Flashback ins Jahr 2014: Die gesamte Formle-1-Welt - außer den involvierten Fahrzeugherstellern - schimpft über die neuen Autos. "Batterien gehören ins Handy", schimpfte Sebastian Vettel, einer der größten Kritiker der Hybrid-Ära. Die Kritik ging zwei Jahre so weiter - bis jetzt.

Barcelona im Jahr 2017, Wintertestfahrten zu einer Saison, die entscheidend für die Zukunft der Formel 1 wird. Erstmals seit vielen Jahrzehnten haben die Regelmacher das technische Reglement so umgestaltet, dass die Autos wieder schneller werden. Und wie viel schneller: Valtteri Bottas fuhr schon am dritten von acht Testtagen mit 1:19.705 Minuten mehr als zwei Sekunden schneller als Lewis Hamilton bei seiner Pole-Runde des Vorjahres.

Dabei gewinnen die Autos die Zeit nur in den Kurven, auf den Geraden verlieren sie aufgrund des höheren Luftwiderstands sogar. Und genau diese Tatsache zaubert den Piloten das Lächeln wieder zurück ins Racer-Gesicht. "Das Auto ist unglaublich in Sachen Kurvenspeed und es ist definitiv das schnellste, dass ich je in der Formel 1 gefahren bin", sagt ein strahlender Lewis Hamilton. "Und das obwohl wir noch nicht einmal mit wenig Benzin gefahren sind."

Hamilton: Vollgas wie nie

"Ich bin Vollgas in Kurven gefahren, in denen ich es zuvor noch nie erlebt habe", so Hamilton weiter. Dabei erlebte der Breite noch die Zeiten der extremen aerodynamischen Ausmaße. 2008 waren die Autos beflügelt wie nie, hatten dabei aber mit den V8-Motoren - von vielen heute leistungstechnisch als Luftpumpen verspottet - viel weniger Leistung als mit den Power Units.

Die Autos sind schön wie lange nicht mehr, Foto: Sutton
Die Autos sind schön wie lange nicht mehr, Foto: Sutton

Sebastian Vettel wollte noch nicht ganz so euphorisch werden: "Bis jetzt macht es Spaß. Wenn das Auto schneller wird, ist es immer gut, egal wann und wo. Über den Winter war der Schritt groß mit den Veränderungen. Es macht schon einen Ticken mehr Spaß, aber die Rundenzeiten sind bis jetzt nichts, was wir noch nicht gesehen hätten. Ich bin ja schon eine Zeit lang dabei."

Doch im Laufe der zweiten Testwochen sind absolute Streckenrekorde auf dem aktuellen Layout des Circuit de Barcelona-Catalunya zu erwarten. Zudem sind die Entwicklungsschritte bei einem neuen Reglement immer besonders groß. Viele erwarten über die Saison hinweg noch einmal ein bis zwei Sekunden Zugewinn.

Hamilton war bei seiner Medienrunde das Lachen gar nicht mehr aus dem Gesicht zu kriegen. "Es ist ziemlich unrealistisch, um ehrlich zu sein. Ich fahre in manche Kurven, in Kurve neun zum Beispiel, wie ein Kind in der Achterbahn - es macht so viel mehr Soaß als vorher."

Autos schwieriger statt leichter zu fahren

Lance Stroll kann davon nur träumen. Der Formel-1-Neuling flog an zwei Testtagen dreimal ab, beschädigte zweimal das Auto dabei - so dass der Testtag jeweils gelaufen war. Und das ist der nächste positive Punkt an der neuen Formel 1. "Ich habe Mitleid mit ihm in dem Sinne, dass es ein sehr schwieriges Jahr ist, um in die Formel 1 zu kommen", so Hamilton.

Die Befürchtungen einiger, die Formel 1 würde sogar einfacher, weil mehr Abtrieb vorhanden ist, bewahrheiteten sich nicht. "Das letztjährige Auto fährt sich im Vergleich einfach", so Hamilton. "Aber diesen Punkt liebe ich, das gefällt mir sehr. Ich hoffe, es trennt die Männer von den Jungs."

Durch höhere Kurvengeschwindigkeiten steigt nicht nur die physische Belastung, für die Fahrer wird auch die Auge-Hirn-Koordination viel schwieriger. Doch das ist es nicht einmal, was bislang für Action sorgt. Die zahlreichen Dreher und Abflüge - übrigens nicht nur von Lance Stroll, auch Valtteri Bottas erwischte es schon - sind vor allem auf die Reifen zurückzuführen.

Die breiten Reifen bieten zwar mehr mechanischen Grip, doch sie machen den Fahrern das Leben viel schwerer, weil der Grenzbereich schmaler ist. Einmal über den Grenzbereich hinausgekommen, gibt es kaum mehr ein zurück. Dazu sind die neuen Reifen schwieriger aufzuwärmen. Vor allem Autos mit weniger Abtrieb dürften hier Probleme haben.

Testen schön - Racing weniger?

Was den Fahrern Spaß macht, könnte den Zuschauern allerdings etwas die Laune am Bildschirm verderben. Denn Überholen wird schwieriger. "Die Autos verwirbeln jetzt die Luft dahinter zweimal so stark", meint Hamilton. Dazu kommen breitere Fahrzeug und kleinere Bremszonen. "Wir müssen jemanden in einen Fehler treiben", meint Nico Hülkenberg. Auch wenn der Renault-Pilot die verwirbelte Luft nicht so dramatisch sieht. "Ich bin heute hinter einem Williams hergefahren, da war es ganz okay."

Dazu kommt, dass die Reifen deutlich weniger abbauen. Sie sollten kein limitierender Faktor im Zweikampf mehr sein. "Aber das ist alles reine Spekulation", winkt Hülkenberg ab. "Mit dem Überholen müssen wir noch warten."

Überholen mag bislang noch reine Spekulation sein, doch der Spaß nicht. Es ist den Fahrern sichtlich ins Gesicht geschrieben. Selbst Papa Vettel, in den letzten Jahren noch kritischer als sein Sohn, kam begeistert von seiner Streckenbesichtigung zurück. Der Sohnemann tritt trotzdem noch auf die Euphoriebremse: "Ich bin schon ein paar Autos gefahren. Es fühlt sich ungefähr an wie vor zehn Jahren an." Eine Aussage, die man aber durchaus auch positiv bewerten kann.