Spanien ist ein Zweirad-verrücktes Land. Sete Gibernau, Carlos Checa oder Dani Pedrosa genießen hier einen Heldenstatus, wie ihn in Deutschland vielleicht die Weltmeisterelf von 1954 hat. Doch während die Formel 1 in den letzten Jahren klar im Windschatten der MotoGP-Bikes lag, geschah zu Saisonbeginn dieses Jahres etwas ebenso unerwartetes wie ungewöhnliches.

Fernando Alonso setzte in Melbourne mit einem dritten Rang dazu an aus dem Windschatten auszubrechen, scherte in Malaysia und Bahrain aus und ließ die Zweiradartisten mit seinem dritten Triumph in Folge in seiner Dirty Air stehen. Entsprechend erwartet den Formel 1 Tross am kommenden Wochenende beim Großen Preis von Spanien ein Tollhaus rund um den Circuit de Catalunya - Denn dann heißt es für die Konkurrenz: Willkommen im Fernando-Land!

Renault: Ist der Druck zu hoch?

Die Alonso-Mania schwappt in Spanien an allen Ecken und Enden über. Und obwohl der Lokalmatador in Imola hart für seinen dritten Saisonerfolg kämpften musste, sind sich nicht nur seine Fans sicher, dass er schon in Barcelona wieder deutlicher vorne liegen wird. Denn bei Renault bauen Pat Symonds und Flavio Briatore darauf, dass Bridgestone nur ein einmaliger Durchbruch für die Verhältnisse in Imola gelungen ist.

Sollte dem tatsächlich so sein, könnten die Michelin bereiften Franzosen im heißeren Barcelona schon wieder klarer in Führung liegen. Doch neben Ferrari droht auch McLaren den Gelb-Blauen. Für Spannung ist also gesorgt, nicht zuletzt wegen des immensen Drucks, der auf Fernando Alonso bei seinem Heimspiel lasten wird. Allerdings sollte man nicht darauf spekulieren, dass der Jungstar darunter leiden wird. Schließlich hielt er in den Schlussrunden des San Marino GP sogar den Druck eines siebenfachen Weltmeisters problemlos stand...

Toyota: Ist der Rückschlag überwunden?

Die Weiß-Roten aus Köln-Marsdorf bauen darauf, dass die Schwächephase von Imola nur mit ihrer sprichwörtlichen Abneigung gegen die Kerbs und die Wetterverhältnisse zu erklären war. Entsprechend möchte man auf dem von den Tests wohl bekannten Circuit de Catalunya wieder weiter vorne landen.

Ralf Schumacher möchte dies auf alle Fälle. Schließlich muss er nicht nur endlich beweisen, dass er bislang nur aus diversen Gründen schlechter als sein Teamkollege Jarno Trulli abgeschnitten hat, sondern muss er auch den verlorenen Zähler durch die mittlerweile auch von Toyota akzeptierte Zeitstrafe kompensieren. Ob die Japaner aber tatsächlich um mehr als nur ein paar Punkte mitfahren können, bleibt erst noch abzuwarten.

McLaren: Kommt Montoya zurück?

Bei den Silbernen dreht sich alles um eine alles entscheidende Frage: Kommt er zurück oder nicht? Die Rede ist natürlich vom Kolumbianer Juan Pablo Montoya, der in der letzten Woche bei einem Team-PR-Event in Russland seinen ersten öffentlichen Auftritt seit seinem "Unfall" absolvierte.

Wenn der Südamerikaner in Barcelona nicht im Cockpit sitzen sollte, stehen die Silbernen vor der schweren Entscheidung den Vierten von Imola, sprich Alex Wurz, oder den spanischen Lokalmatadoren und Fünften von Bahrain, also Pedro de la Rosa, antreten zu lassen. Während Wurz wohl einen vertraglichen Anspruch auf das Cockpit haben dürfte, steht nur eines fest: Egal wer den zweiten Silberpfeil neben Kimi Räikkönen fahren wird, beide Fahrer werden mit den neuen Teilen nach den Sternen greifen wollen.

Ferrari: Hält die Form an?

