Fazit der ersten F1-Testwoche in Barcelona (05:24 Min.)

Die Fahrer lachen wieder - das wichtigste Ziel haben die neuen Regeln schon erreicht. Alle sprechen von den schnellsten Autos der Geschichte - das lässt sich nach den ersten Testfahrten natürlich noch nicht final verifizieren. Doch Vergleiche mit dem Vorjahr lassen sich ziehen - und die sind durchaus interessant. Motorsport-Magazin.com hat die interessantesten Messwerte.

Am offensichtlichsten ist natürlich der Vergleich der Rundenzeiten. Hier wurde schon während der Testfahrten viel diskutiert. Die Test-Bestzeit der ersten Woche in Barcelona 2017 geht an Valtteri Bottas. Er umrundete den Circuit de Barcelona-Catalunya auf den Ultrasoft-Reifen in 1:19,705 Minuten. Das ist im Vergleich zur ersten Testwoche 2016 um 3,158 Sekunden schneller. Vor einem Jahr fuhr Sebastian Vettel - ebenfalls auf Ultrasoft - eine 1:22,810.

2016 2017
Pos Fahrer Reifen Zeit Fahrer Reifen ZeitDiff.
1 Vettel US 1:22,810 Bottas US 1:19,705 -03,105
2 Hülkenberg SS 1:23,110 Vettel S 1:19,952 -03,158
3 Räikkönen US 1:23,477 Räikkönen S 1:20,960 -02,517
4 Ricciardo US 1:23,525Hamilton S 1:20,983-02,542
5 Perez SS 1:23,650Ricciardo S 1:21,153 -02,497
6 Kvyat US 1:24,293Palmer S 1:21,396 -02,897
7 CelisS 1:24,840Verstappen S 1:21,769 -03,071
8 Rosberg M 1:24,867 Hülkenberg S 1:21,791 -03,076
9 Ericsson S 1:25,237Ericsson SS 1:21,824 -03,413
10 Magnussen S 1:25,263Massa S 1:22,076 -03,187

Doch die Zeiten der Formel-1-Generation 2017 sind noch lange nicht am Limit angelangt. Pirellis Mario Isola tippt bei den Testfahrten noch auf eine 1:18,xxx, Kollege Paul Hembery zieht davon noch eine Sekunde ab. Die absolute Bestzeit auf dem aktuellen Streckenlayout datiert aus dem Jahr 2008 und steht bei 1:18,339 - gefahren von Felipe Massa. Die absoluten Zeiten sind zwar schon deutlich schneller als zuvor in der Hybrid-Ära, im Vergleich zu den absoluten Bestzeiten stechen sie aber nicht hervor.

Allerdings hinken die Vergleiche mit historischen Werten immer: Mal gab es Rillenreifen, mal Slicks. Mal verbrauchten die Autos unter Volllast knapp 200 Kilogramm Benzin pro Runde, mal nur die Hälfte. Die aktuellen Autos sind nicht nur wegen ihrer Hybrid-Einheiten so schwer, sondern weil auch die Sicherheitsvorkehrungen enorm verstärkt wurden.

Interessant ist natürlich der Vergleich mit dem Vorjahr: Gleicher Antrieb, neue Reifen, neue Aerodynamik. Was haben die Regeländerungen tatsächlich angestellt? Wie erwartet gingen die Topspeed-Werte zurück. 2016 wurde Nico Rosberg im Mercedes beim ersten Barcelona-Test mit 339,6 km/h geblitzt. Diesmal war Antonio Giovinazzi im Sauber - mit Vorjahresmotor - mit 332,3 Stundenkilometer der schnellste. Macht 7,3 km/h weniger.

Top-Speed 2016km/h Top-Speed 2017 km/h Differenz
Rosberg 339,6 Giovinazzi 332,3-7,3
Bottas 338,5 Grosjean 331,2-7,3
Nasr 338,5 Ricciardo 330,2-8,3

Im Schnitt sind die Autos an der Messstelle auf Start und Ziel 220 Meter vor der ersten Kurve rund 10 km/h langsamer geworden. Dieser Rückgang war zu erwarten, denn durch die breiteren Reifen und die neue Aerodynamik steigt der Luftwiderstand deutlich.

Auf der anderen Seite steigen mechanischer Grip und Abtrieb. Das zeigen die restlichen Geschwindigkeits-Messwerte. Zusätzlich zum Topspeed wird jeweils an den Enden der drei Sektoren die Geschwindigkeit gemessen.

S1 2016km/h S1 2017 km/h Differenz
Perez 284,9 Räikkönen 290,35,4
Hülkenberg 283,4 Bottas 289,56,1
Räikkönen 283,4 Vettel 289,56,1

Sektor 1 endet nach der langgezogenen Kurve drei. Kimi Räikkönen wurde vergangenen Woche mi 290,3 Stundenkilometer gemessen. Der Bestwert von Sergio Perez der ersten Testwoche 2016 lag bei 284,9 km/h, also 5,4 km/h weniger. Der Unterschied würde deutlich gravierender ausfallen, wenn die Messstelle näher am Kurvenausgang liegen würde. Denn auch mit den 2016er Boliden konnte man in Kurve drei relativ früh das Gaspedal ganz durchdrücken.

