Fazit der Formel 1-Tests in Barcelona (05:53 Min.)

Welches Team sammelte die meisten Kilometer?

Valtteri Bottas und Lewis Hamilton haben sich als Duracellhasen der zwei Testwochen in Barcelona präsentiert. Zusammen spulten sie insgesamt 1.096 Runden ab, kein anderes Team kam über die Grenze von 1.000 Runden. Auf Platz zwei landete Ferrari mit 956 Runden. Die Scuderia wusste sowohl durch Pace, als auch durch Standfestigkeit zu überzeugen. Stark präsentierte sich auch Williams. Insgesamt 800 Runden brachte das Team auf die Uhr. Ganz stark: 587 davon alleine in Woche zwei. Für den zweiten Teil der Testfahrten hält Williams somit gar den Bestwert.

Nur im hinteren Mittelfeld der Rundenzahlen findet sich Red Bull. 684 Umläufe bedeuten Rang sieben in der Liste. Auch die Österreicher wussten nach einer schwierigen ersten Woche sich zu steigern. Gleiches gilt für das Schwesterteam Toro Rosso, die in Woche eins noch zu den großen Verlierern zählten. Abgeschlagenes Schlusslicht in der Liste bildete McLaren mit gerade einmal 425 Runden.

Was sagen die Rundenzeiten?

Ferrari setzte die absolute Bestmarke der Testfahrten. Auf Supersofts fuhr Kimi Räikkönen am letzten Testtag eine 1:18.634. Damit scheiterte der Finne nur knapp am absoluten Streckenrekord in Barcelona, den Felipe Massa 2008 ebenfalls bei Testfahrten aufstellte. Dass die Rundenzeiten deutlich in den Keller gehen, war angesichts der neuen Aerodynamik-Regeln und der deutlich breiteren Reifen jedoch klar. Dennoch hinterließ Ferrari in den zwei Wochen zeitenmäßig den stärksten Eindruck. "Ich glaube, dass Ferrari blufft und sie sehr viel schneller sind, als sie es gerade zeigen", sagte etwa Lewis Hamilton nach der Bestzeit von Sebastian Vettel am vorletzten Testtag.

Mercedes dagegen beteiligte sich gerade an den letzten beiden Tagen nicht an einer ausgiebigen Zeitenjagd - oder konnten sie nicht? Mit Kimi Räikkönens Wunderrunde wollte Mercedes offensichtlich nicht mithalten. Die Zeiten der Silberpfeile am Freitag waren langsamer als das, was sie selbst schon gezeigt hatten. In die Sphären der mittleren 1:18er Zeiten stieß Mercedes aber nie vor, möglicherweise gewollt.

Hundertprozentig zufrieden zeigte man sich bei den Dominatoren der vergangenen Jahre nicht. "Wir haben Updates gebracht, die nicht so perfekt funktioniert haben wie wir es erwartet hatten", sagte Aufsichtsratsmitglied Niki Lauda. Es sieht so aus, als könnte ein enger Kampf anstehen. "Jeder probiert hier mit anderen Spritmengen irgendwas aus. Deshalb kann man die Zeiten nicht eins zu eins vergleichen. Ich bin da ganz ruhig und schaue mir die Fakten an. Der Ferrari liegt sehr gut, das muss man sagen. Mercedes und Red Bull aber auch", fasst Lauda die Situation aus seiner Sicht zusammen.

Warum war McLaren der große Verlierer?

McLaren erlebte zwei Wochen Reinfall am Stück, Foto: Sutton
McLaren erlebte zwei Wochen Reinfall am Stück, Foto: Sutton

Neues Reglement, neue Teamführung, sogar die lang ersehnte orange-farbene Lackierung wurde an das Auto gebracht. McLaren wollte sich wieder in der Spitzengruppe der Formel 1 zurückmelden. Doch die Testfahrten waren für das Team und Motorenpartner Honda ein einziges Desaster. Probleme über Probleme suchten die beiden Fahrer Fernando Alonso und Stoffel Vandoorne heim, und das jeden Tag. Konnte man mit 208 Runden in Woche eins noch Toro Rosso hinter sich halten, fiel man in der zweiten Phase der Testfahrten und auch in der Gesamtbilanz auf den letzten Platz zurück.

Während die Konkurrenz Probleme inzwischen erkannte und behob, sucht man bei Honda noch immer nach den Gründen für die Defekte. Vandoorne und Alonso wirkten gerade gegen Ende der Testfahrten wie unglückliche Zwillinge. Der Belgier und der Spanier blieben an den beiden letzten Tagen unisono jeweils zweimal kurz hintereinander stehen. Es war in beiden Fällen dasselbe Problem, ein "unregelmäßiger elektrischer Shutdown", wie das Team vermeldete. Die Ursache? Unklar. Auch in der ersten Woche traten Probleme auf, deren Lösung Honda nicht parat hatte.

