Ruhig war es um Sebastian Vettel und Ferrari im Winter und auch zu Beginn der Testfahrten in Barcelona. Nach dem dritten Tag brach der vierfache Weltmeister schließlich sein Schweigen. Und wirkte ziemlich heiter aufgelegt. "Ich habe keine Kristallkugel. Ich habe zwei andere Kugeln, aber die werden mir nicht allzu viel helfen", antwortete er auf die Frage eines Journalisten, ob es mit Ferrari dieses Jahr wieder aufwärts geht. Vettel spaßte herum - ein gutes Omen für die Roten nach all den Pleitejahren?

Die Aussagekraft von Testfahrten hält sich seit jeher in Grenzen. Und doch ließ sich feststellen, dass Ferrari zum Auftakt einen mehr als positiven Eindruck hinterließ. Der neue SF70H stand Platzhirsch Mercedes in Sachen Rundenzeiten und Rundenzahlen in nichts nach. Beobachtern fiel auf, wie gut das Auto in den anspruchsvollen Kurven des Circuit de Barcelona-Catalunya lag. Vettel spulte am Donnerstag 139 Runden ab und war damit der Fleißigste aller Fahrer.

Noch viel Luft nach oben

"Jetzt ist es wichtig, dass wir viel abarbeiten und viele Runden fahren", sagte Vettel. "Das ist uns in den ersten Tagen ganz gut gelungen. Aber es gibt noch viel Luft nach oben. Die Latte liegt wieder sehr hoch, es ist noch viel zu tun. Aber wir sind drauf und dran." Die angesprochene Messlatte, das ist natürlich das Weltmeister-Team von Mercedes. Die Silberpfeile hinterließen insgesamt den komplettesten Eindruck, doch Ferrari bleibt ihnen dicht auf den Fersen.

Mercedes fuhr an allen drei Tagen jeweils die meisten Runden. Ferrari lag an zwei von drei Tagen an zweiter Stelle. Der Silberpfeil spulte bislang 490 Kilometer ab, Vettel und Teamkollege Kimi Räikkönen kamen auf 375 Kilometer. "Andere Teams sind mehr gefahren, aber bei uns war es in Ordnung", zog Vettel ein Zwischenfazit vor dem anstehenden Regenreifen-Test in Barcelona. "Wir hatten keine größeren Probleme mit der Zuverlässigkeit. Das ist das Wichtigste jetzt im Moment."

Was war am Ende los?

Für einen kleinen Aufreger sorgte Vettel in den Schlussminuten am Mittwoch. Sein SF70H-Renwagen blieb plötzlich auf der Zielgeraden stehen. Mehrere Streckenposten schoben das Auto zurück in die Boxengasse. Was genau los war, wollte Vettel nicht verraten. Da war sie wieder, die neue konservative Medienpolitik von Ferrari. Vettel nur: "Wir dürfen ja nicht verraten, was wir gemacht haben. Aber wir wollten etwas ausprobieren und das war die mögliche Konsequenz. Nichts Schlimmeres, und viel Zeit haben wir deshalb nicht verloren."

A propos Zeit: Auch wenn Vettel nichts davon hören wollte, war der Ferrari seit dem ersten Tag schnell unterwegs. Neben Valtteri Bottas gelang es ihm als einzigem, die 1:20er-Marke zu knacken. Vettel fuhr am Mittwoch eine 1:19.952 und war damit rund zwei Zehntelsekunden langsamer als der Mercedes. Allerdings erzielte Vettel seine persönliche Bestzeit auf Soft-Reifen, während Bottas auf den schnellen Ultrasofts unterwegs war. Wie viel Sprit die Autos an Bord hatten und welche Programme sie fuhren, ist allerdings nicht bekannt.

Ferrari SF70H: Technik-Check im Schnelldurchlauf (04:36 Min.)

Blick zur Konkurrenz

"Ich habe noch nicht geschaut, was die anderen machen", meinte Vettel. "Klar, am Ende schauen alle auf die Rundenzeiten. Viel wichtiger ist aber, was im Verlauf des Tages passiert. Das ist schwierig herauszulesen." Nach drei von insgesamt acht Testtagen vor dem Saisonstart ist klar, dass das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist. Die Autos werden stetig schneller, immer wieder finden neue Teile den Weg an die Rennwagen. 2017 dürfte wegen der neuen Regeln zur Entwicklungsschlacht werden.

Ausgestattet mit ausreichend Millionen, dürfte Ferrari theoretisch der Atem während der Saison nicht ausgehen. Offen aber, was Maranello tatsächlich an Updates hervorbringt. "Wir haben aktuell ziemlich viele Sachen auf unserer Liste, und die ist ganz schön lang", sagte Vettel. "Es gibt viel zu tun. Das Potenzial ist höher, weil die Regeln anders sind. Das gilt aber für alle. Ich bin gespannt, wie sich das Auto bis Melbourne verändert. Es ist jetzt ein anderes Tier - ein anderes Biest."