Das Übel für alle europäischen Ferrari-Fans und besonders die Anhänger von Kimi Räikkönen begann bereits im Morgengrauen. In Suzuka war es zu diesem Zeitpunkt längst kurz vor Rennstart des Japan GP. Und der Vormittag in Fernost hatte keinen positiven Befund für die Tifosi zutage gefördert: Nächtlicher Getriebewechsel am Ferrari SF16-H von Kimi Räikkönen!

Doppelte Strafe verdirbt starke Ferrari-Quali

Die Folge: Eine Strafversetzung um fünf Positionen. Damit startete der Finne nicht von seinem im Qualifying erkämpften dritten Rang direkt hinter den Mercedes, sondern nur von Platz acht - noch zwei Positionen hinter Teamkollege Sebastian Vettel. Dessen Strafversetzung wegen Verursachens der Startkollision in Malaysia war bereits zuvor bekannt gewesen.

Plötzlich war der Qualifying-Sieg über Red Bull also komplett zunichte gemacht. Max Verstappen und Daniel Ricciardo rückten geschlossen vor in Reihe zwei. Entsprechend dramatisch gesunken die Chancen von Ferrari, hatte sich der Erzrivale doch am Freitag mit sehr starken Longruns hervorgetan. Immerhin regnete es am Sonntag nicht, was Red Bull zu einer wohl unüberwindbaren Hürde gemacht hätte.

Die rohe Pace passte bei Ferrari ..., Foto: Ferrari
Die rohe Pace passte bei Ferrari ..., Foto: Ferrari

Ferrari mit starker Rennpace - auch auf Hard

Anders im Trockenen. Ferrari präsentierte sich im Rennen weitaus stärker als von so manchem Experten und Analytiker erwartet. Anders als die Longrun-Daten vermuten ließen, war Ferrari nicht nur auf den Soft-Reifen schneller unterwegs als Red Bull, sondern präsentierte sich auch mit der harten Mischung mehr als konkurrenzfähig. "Die Pace im Rennen war gut. Wir hatten das zweitschnellste Auto", sagt Vettel.

Dennoch: Die Lorbeeren in Form von mehr WM-Punkten erntete erneut nicht nur Mercedes, sondern auch Red Bull. Vettel beendete das Rennen auf P4, verpasste erstmals seit Ewigkeiten das Podium in Japan, Räikkönen sah die Zielflagge als Fünfter vor Red Bulls Ricciardo. Doch Verstappen trennte die Silberpfeile auf dem Podium. Macht nach Adam Ries vier Punkte mehr für Red Bull.

Ferrari steckte jedoch viel zu oft im Verkehr fest, Foto: Red Bull
Ferrari steckte jedoch viel zu oft im Verkehr fest, Foto: Red Bull

Mercedes-Protest stört Red-Bull-Jubel

"Eine fantastische Fahrt von Max! Wie er dem Druck von Sebastian am Anfang standgehalten hat und dann am Ende das Racing mit Lewis ... Wir haben uns an Mercedes angenähert und haben die Führung vor Ferrari ausgebaut. Das ist eine riesige Leistung des ganzen Teams", jubelt deren Teamchef Christian Horner. "Eine großartige Saison bisher!"

Nicht minder groß der Jubel bei Verstappen selbst. "Das ist natürlich ein großartiges Ergebnis für mich und eines meiner besten Rennen bisher, denke ich. Auch für die Konstrukteurs-WM ist es ein sehr gutes Ergebnis", sagt der neue WM-Fünfte - punktgleich zwar mit Vettel, dafür mit einem Sieg auf dem Konto.

Entscheidend gewesen sei der Start. "Und wir hatten heute einen wirklich guten, was mir erlaubt hat, meinen eigenen Rhythmus zu wählen. Schön, dass die Starts jetzt kommen, schon zwei Mal hintereinander. "Das Team hat mir neben dem sehr balancierten Auto auch eine sehr starke Strategie geben, sodass ich in der Lage war, das Rennen so erfolgreich zu gestalten", ergänzt Verstappen.

Dann der Schock: Stunden nach dem Rennen legte Mercedes plötzlich Protest gegen ein Verteidigungsmanöver Verstappens gegen Hamilton in der vorletzten Runde wegen gefährlichen Fahrens ein. Weil die Fahrer zu diesem Zeitpunkt für eine Anhörung nicht mehr zur Verfügung standen, sollte die Sache erst durch die Stewards in Austin entschieden werden. Doch dann die Rolle rückwärts. "Wir haben den Protest zurückgezogen, um noch am Abend ein offizielles Ergebnis zu haben" , so das Team. Noch dazu auf Wunsch von Hamilton selbst: "Der Protest kam nicht von mir. Ich habe gehört, dass das Team ihn eingelegt hat, aber ich habe ihnen gesagt, dass wir das nicht tun. Wir sind Champions, wir schauen nach vorne. Fertig!" Aufatmen bei Red Bull und Verstappen.

