Die ersten beiden Trainingsschlachten in Baku sind geschlagen, und wenig überraschend ging Mercedes aus ihnen als Sieger hervor. Doch hinter Lewis Hamilton, der zwei Mal die Bestzeit erzielte, und Nico Rosberg ordneten sich nicht wie gewohnt Ferrari und Red Bull ein - nein, die beiden etablierten Teams waren diesmal abgeschlagen zurück. Stattdessen kämpften Force India und Williams um den Platz hinter Mercedes. Motorsport-Magazin.com nimmt die Überraschungen des Freitags in Baku unter die Lupe.

Red Bull fehlt Top-Speed, Ferrari Grip

Eine der negativen Überraschungen war gewiss Red Bull mit den Plätzen sieben und zehn für Max Verstappen und Daniel Ricciardo. Wobei sich darüber streiten lässt, ob es sich beim mageren Abschneiden tatsächlich um eine Überraschung handelt, schließlich hatte Motorsportberater Dr. Helmut Marko bereits im Vorfeld des Grands Prix befürchtet, dass die 2,2 Kilometer lange Gerade aufgrund fehlender Motorpower zum Verhängnis werden könnte.

Baku hat für Red Bull zu lange Geraden, Foto: Sutton
Baku hat für Red Bull zu lange Geraden, Foto: Sutton

"Wir wussten, dass es hier sehr schwer werden würde. Aber dass alle Mercedes-angetriebenen Teams auf Anhieb derartig schnell sind, zeigt, wie wichtig hier Power ist", sagt Marko im Interview mit Motorsport-Magazin.com. 1,1 Sekunden büßt Red Bull alleine auf der Start- und Zielgeraden gegenüber Mercedes wegen fehlender 15 km/h ein - ein Nachteil, der im kurvigen Teil der Strecke trotz der exzellenten Aerodynamik des RB12 nicht wettgemacht werden kann.

Um das Geschwindigkeits-Defizit möglichst in Grenzen zu halten, stellte Red Bull den Heckflügel extrem flach, was jedoch wiederum das Problem mit sich brachte, die Reifen nicht ordentlich aufwärmen zu können. "Wir müssen ein Gesamtpaket finden", fordert Marko deshalb, ist sich angesichts der bisher gezeigten Leistungen aber bewusst: "Das wird im Qualifying ein ganz hartes Stück Arbeit."

Top-Speeds im 2. Training zum Europa GP

PlatzFahrerTeamMotorGeschwindigkeit
1Carlos SainzToro RossoFerrari 2015351,7 km/h
2Nico RosbergMercedesMercedes350,4 km/h
3Jenson ButtonMcLarenHonda349,4 km/h
4Nico HülkenbergForce IndiaMercedes347,9 km/h
5Valtteri BottasWilliamsMercedes347,4 km/h
6Lewis HamiltonMercedesMercedes347,1 km/h
7Sergio PerezForce IndiaMercedes344,9 km/h
8Sebastian VettelFerrariFerrari343,1 km/h
9Pascal WehrleinManorMercedes342,8 km/h
10Felipe NasrSauberFerrari342,7 km/h

Ähnlich lange Gesichter wie bei Red Bull gab es im Ferrari-Lager. Nicht nur die Technik machte den Roten einmal mehr Probleme, auch war man alles andere als konkurrenzfähig - die Ränge acht und 13 zeugen davon. "Die Zeit hat gefehlt. Daran müssen wir arbeiten. Im Moment sind wir vielleicht noch ein bisschen ahnungslos", gab Sebastian Vettel offen zu, dass Ferrari noch vor einem ziemlichen Rätsel steht.

Die Probleme stellten sich ähnlich wie bei Red Bull dar, sieht man einmal vom Top-Speed aber, der bei Ferrari zwar auch nicht herausragend, aber doch noch einigermaßen in Ordnung war. "Die Balance des Autos war nicht allzu schlecht, aber das größte Problem war heute, die Reifen zum Arbeiten zu bekommen", klagte Kimi Räikkönen über den frischen Asphalt in Baku.

Trotzdem reagiert bei Rot weiter die Zuversicht, schließlich ging es im Training noch um nichts Zählbares. "Insgesamt haben wir die Pace, wir haben nur damit gekämpft, sie zu finden. Aber das ist nichts, über was man sich zu viele Sorgen machen müsste", so Vettel.

Force India und Williams überraschen

Während Ferrari und Red Bull von Freitag auf Samstag also noch eine Menge Hausaufgaben zu machen haben, herrschte bei Force India Hochstimmung. Sergio Perez klassierte sich als erster Jäger der Silberpfeile an der dritten Stelle, und Nico Hülkenberg rundete als Fünfter das vielversprechende Bild ab. Kann diese Pace beibehalten werden, ist für den indischen Rennstall nach Monaco sogar wieder ein Podium drinnen - auch, weil die Longrun-Pace ambitioniert aussah.

"Die Strecke liegt unserem Auto. Ich bin sehr optimistisch, was unsere Performance an diesem Wochenende angeht", strotzt Perez nur so vor Enthusiasmus. Die gute Pace ist nicht zuletzt dem starken Mercedes-Motor geschuldet, wie der Top-Speed von Perez und Hülkenberg belegt, hinzu gesellt sich ein veritables Chassis, das wie schon im Vorjahr mit jedem Upgrade stärker und stärker zu werden scheint.

Williams gilt schon seit geraumer Zeit als ein Spezialist für Highspeed-Kurse und wird dieser Rolle offenbar nun auch in Baku gerecht. Valtteri Bottas reihte sich an der vierten Stelle mit anderthalb Sekunden Rückstand auf die Spitze ein. Zu verdanken hat Williams das gute Abschneiden natürlich auch der Mercedes-Power, die dem FW38 innewohnt. "Wir hatten heute einen guten Tag, aber ich bin mir sicher, morgen ist noch mehr drinnen", sieht Bottas dabei sogar noch Luft nach oben.

Rosberg wundert sich

Und was sagt man eigentlich bei Mercedes zu den so ungewohnten Verfolgern? Man gibt sich durchaus verblüfft. "Die Rangfolge hat mich heute etwas überrascht. Force India lag direkt hinter uns. Ich weiß nicht, was wir an diesem Wochenende von Red Bull und Ferrari erwarten dürfen. Bislang waren sie unsere ärgsten Verfolger", grübelt Rosberg, für den es im Duell mit Hamilton selbst nicht optimal lief.