Die FIA hat die Regeln, was beim Verteidigen einer Position erlaubt ist und was nicht, klargestellt. Demnach darf sich ein Fahrer in der Anbremsphase nicht mehr durch einen Spurwechsel verteidigen. Muss der Angreifer deshalb ausweichen, entscheiden die Stewards über eine mögliche Strafe.

Der Anlass für das Ausweiten der Regeln ist klar: Max Verstappen. "Max hat es möglicherweise auf ein anderes Niveau gehoben", meint Nico Hülkenberg. Immer wieder verteidigte sich der Red Bull Pilot energischer als andere Piloten, wechselte vor allem in der Bremsphase noch die Linie und sorgte damit für zahlreiche kontroversen.

"Bislang gab es ein ungeschriebenes Gesetzt, dass man so etwas nicht macht", erklärt Vettel. Tatsächlich gab es so etwas wie ein Gentlemen-Agreement, aber Max Verstappen schien diese Vereinbarung in letzter Zeit außer Kraft gesetzt zu haben. Der Niederländer sieht sich aber nicht als Einzelfall: "So etwas gab es oft, ich habe es immer wieder gesehen."

Max Verstappen im Kreuzverhör

Trotzdem saß Verstappen in seiner Medienrunde auf der Anklagebank. Entspannt in seinem Sessel sitzend, muss sich die Mediasession angefühlt haben wie ein Kreuzverhört. Das Qualifying-Ergebnis war zweitrangig, das Rennen ebenfalls.

Was hältst du von der Klarstellung?
Verstappen: Um ehrlich zu sein: Es ist, wie es ist. Es ist eine Regel und jeder muss sie befolgen.

Wirst du deine Fahrweise nun ändern?
Verstappen: Ich denke nicht.

Denkst du, die Klarstellung ist gut, oder gibt es zu viele Regeln?
Verstappen: Ich denke, es ist gut, dass nun für jeden klarer ist, was erlaubt ist und was nicht.

Bist du nach Spa und Suzuka überrascht, dass es so gekommen ist?
Verstappen: Wenn sich so viele Leute beschweren, ist es keine Überraschung mehr.

Wurde dir damit ein möglicher Vorteil genommen? Du bist einer der besten Fahrer auf der Bremse...
Verstappen: Sie haben nun eine Regel gemacht, wir werden es sehen.

Ist es überhaupt möglich, im Bruchteil einer Sekunde daran zu denken, dass es eine Regel gibt und diese dann zu befolgen?
Verstappen: Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich werde tun, was ich für richtig halte. Es ist Rennsport, und da wird man sehen, wie das überholen klappt oder wie sich die Leute verteidigen.

Es passiert immer Mal in der Hitze des Momentes. Du versuchst, deine Position zu verteidigen. Bisher durfte man noch so spät nach innen ziehen, nun ist es nicht mehr erlaubt. Wir werden sehen, wie es das Racing beeinflusst.

Wie ist es, wenn sich in einem Fahrermeeting alles um dich dreht, weil sich andere Fahrer beschwert haben?
Verstappen: Es ist lustig. Jeder kann seine eigene Meinung haben, ganz einfach.

Ändert sich durch die Klarstellung generell etwas?
Verstappen: Durchaus. Der Fahrer hinter mir weiß: Ah, der wird nicht nach innen ziehen, also bremse ich spät und schaue dann, was passiert. Ob es der richtige Ansatz ist, weiß ich nicht. Am Ende des Tages ist es für alle gleich. Also müssen wir damit leben. Es macht die Formel 1 ja auch interessanter, denn die Überholmanöver mit DRS sind schon sehr leicht. Aber es ist nicht meine Entscheidung.

Wird es dadurch nun mehr Überholmanöver geben?
Verstappen: Wahrscheinlich gibt es mehr Manöver, ob es positive Manöver sind, weiß ich nicht - da muss man die Fans fragen.

Gab es denn oft Fälle, bei denen andere Fahrer sich während des Bremsens bewegt haben?
Verstappen: Ja natürlich, ich habe das immer gesehen.

Marko: Untersuchungen so lächerlich

Während Verstappen nicht den Eindruck machte, als würden ihn die neuen Regeln in irgendeiner Form interessieren, wurde Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko deutlich. "Sind wir hier in der Fahrschule oder fahren wir Rennen? Es ist so lächerlich, dass permanent jeder Überholvorgang oder jeder Zweikampf sofort untersucht wird", sagte er Motorsport-Magazin.com. "Da braucht man sich nicht wundern, dass die Fans immer mehr zu Hause bleiben."

"Wir kriegen immer mehr Regeln, die immer schwerer zu überwachen sind", kritisiert Marko weiter. "Rennfahren ist Rennfahren und zum Überholen gehören zwei dazu: Einer, der überholt und einer, der sich überholen lässt. Das hat die Faszination immer ausgemacht."

Toto Wolff hätte das Problem gerne anders gelöst gesehen: "Wenn sich die Fahrer beschweren, dass Max zu hart fährt, dann sollten sie das im Fahrer-Briefing untereinander besprechen und eine Lösung finden oder nicht. Wenn sie keine Lösung finden, machen wir eine Regel, die klar ist. Man darf dies machen und nicht jenes. Wir brauchen Klarheit. Wenn nicht, lasst sie draußen kämpfen. Warum müssen wir alles und jeden bevormunden?" Und Wolff sieht eine zusätzliche Gefahr: "Dann fahren die Piloten in Zukunft absichtlich in den Notausgang und sagen, sie mussten ausweichen."

Fahrer einig: Wenn kein Respekt, dann Klarstellung

Prinzipiell ist sich das Gros der Fahrer aber einig: Die Klarstellung ist eine gute Sache, ein ungeschriebenes Gesetzt wurde nun geschrieben. "Zuletzt gab es Situationen, in denen man damit davon kam. Die Botschaft ist dann, dass jeder damit anfängt", warnt Sebastian Vettel. "Das ist falsch, denn wir warten nur darauf, dass etwas passiert. Darüber haben wir nun gesprochen und ich denke, es ist gut."

"Wenn jemand sagt, dass du dich beim Bremsen verteidigen darfst, dann machen es alle", pflichtet Lewis Hamilton bei. "Dann bekommen wir eine neue Art zu fahren und das wird gefährlich. Ich bin seit zehn Jahren in der Formel 1. Es gab immer die gleiche Regel, die alle Fahrer verstanden haben. Es kamen neue Fahrer, die sich potenziell nicht daran gehalten haben. Neue Fahrer kommen und haben vielleicht eine andere Meinung, aber es geht um den gegenseitigen Respekt. Du verpflichtest dich, dich zu verteidigen, machst es aber nicht beim Bremsen. Es ist toll, dass Charlie [Whiting] das verstanden hat. Es ist die mehrheitliche Meinung der Fahrer."