Auch in der Beziehung zwischen britischem Traditionsteam und japanischem Großkonzern gibt es erste Risse. Fernando Alonso keilte in seiner Medienrunde öffentlichkeitswirksam aus. "Ich denke nicht, dass wir beim Chassis weit weg sind. Wir haben nur ein Problem, und das ist die Power Unit", polterte der Spanier. Gemeinsame Medienrunden wurden abgesagt, hinter den Kulissen scheint es zu brodeln. Renndirektor Eric Boullier versuchte sich erst gar nicht an Liebesbekundungen.

"Natürlich üben wir maximalen Druck in unserer Beziehung auf Honda aus und das gleiche gilt auch für sie. Wir können auch keinen falschen Fuß setzen, wir müssen auch in der Lage sein, das beste Auto abzuliefern. Das gilt also für beide Seiten", so der Franzose. Ob die Beziehung noch lange anhält? "Wir haben einen Vertrag. Und im Durchschnitt dauert eine Ehe ja sieben Jahre und nicht drei", schließt Boullier eine Trennung dennoch aus.

Wie verliefen die Tests für Lance Stroll?

Erst pfui, dann hui: Lance Strolls Debüt für Williams, Foto: Sutton
Erst pfui, dann hui: Lance Strolls Debüt für Williams, Foto: Sutton

Wie Tag und Nacht. Sein Einstand in der ersten Testwoche geriet für den Kanadier zum Albtraum. Crash am ersten Tag, vorzeitiges testende aufgrund fehlender Ersatzteile. Papa Lawrence Stroll half dem Team beim Transport des kaputten Frontflügels in die Fabrik per Privatjet, damit sein Sohn am Tag darauf wieder mitmachen konnte. Doch Stroll schien weiterhin überfordert. Dreher am Vormittag, Mauereinschlag am Nachmittag. Dabei wurde das Chassis beschädigt, Williams musste den letzten Tag der ersten Woche abblasen.

In der zweiten Woche dann präsentierte sich Stroll wie ausgewechselt. Statt unter der Last der erhöhten Aufmerksamkeit weitere Fehler zu produzieren, fuhr Stroll absolut fehlerfrei. Zur Krönung durfte sich der 18-Jährige am letzten Tag sogar gemeinsam mit Carlos Sainz Rundenkönig nennen. 132 Runden brachten beide am Freitag zusammen. "Was wir in dieser Woche von ihm gesehen haben, ist sehr beeindruckend. Er hat nichts falsch gemacht, und das nach dieser Aufmerksamkeit letzte Woche. Er hat einen tollen Charakter", lobte Rob Smedley, Head of Performance Engineering bei Williams.

Wer waren die positiven und negativen Überraschungen der Testfahrten?

Renault fährt der Musik noch hinterher, Foto: Sutton
Renault fährt der Musik noch hinterher, Foto: Sutton

Positiv tat sich das Haas-Team hervor. Die Amerikaner scheinen ihre Hausaufgaben im Winter gemacht zu haben. Nach dem phänomenalen Einstieg vergangene Saison mit leichter Abwärtstendenz in der zweiten Saisonhälfte spulten Kevin Magnussen und Romain Grosjean nicht nur viele Runden ab, sondern waren auch von den Zeiten her konkurrenzfähig. Auch Sauber überzeugte mit Zuverlässigkeit. Fraglich ist, wie weit der Nachteil des alten Ferrari-Motors im Verlaufe bereits der ersten Rennen zunehmen wird.

Die größte negative Überraschung war wie bereits beschrieben McLaren. Wenngleich absolut nicht einschätzbar ist, wie stark das Auto ist, da McLaren den Honda-Motor nur im sichersten Modus laufen ließ. Ebenfalls nicht gut aus den Startlöchern gekommen ist Renault. Die Franzosen kämpften mit der Zuverlässigkeit. 596 Runden bedeuteten die drittwenigsten aller Teams, in Woche zwei war man gar Vorletzte. "Ich glaube, wir haben die Erwartungen nicht ganz erfüllt", kommentierte Nico Hülkenberg die Situation bei Renault.

Wie waren die Reaktionen auf die neuen Autos?

Durchgehend positiv. Die Fahrer lobten die breiteren und dynamischeren Boliden in den höchsten Tönen. Durch den Gewinn an Abtrieb sind die Kurvengeschwindigkeiten nun deutlich höher. Schneller, spaßiger, aber auch anstrengender ist die neue Formel 1. "Ich bin Vollgas in Kurven gefahren, in denen ich es zuvor noch nie erlebt habe", schwärmte etwa Lewis Hamilton. Er hofft, dass sich die Spreu nun wieder vom Weizen trennt - oder, wie er es sagt: "Ich hoffe, es trennt die Männer von den Jungs."

