenn wir das Package des Motors ändern müssen, gibt es durch die Begrenzung der Motorenanzahl pro Saison noch immer eine Begrenzung", erklärt Hasegawa.

Der Kern aller Probleme sitzt unter der Haube - doch perfekt ist bei McLaren auch das Chassis nicht, Foto: Sutton
Der Kern aller Probleme sitzt unter der Haube - doch perfekt ist bei McLaren auch das Chassis nicht, Foto: Sutton

Nur die Power Unit? Was kann das McLaren-Chassis?

Doch ist überhaupt nur die Power Unit? Wie steht es eigentlich um das in den vergangenen Jahren von Eigenlob überhäufte Chassis? Ähnlich wie bei der Zuverlässigkeit widersprechen sich die McLaren-Aussagen auch hier. "Ich denke nicht, dass es zu diesem Zeitpunkt sehr gut aussieht", gestand Boullier in China. "Aber wir arbeiten hart und sind erfreut, dass unsere Fahrer wenigstens das Auto am Limit bewegen können und immerhin Vertrauen in das Auto haben."

Entsprechend klingen die Piloten wesentlich positiver geht es um das Gefühl in ihren Boliden. "Es fühlt sich gut an. Ich bin in der Lage, das Auto bis ans Limit zu pushen. In den Kurven sind wir sehr gut, so schnell wie alle anderen. Das ist definitiv ein Schritt nach vorne", versichert Alonso. "Aber auf den Geraden sind wir mit Abstand am langsamsten." Entsprechend sei es schon ein ziemlich Wunder gewesen, dass er in China habe Punkte holen können, wäre er nicht ausgefallen, betont Alonso.

Alonso: Kurvenlage gut, aber noch Potential

Perfekt sei jedoch auch in den Kurven nicht alles, Alonso: "Wir sehen ein paar Probleme aufseiten der Fahrbarkeit, die wir lösen müssen am Kurvenausgang. Auch ein paar Probleme beim Hochschalten, die bei der Fahrbarkeit aus den Kurven heraus auch nicht helfen. Aber generell denke ich, sind wir da okay unterwegs."

Aufgegeben hat Alonso daher den McLaren-Traum vom Kampf der Spitze selbst für die laufenden Saison noch nicht. "Ich bin bereit alles zu tun, whatever it takes. Um zu gewinnen. Und wenn die ganze Saison so weitergeht werden wir versuchen, uns bei jedem Rennen zu verbessern. Und das Auto hoffentlich zuverlässig genug machen um die Rennen zu beenden und dann konkurrenzfähig genug, um gegen die Top-Teams zu kämpfen", sagt der Spanier. Noch sei man nicht so weit und, ja, deshalb natürlich enttäuscht.

Dass die Konkurrenz McLaren 2017 nur noch von hinten sieht, ist so gut wie auszuschließen, Foto: Sutton
Dass die Konkurrenz McLaren 2017 nur noch von hinten sieht, ist so gut wie auszuschließen, Foto: Sutton

Bis dahin gelte es deshalb, jede sich nur bieten Möglichkeit maximal auszunutzen. Für Bahrain schätzt Alonso die Chancen dafür recht gering ein. "Unsere Priorität wird sein, die Zuverlässigkeit gegen die heißen und harschen Bedingungen zu wappnen, bevor wir überhaupt über Performance nachdenken", sagt Alonso. "Aber über weitere positive Überraschungen in Bahrain wäre ich natürlich sehr erfreut!"

Teamkollege Vandoorne indes geht weder davon, noch von einer großen Rehabilitation McLarens irgendwann in dieser Saison aus. "Dieses Jahr wird schwierig für uns", sagt der Belgier. "Das wichtigste für mich sind jetzt einfach Kilometer. Also hoffe ich am Wochenende so viele Runden wie möglich zu fahren."Wir hatten ja schon in China ein schwieriges Wochenende erwartet und ich weiß nicht, ob es in Bahrain besser wird. Es ist nur eine Woche später und so ist natürlich sehr begrenzt, was du da an Änderungen vornehmen kannst", ergänzt Vandoorne. "Aber da Auto verbessert sich auf jeden Fall", versichert 'The Stoff'.