Kaum Weltmeister und schon dankt er ab. Nico Rosberg hat mit seinem Rücktritt aus der Königsklasse die gesamte Formel-1-Welt geschockt. Die Entscheidung sei wohl durchdacht und er habe alles erreicht, was er erreichen wollte. Nun hat Rosberg einen neuen Lebensabschnitt betreten - ganz ohne Rennen, ohne Tests, ohne intensives Training und ohne PR-Termine.

Zurückgetreten ist der amtierende Weltmeister Anfang Dezember, mittlerweile sind seither also über zwei Monate vergangen. Zeit genug, um die eigene Formel-1-Karriere und allen voran das Weltmeisterjahr Revue passieren zu lassen. "Ich konnte meinen Kapitel 'Formel-1-Karriere' auf die bestmögliche Art abschließen. Und ich liebe Bücher mit Happy Ends", so Rosberg gegenüber Dailymail. "Ich bin gerade dabei, mein Leben komplett umzukrempeln, es wird also weiterhin voller Herausforderungen sein." Allem, was er anpackt, sind - wie auch die Entscheidungen, die er während seiner F1-Karriere getroffen hat - Herzensangelegenheiten.

Gefangen im Hamsterrad

Die viele freie Zeit, die ihm nun zur Verfügung steht, ist ganz nach dem Geschmack Rosbergs. "Als ich noch Rennen gefahren bin, war ich in einem Hamsterrad gefangen - einem guten, natürlich. Daher bin ich dankbar für alles, was es mir gegeben hat. Ich würde heute nichts anders machen", so der Wahlmonegasse, der nun viel mehr Zeit im Kreise seiner Familie verbringen kann. Was vorher nicht möglich war: "Um der Beste in deiner Sportart zu sein, musst du eine Menge Kompromisse eingehen. Und wenn ich jetzt meinen Kalender aufschlage, ist der März noch komplett weiß, leer von Anfang bis Ende."

Damit eröffnen sich Rosberg unzählige Möglichkeiten - willkommen im Leben! "Ich kann jetzt selbst entscheiden, was ich erforschen möchte. Und es geht auch darum, mehr Zeit mit meiner Familie zu verbringen, die vergangenes Jahr viel zu kurz gekommen ist", so Rosberg. "Das Leben hat mir so vieles gegeben: Die Weltmeisterschaft oder meine Familie. Ich lote jetzt aus, was ich tun will. Vielleicht etwas mit zehnjährigen Kids, einem Alter, wo ich etwas bewirken kann."

Rosberg: Hartes Training für den langersehnten Titel, Foto: bylauterbach
Rosberg: Hartes Training für den langersehnten Titel, Foto: bylauterbach

Dass seine künftige Berufung weniger mit Hochleistungssport zu tun haben wird, ist nicht unwahrscheinlich. Denn so hart, wie Rosberg für jede Hundertstelsekunde kämpfte, ist in der heutigen Zeit nahezu beispiellos. "Ich habe vergangenen Sommer mit dem Radfahren aufgehört, um ein Kilo zu verlieren", erklärte der Deutsche. "Beim nächsten Rennen in Suzuka stand ich mit einem Zehntel Vorsprung auf der Pole. Ein Kilo macht ungefähr drei Hundertstel pro Runde aus. Daher habe ich die Pole Position dem Gewichtsverlust zu verdanken. Dadurch habe ich gewonnen."

Take That im Haifischbecken

Auch in Japan war es schließlich, wo die Gedanken an ein Karriereende zum ersten Mal aufkamen. Die finale Entscheidung sprach er mit seiner Frau ab. Als er seinem besten Freund davon erzählte, meinte eben jener zu ihm: "Jetzt verstehe ich, wie sich meine Schwester gefühlt haben muss, also sich Take That auflöste."

Zu großem Dank verpflichtet ist Rosberg seinem Vater Keke, der ihn und seine Karriere von klein auf tatkräftig unterstützte, jedoch zum rechten Zeitpunkt in den Hintergrund rückte. "Ich sehe es jetzt bei meiner Tochter, wie schwer es ist, loszulassen", so der amtierende Champ. "Es war nicht einfach für ihn, denn er hatte all die Erfahrung, die er mir mit auf den Weg geben wollte und wollte mich vor dem Haifisch-Umfeld in der Formel 1 beschützen. Im Hintergrund zu bleiben, war wirklich schwierig für ihn."

Rosberg über seine Ex-Teamkollegen Schumacher und Hamilton (00:50 Min.)

Viele Opfer für den Erfolg

Einen großen Anteil an Rosbergs Erfolgen und dem Gewinn der Weltmeisterschaft hat Ehefrau Vivian. "Vivian hat absolut alles getan", so der Deutsche. "Wenn es um unsere Tochter ging, war Vivian immer da. Niemals hatte ich eine harte Zeit mit meiner Tochter. Es war hart, den Jetlag vom Reisen zwischen den verschiedenen Zeitzonen zu bekämpfen. Deswegen teilte ich mir den Schlaf in anderthalbstündige Phasen ein." Teilweise war Rosberg nachmittags im Bett und nachts wach. "Es war der Horror! Alaia wusste, sie dürfe mich nicht stören. Jedes Mal, wenn sie ins Schlafzimmer kam, hatte sie ihren Zeigefinger vor der Hand und machte 'Psst!'"

Ein weiteres Opfer, das Rosberg erbringen musste, war es, sich in Verzicht zu üben - vor allem, was seine Essgewohnheiten anging. Zucker war nicht drin, selbst auf Ketchup musste er verzichten. Die Zusammenarbeit mit den Ingenieuren in der Fabrik in Brackley war ein weiteres Puzzlestück, das ihm zum Erfolg verhalf. Allerdings fiel dadurch auch viel potenzielle Freizeit zum Opfer.

In der Ruhe liegt die Kraft, Foto: Sutton
In der Ruhe liegt die Kraft, Foto: Sutton

Rosberg ließ in seiner Vorbereitung auf sein Meisterstück nichts unversucht und griff sogar zu etwas unkonventionelleren Methoden: Er entdeckte Meditation für sich. "Ich habe jeden Morgen und jeden Abend 20 Minuten meditiert", so der Deutsche. "Ich mag dieses Wort aber eigentlich nicht. Es ging viel mehr um Konzentration und Bewusstseinstraining. Ich saß da und beschäftigte mich mit nichts anderem als meinen Gedanken und lernte, meinen Geist zu entspannen. Als die Angst hochkam, ich könnte die Meisterschaft verlieren, verband ich mich mit diesem Gedanken und diskutierte damit. Dadurch hat dieser negative Gedanke an Stärke verloren."

Zwei Weltmeister am Weihnachtstisch

Frührente kommt für Rosberg nicht in Frage. Wie bereits kurz nach seinem Ausstieg bekannt wurde, steht einer weiteren Zusammenarbeit mit Mercedes nichts im Wege, wie auch immer diese ausfallen mag. Wichtig ist Rosberg, ausreichend Zeit für seine Familie zu haben, so wie vergangenes Weihnachten. "Als wir an Weihnachten gemeinsam am Tisch saßen, sagte meine Mutter: 'Ich sitze hier mit zwei F1-Weltmeistern. Wie cool ist das denn?!'" In der Tat ein Unikum, denn Keke, Weltmeister von 1982, ist der erste Vater, der den Titelgewinn seines Sohnes live und lebendig miterleben konnte.