Zustimmung erfährt Hamilton von Kevin Magnussen. Der Haas-Pilot kann sein Glück kaum fassen, in den Genuss zu kommen, diese Boliden fahren zu dürfen. "Es ist so eine Erleichterung, diese Autos zu fahren. Man kann extrem pushen, nicht nur auf eine Runde. Klar, die Reifen bauen ab, aber auch dann hat man so viel Grip. Es macht viel mehr Spaß zu fahren", so der Däne. Im gleichen Atemzug verteufelt er die alten Autos sogar. "Wenn du mit den alten Autos gefahren bist, war es teilweise peinlich, wie langsam man war. Es war schrecklich. Hier ist es ganz anders", fand er deutliche Worte.

Was ändert sich mit den Reifen?

Die neuen Reifen sollen haltbarer sein, Foto: Sutton
Die neuen Reifen sollen haltbarer sein, Foto: Sutton

Die Zeiten, in denen die Reifen nach gefühlt zwei Kilometern Metern schon Grip verloren haben, sollen der Vergangenheit angehören. Pirelli hat seine Mischungen komplett überarbeitet und legt den Blick auf Haltbarkeit. "Der größte Vorteil an den neuen Reifen ist, dass sie konstanter sind", stellte Valtteri Bottas bereits fest. "Du kannst längere Stints fahren mit einer höheren Durchschnittspace." Zwar werden die Reifen - logischerweise - auch weiterhin an Performance verlieren. Aber in einem anderen Ausmaß.

"Nach 20 Runden auf Softs wären wir hier letztes Jahr 4 Sekunden langsamer gewesen", rechnete Pirelli-Manager Mario Isola vor. "Jetzt waren es zwischen 1 und 1,5 Sekunden. Das war mehr als akzeptabel." Damit gehen aber auch weniger Boxenstopps einher und damit weniger Gelegenheiten, durch Strategien Spannung in die Rennen zu tragen.

Nach Abschluss der Testfahrten klang das aber etwas anders. Lewis Hamilton etwa konnte keinen großen Unterschied feststellen. "Du kannst nicht immer zu 100 Prozent pushen. Die Reifen bauen immer noch ab", stellte er ernüchternd fest. Eine kleine Besserung habe es gegeben, aber nicht in großem Stil. "Die Reifen sind viel härter als letztes Jahr und sie neigen definitiv weniger zum Überhitzen, aber sie tun es trotzdem noch. Und hier war es nicht einmal besonders heiß", merkte er an.

Grundsätzlich wolle man den Performanceabbau auch gar nicht abschaffen, betonte Mario Isola. Viel mehr ging es darum, das Überhitzen der Reifen in verwirbelter Luft - also in Duellen zu vermeiden. Ein Ziel, dass laut Isola erreicht wurde. "Auch wenn der Fahrer pusht und etwas Grip-Verlust spürt, reicht das Fahren auf der Geraden, um die Performance der Reifen zurückzuerlangen. Das ist ein sehr guter Hinweis für uns."

Warum übten die Fahrer intensiv Starts?

Seit dem Belgien GP 2015 hat sich das Startprozedere in der Formel 1 geändert. Der Fahrer steht seitdem mehr im Fokus. Die Regularien wurden seither immer wieder verschärft, so auch vor der kommenden Saison. Die Fahrer übten aufgrund dessen extrem intensiv die neuen Voraussetzungen. Denn nun ist es nicht mehr möglich, gewisse Automatismen für den Startvorgang auszuwählen, wie es 2016 noch gängige Praxis war. "Wir haben zuvor mit dem Ingenieur eine Position ausgemacht, wohin man mit dem Kupplungs-Hebel ungefähr kommen musste. Danach lag es am Ingenieur, ob die Kupplung zu viel oder zu wenig greift", erklärte Pascal Wehrlein. Nun wird das Kupplungs-Drehmoment per Motorsteuerung geregelt. Der Fahrer ist somit auf sich alleine gestellt.

Warum fuhr Pascal Wehrlein nur eine Woche?

Bei seinem Unfall beim Race of Champions im Januar trug Pascal Wehrlein eine Rückenverletzung davon, die auf Anraten der Ärzte dazu führten, dass der Sauber-Pilot die erste Woche der Testfahrten absagen musste. Zu groß wäre das Risiko gewesen. Vertreten wurde Wehrlein in der ersten Woche durch Ferrari-Testfahrer Antonio Giovinazzi. In der zweiten Woche griff Wehrlein dann aber ins Geschehen ein. An allen vier Tagen teilte sich der 22-Jährige die Arbeit mit Marcus Ericsson. Insgesamt kam Wehrlein am Ende auf 192 Runden - zwei mehr als Fernando Alonso.