S2 2016km/h S2 2017 km/h Differenz
Celis 284,2 Bottas 295,811,6
Perez 281,2 Grosjean 294,213
Celis 279,7 Perez 290,310,6

Sektor zwei endet auf der Gegengerade. Kurve neun, die extrem schnelle Rechtskurve führt in die DRS-Zone. Der Streckenabschnitt endet 85 Meter vor dem Scheitelpunkt von Kurve zehn. Valtteri Bottas wurde 2017 mit 295,8 Sachen geblitzt, während Alfonso Celis im Vorjahr nur auf 284,2 km/h kam - 11,6 km/h langsamer. 2016 stiegen die Piloten an der Messstelle schon in die Eisen - 2017 wandern die Bremspunkte nach hinten.

Start/Ziel 2016km/h Start/Ziel 2017 km/h Differenz
Hamilton 288,0 Verstappen 291,13,1
Perez 288,0 Stroll 288,00
Hülkenberg 288,0 Vettel 287,2-0,8

An der letzten Messstelle nehmen sich 2016 und 2017 nicht viel. Durch die Schikane im Streckenlayout sind die Autos in der letzten Kurve nicht schnell genug, um einen gravierenden aerodynamischen Unterschied zu merken. Die breiteren Reifen bieten zwar auch mehr mechanischen Grip, allerdings ist der Zugewinn in Rundenzeit zu rund 75 Prozent auf die Aerodynamik zurückzuführen.

Sektor eins langsamer als 2016

Interessant wird es auch bei den Sektorenzeiten: Obwohl Sektor eins durch die langgezogene und extrem schnelle Kurve drei eigentlich prädestiniert für die neuen Autos ist, sind die Zeiten hier langsamer geworden. Nico Hülkenberg brauchte hier 2016 22,794 Sekunden, Sebastian Vettel in diesem Jahr 23,074 Sekunden. Rund drei Zehntel verlieren die neuen Autos in Sektor eins. Das liegt an der extrem langen Start- und Zielgeraden in Barcelona.

S1 2016Sekunden S1 2017Sekunden Differenz
Hülkenberg 22,794 Vettel 23,074+0,280
Perez 22,819 Bottas 23,099+0,280
Vettel 22,879 Räikkönen 23,165+0,286
S2 2016Sekunden S2 2017 Sekunden Differenz
Vettel 31,202 Bottas 29,713-1,489
Hülkenberg 31,268 Vettel 29,929-1,339
Ricciardo 31,410 Hamilton 29,979-1,431
S3 2016Sekunden S3 2017 Sekunden Differenz
Vettel 28,636 Bottas 26,761-1,875
Ricciardo 28,932 Vettel 26,882-2,050
Hülkenberg 29,048 Räikkönen 27.124-1.924

In den Sektoren zwei und drei sind die neuen Autos deutlich schneller. Im zweiten Sektor beträgt der Zugewinn im Schnitt rund 1,5 Sekunden, im letzten Streckenabschnitt sogar etwa 2,0 Sekunden. Abgesehen von der Gegengeraden, wo die Geschwindigkeit maßgeblich von der schnellen Kurve neun bestimmt wird, gibt es in den letzten beiden Sektoren keine wirkliche Gerade mehr.

Alle Rundenzeiten sind natürlich - wie immer bei den Testfahrten - noch mit Vorsicht zu genießen. Man hört, dass vor allem Mercedes beim Motor noch nicht einmal annährend ans Limit gegangen ist. Sektor eins könnte also auch noch deutlich schneller werden.

Rennsimulation zeigt 2017er Potential

Im Renntrimm macht die Maximalleistung des Motors nicht mehr so viel aus, weil ohnehin mit dem Benzin gehaushaltet werden muss. Entsprechend fällt diese ungewisse Komponente zusammen mit dem Benzinlevel raus, weil im Rennen mit 105 Kilogramm gestartet wird und bei Fallen der karierten Flagge die gesamte Menge verbrannt wurde.

Weil Mercedes 2016 schon zwei komplette Rennsimulationen abspulte, gibt es hier verlässliche Daten. Valtteri Bottas hatte bei seiner Simulation einen kleinen Abflug, Lewis Hamilton eine Rot-Phase. Dennoch sind die Zeiten repräsentativ.

Während Hamilton bei seiner Rennsimulation in der zweiten Testwoche 2016 noch drei Boxenstopps einlegen musste, genügten ihm in diesem Jahr zwei. Der Reifenverschleiß ist deutlich geringer. Im letzten Stint ging Hamilton sogar wieder von Mediums zurück auf Soft - womit er auch den Start-Stint gefahren ist. 2016 lautete die Norm-Strategie in Barcelona noch Soft - Medium - Medium.

Entsprechend werden die Rennen in diesem Jahr schneller: Weniger Boxenstopps, zudem deutlich konstantere Rundenzeiten. Konkret ausgedrückt bedeutet das: Hamilton war in seiner Rennsimulation 2017 im Schnitt 4,25 Sekunden schneller als im Vorjahr. Zusätzlich mit einem gesparten Boxenstopp summiert sich das über die Renndistanz von 66 Runden in Barcelona auf eine Zeitersparnis von rund fünf Minuten.

Somit hat die Formel 1 das wichtigste Ziel mit den neuen Autos erreicht: Die Piloten beschwerten sich in der Vergangenheit nicht über die Qualifikations-Runden, sondern über das Schleich-Tempo im Rennen. Das scheint dank der deutlich konstanteren Reifen nun passe zu sein. Zudem kommen die Reifen schnell wieder zurück, wenn sie einmal überhitzt haben. Außerdem sind die Autos jetzt wieder dort schnell, wo es den Fahrern gefällt: In den Kurven. Hinter dem Überholen steht noch ein großes Fragezeichen.

Nach dem zweiten Barcelona-Test konzentrieren wir uns in der Analyse voll und ganz auf das Kräfteverhältnis zwischen den Teams.