Knapp zwei Wochen nach dem Mexiko Grand Prix und Sebastian Vettels Strafe wendet sich Ferrari jetzt an die FIA. Am Donnerstagabend forderten die Italiener die Stewards aus Mexiko dazu auf, sich Vettels Vergehen, das ihn einen Podestplatz kostete, noch einmal genauer anzusehen. Es seien neuen Elemente aufgetaucht, die den Fall in einem anderen Licht zeigen könnten. Dabei geht es um den relativ jungen Artikel des Sportlichen Reglements, der sich auf das Verteidigen während eines Bremsvorganges bezieht.

Bei Vettels Bestrafung in Mexiko handelte es sich um einen Präzedenzfall. Deshalb bat die Scuderia um Aufklärung, auch, um zukünftigen Streitigkeiten rund um den Artikel 27.5 vorzubeugen. Im Ferrari-Statement am Rande des Brasilien GP hieß es: "Ferrari ist bewusst, dass sich der Meisterschaftsstand unabhängig vom Ausgang nicht verändern wird. Doch angesichts der Relevanz für die Zukunft und um Klarheit bei der Anwendung der Regeln zu schaffen, glaubt Ferrari, dass die Entscheidung von den Stewards überdacht werden sollte."

Was für neue Elemente?

Wobei es sich genau um die angeführten neuen Elemente in diesem Fall handelt, ließ Ferrari unterdessen offen. Das Team bezog sich lediglich auf den Artikel 14.1 des International Sporting Code. Laut diesem ist es möglich, Entscheidungen der Rennleitung nachträglich anzufechten, sofern neue Umstände eintreten. Die Stewards sind dazu verpflichtet, sich diesen anzunehmen und sie zu überprüfen.

Der Einwurf von Ferrari dürfte Charlie Whiting wenig begeistern. Der FIA-Rennleiter war am Donnerstag erstmals bei der offiziellen Pressekonferenz anwesend, um die zahlreichen Strafen während des Mexiko-Rennens genauer zu erklären. Vettels 10-Sekunden-Strafe war natürlich ein großes Thema in den Medien gewesen. Whiting verteidigte die Entscheidung der Mexiko-Rennleitung, die Vettel nach seinem Manöver gegen Daniel Ricciardo bestrafte. Dadurch war er vom dritten auf den fünften Platz zurückgefallen.

Für Charlie Whiting scheint alles geklärt zu sein - für Ferrari nicht, Foto: Sutton
Für Charlie Whiting scheint alles geklärt zu sein - für Ferrari nicht, Foto: Sutton

Whiting klärt auf

"Es gab drei Voraussetzungen für diese Regel, weshalb die Stewards der Ansicht waren, dass es ein gefährliches Manöver war", erklärte Whiting. "Sebastian hatte sich während des Bremsens bewegt, das war klar anhand der Bilder und der Daten zu sehen. Zudem war es potentiell gefährlich und es hätte zu einem Unfall führen können. Es war sehr klar, dass Seb nach links lenkt, zuvor aber noch nach außen gefahren ist. Wenn Daniels rechtes Vorderrad Sebs linkes Hinterrad berührt hätte, dann wäre es eine gefährliche Situation gewesen. Das war knapp."

Noch bevor sich Ferrari an die FIA wandte, äußerte sich auch Vettel zu seiner Strafe. Für ihn sei das Thema zwei Wochen danach zwar abgehakt, nachvollziehen konnte er die Entscheidung jedoch nicht. "Ich bin nicht damit einverstanden, dass wir die Strafe bekommen haben", sagte Vettel. "Ich denke nicht, dass ich irgendwas Gefährliches oder Falsches getan hätte. Ich habe meine Position verteidigt." Sein Manöver gegen Ricciardo sei nicht anders gewesen als ähnliche Aktionen in der Vergangenheit.

Der Vorfall zwischen Vettel und Ricciardo, der sich in der 70. Runde des Rennens in Kurve vier ereignete, war auch im Fahrerlager ein großes Thema. Ricciardo, der den dritten Podestplatz in Folge der Strafen von Vettel sowie Teamkollege Max Verstappen geerbt hatte, konnte die Entscheidung nachvollziehen. "Es ist die einzige Situation, die wir nicht unter Kontrolle haben und dann nichts mehr machen können", argumentierte der Red-Bull-Pilot. "Ich hatte das Gefühl, es war die richtige Entscheidung, aber für die Fans und von außen ist es schwierig zu verstehen."

Bekommt Vettel das Podest zurück?

Sollten Ferraris eingebrachte neue Elemente die FIA tatsächlich überzeugen, würde Vettel seinen Podestplatz in Mexiko zurückbekommen. Nach Abzug der 10-Sekunden-Frage hätte er noch 17,313 Sekunden Rückstand auf Sieger Lewis Hamilton. Ricciardo mit 20,858 Sekunden respektive Verstappen 21,323 Sekunden würden auf die Plätze vier und fünf zurückfallen. Zudem hatte Vettel zwei Strafpunkte kassiert. Die Wahrscheinlichkeit eines Ferrari-Erfolges sollte nach Whitings jüngsten Aussagen jedoch eher gering sein.

Präzedenzfall Vettel

Der 'Moving under Braking'-Artikel war erst vor wenigen Wochen zum US Grand Prix in Austin eingeführt worden. Eine Folge vor allem aus Verstappens diskutablen Manövern in der Vergangenheit. Vettel fiel dem neuen Artikel beim folgenden Rennen in Mexiko als Erster zum Opfer, indem er bestraft wurde. Die endgültige Entscheidung fiel erst einige Stunden nach Rennenende. Verantwortlich waren die Stewards Garry Connelly, Silvia Bellot, Danny Sullivan und Jorge Rodriguez. Theoretisch müssen sie den Fall nun noch einmal aufrollen.

Noch bevor die Strafe ausgesprochen worden war, hatte sich Red Bulls Helmut Marko über Vettel in Mexiko beschwert - und vehement eine Strafe gefordert, die später auch eintrat. "Den Vettel müsste man bestrafen, denn er hat eindeutig unter Bremsen die Linie gewechselt, aber ganz krass", so Marko bei Motorsport-Magazin.com "Es gibt jetzt eine neue Regel, die den Spurwechseln beim Bremsen verbietet, aber ich habe noch nie so deutlich ein Manöver beim Anbremsen gesehen wie jenes von Vettel, der Ricciardo mehr oder minder ins Auto gefahren ist."