Ricciardo: Unter Räikkönen-Strafe gelitten

Dessen Teamkollege indessen erlebte ein weitaus schwierigeres Rennen. Ausgerechnet die Räikkönen-Versetzung habe ihm so gar nicht geholfen, berichtet Ricciardo. "Es sah zunächst aus wie Glück, aber letztendlich war es das nicht, weil wir so auf der nasseren Seite gestartet sind", erklärt der Australier. Erst kurz vor dem Rennen hatte der Regen aufgehört. "Der Start war eigentlich nicht schlecht, aber dann bin ich auf eine nasse Stelle gekommen und zurückgefallen. Das hat dann den ganzen ersten Stint beeinflusst", klagt Ricciardo. Gemeint sind Verkehr und Dirty Air. "Die Verwirbelungen haben uns da behindert", sagt Ricciardo. Noch dazu das bereits am Vortrag beklagte Power-Defizit.

Doch steckte Ricciardo nicht nur hinter Sergio Perez fest, auch Vettel kassierte den Australier wenig später mühelos. Mit der starken Ferrari-Pace zog der Deutsche gleich auch noch am Mexikaner vorbei. "Wir sind in den ersten Runden gut vorangekommen, haben Daniel und den Force India recht leicht überholt. Dann waren wir auch schneller als Max, haben ihn unter Druck gesetzt", schildert Vettel seine große Drang-Phase. "Es war nur eine Frage der Zeit. Er ist dann aber so früh es ging reingekommen, um Track Position zu halten. Das hat für ihn funktioniert", erklärt Vettel, wie der Red Bull ihm dennoch entgleiten konnte.

In der Anfangsphase des Japan GP konnte Hamilton nicht mit Räikkönen mithalten, Foto: Ferrari
In der Anfangsphase des Japan GP konnte Hamilton nicht mit Räikkönen mithalten, Foto: Ferrari

Räikkönen: Auto schnell genug für den Sieg

Ein paar Positionen weiter hinten arbeitete sich derweil Teamkollege Räikkönen ebenfalls nach vorne, hielt parallel den schwach gestarteten Hamilton mühelos hinter sich. Doch bald geriet die Aufholjagd ins Stocken. "Das Problem mit dem Getriebe und der resultierenden Startposition war auf einem Kurs wie diesem nicht ideal. Das Auto hätte gewinnen können, die Performance war gut. Aber wenn du in diesem Bereich startest und hinter jemandem festhängst ist es dann einfach schwierig", erklärt Räikkönen. Ähnliche Probleme also wie bei Ricciardo.

Doch machten dem Finnen nicht nur die direkten Gegner zu schaffen, auch die Überrundungen nagten an Räikkönen, wie er mit Funksprüchen ausdrucksstark mitteilte. Einen großen Einfluss auf den Rennausgang habe dies jedoch nicht gehabt, meint Räikkönen. Aufgehalten von einem Renault verlor der Finne allerdings durchaus eine Position - gegen Hamilton. Und das, obwohl der erst nach dem Ferrari auf frische Reifen gewechselt hatte.

Vettel wie Räikkönen steckten in Japan mehrfach im Verkehr fest., Foto: Sutton
Vettel wie Räikkönen steckten in Japan mehrfach im Verkehr fest., Foto: Sutton

Verkehr kostet Räikkönen und Vettel Platz gegen Hamilton

Immerhin an Ricciardo fand Räikkönen mit einem Undercut seinerseits schließlich einen Weg vorbei und zeigte mit freier Fahrbahn durch mehrere schnellste Rennrunden die wahre Pace des Ferrari. "Als wir in freier Luft waren, was leider nur ein sehr kleiner Teil war, hatten wir sehr viel Speed. Deshalb ist es insgesamt etwas enttäuschend nach diesem Wochenende. Das ist nicht das Resultat, das wir wollten", hadert der Finne. "Wir hatten hier den Speed, aber das Ergebnis hat nicht unsere wahre Pace gezeigt."

Ähnlich äußerte sich Sebastian Vettel, ebenfalls Opfer des Verkehrs. Auch er habe deshalb einen Platz an Hamilton verloren. "Das war ärgerlich. Ich habe vier Sekunden im Verkehr verloren während ich mit Lewis gekämpft habe, aber das passiert eben", sagt Vettel über das Rennende. Den entscheidenden Unterschied hätte der Verkehr hier allerdings auch nicht gemacht: "Im Endeffekt haben am Ende die Reifen ein bisschen zu sehr abgebaut. Somit hat es nicht allzu viel ausgemacht."

Per Undercut ging Räikkönen an Ricciardo vorbei und flog davon, Foto: Red Bull
Per Undercut ging Räikkönen an Ricciardo vorbei und flog davon, Foto: Red Bull

Vettel verteidigt riskante Ferrari-Strategie

"Aber Ende des zweiten Stints habe ich glaube ich über eineinhalb oder zwei Sekunden aufgrund der Überrundungen verloren und damit sicherlich im ersten Moment den Platz an den Lewis verloren", klagt Vettel. Mitverantwortlich war hier jedoch auch die Ferrari-Strategie. Vettel blieb länger draußen als alle anderen und wagte schließlich einen recht langen Schlussstint auf Soft.

"Wir haben hohes Risiko genommen, auf die Softs zu gehen, die sich sofort gut angefühlt haben. Aber dann hatten wir zu viel Verschleiß und sind zurückgefallen", gesteht Vettel die Fehlentscheidung ein. Im Rückblick sei es aber leicht, Kritik daran zu üben. "Am Ende ist es immer einfach und es gibt viele Experten, die sagen, wir hätten es besser wissen sollen. Aber an der Boxenmauer und im Auto waren wir sicher", sagt Vettel und übernimmt selbst die Verantwortung. Ich habe gesagt: "Lasst uns auf Distanz gehen" Was bedeutet, den zwiten Stint auszudehnen", berichtet Vettel.

Für ihn sei es ein nötiges Risiko gewesen. So sieht es auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Auf Soft zu gehen war seine einzige Chance, Hamilton unter Druck zu setzen. Aber es war klar, dass der Reifen nicht bis zum Ende hält." Vorher, bestätigt Wolff Vettel, sei er zudem in Verkehr geraten, sodass seine Strategie, vor Hamilton zurück auf die Strecke zu kommen nicht aufgegangen sei.

Die Folge: Hamilton orientierte sich nach vorne, attackierte Verstappen, Vettel fiel zurück, konnte froh sein auf abbauenden Softs nicht auch noch von Teamkollege Räikkönen aufgeschnupft zu werden. "Dass es dann am Ende nicht reicht und die Lücke doch so groß ist zu Platz zwei und drei, da war ich dann überrascht", sagt Vettel "Schade, dass der Verkehr durch die Hinterbänkler es Vettel nicht erlaubt hat, das Beste aus unserer Strategie zu machen", resümiert Maurizio Arrivabene.

Eine ausführliche Analyse zu den Strategien des Japan GP lesen Sie am Montag auf Motorsport-Magazin.com.

Ferrari ist Mercedes und Red Bull auf jeden Fall einen Schritt näher gekommen, Foto: Sutton
Ferrari ist Mercedes und Red Bull auf jeden Fall einen Schritt näher gekommen, Foto: Sutton

Ferrari insgesamt zufrieden: Auto stark verbessert

Insgesamt war der Ferrari-Teamchef zumindest mit dem Rennen selbst aber zufrieden. "Wie haben heute das Beste herausgeholt, was mit der doppelten Strafe, die uns zurückgeworfen hat, möglich war", sagt Arrivabene. "Insgesamt war es aber ein gutes Wochenende", meint auch Vettel. "Es gibt schon viel Positives. "Aber natürlich ist man nicht ganz glücklich wenn das Podium zum Greifen nah ist und du es verpasst. Der Speed war grundsätzlich da für Platz zwei, aber wir sind Vierter geworden."

Dem Rest der Saison und dem weiteren Duell mit Red Bull blickt Vettel auf Grund der Erfahrungen in Japan optimistisch entgegen. "Wir haben dieses Wochenende einen Schritt nach vorne machen können. Wir haben uns eigentlich fast das ganze Wochenende wohl gefühlt und ein paar Sachen probiert, die gut funktioniert haben", sagt Vettel. "Wir würden nichts ans Auto packen, wenn wir nicht überzeugt wären, dass es ein Vorteil wäre. Es gibt vereinzelt Unterschiede, wir versuchen so viel herauszuholen wie möglich. Es lief hier besser als zuletzt. Ich weiß nicht genau warum, aber all diese Teile helfen offenbar", bestätigt Räikkönen. "Das Auto hat sich hier sehr gut angefühlt."

"Man hat uns hinterhergesagt, wir würden es auf dieser Strecke schwer haben. Im Endeffekt war es dann ein sehr, sehr gutes und starkes Wochenende. Wir haben auf jeden Fall den Speed für das Podium. Nach ganz vorne - ja, da muss ein bisschen was passieren, um anzugreifen. Die Mercedes sind sehr stark, aber nicht unverwundbar. Wir werden weiter angreifen", verspricht derweil Vettel volle Attacke im Schlusspurt.