Testkilometer um Testkilometer spult die Scuderia Ferrari mit ihrem neuen F2005 ab. Das Ziel: Neben der zuletzt gezeigten Top-Performance soll auch eine Top-Zuverlässigkeit - und zwar für beide Autos - erreicht werden. Dann kann nicht nur Michael Schumacher, sondern auch Rubens Barrichello wieder um Podestplätze und wichtige WM-Punkte mitfahren.

Und während die gelb-blaue Konkurrenz die Roten in Barcelona nicht ganz so stark erwartet, möchten die Serienweltmeister der letzten Jahre auch auf der Paradeteststrecke ihren zuletzt gezeigten Aufwärtstrend fortsetzen. Es steht uns ein heißer Kampf zwischen mindestens drei Spitzenteams ins spanische Haus.

Williams: Steigt die Form an?

Ob Williams in diesen Dreikampf wird eingreifen können, bleibt eher zu bezweifeln. Schließlich waren die Weiß-Blauen in San Marino weit ab ihrer erwarteten Form. In der letzten Woche versuchten sie dieses Manko bei dreitägigen Tests in Silverstone zu beseitigen, bei denen auch Nico Rosberg seinen ersten Einsatz als offizieller Williams-Testpilot erlebte.

Während ein Sieg dennoch außer Reichweite scheint, hoffen Mark Webber und Nick Heidfeld natürlich darauf wieder um Podestplätze mitfahren zu können. Die Konkurrenz erscheint derzeit aber stärker...

Red Bull: Geht es wieder bergauf?

Ähnlich erging es auch Red Bull: Nach einem starken Saisonstart blieben die Dunkelblauen auf ihrem Leistungsstand stehen, während ihre Rivalen an ihnen vorbeizogen. Nichtsdestotrotz plant Sportdirektor Christian Horner schon in Barcelona wieder weiter vorne dabei zu sein und WM-Punkte einzufahren.

Neben David Coulthard bekommt hierbei der Italiener Tonio Liuzzi seine zweite Chance als Stammpilot. Christian Klien muss sich hingegen wieder mit der Rolle als dritter Mann am Freitag begnügen.

B·A·R Honda: Ist das Auto regelkonform?

Zur Williams-Konkurrenz gehört auch British American Racing, bei denen sich die gute Form in weiteren Testbestzeiten in Mugello manifestierte - und dies bei keinem geringeren Gegner als Ferraris neuem F2005 auf dessen Heimattestboden.

Trotzdem stand bei der Fry-Truppe in den letzten sieben Tagen ein ganz anderes Thema im Mittelpunkt: Der FIA-Einspruch gegen die Wertung von Jenson Buttons drittem Imola-Rang. Während die Entscheidung in diesem Streitfall erst am Donnerstag zu erwarten ist, darf man - trotz der anfänglichen Skepsis gegenüber den guten Testresultaten - nach der starken Vorstellung von San Marino auch in Barcelona mit den Weißen rechnen. Schließlich halten Takuma Sato und Jenson Button hier nicht umsonst den inoffiziellen Rundenrekord der Jahre 2004 und 2005.

Sauber: Ist der C24 geheilt?

Bei den Vorsaisontests und den letzten Testfahrten vor einigen Wochen war der Circuit de Catalunya der blanke Horror für den neuen Sauber C24 Boliden. Felipe Massa und vor allem Jacques Villeneuve waren sehr weit weg von der Musik. Nach dem Aufschwung von Imola, hoffen die Schweizer allerdings auch in Barcelona Fortschritte erzielen zu können.

Vorerst sollten Erwartungen, die mehr als nur ein paar WM-Zähler beinhalten, aber erst einmal mit großer Vorsicht genossen werden. Bei der Vorbereitung auf den Spanien GP ging Sauber als einziges Team eigene Wege und testete exklusiv auf der Ferrari Haus- und Hofstrecke in Fiorano.

Jordan: Wieder nur Statisten?

Jordan war hingegen in Silverstone unterwegs, wo neben Tiago Monteiro auch der zweite Testfahrer Nicky Pastorelli zu seinem ersten Einsatz seit Saisonbeginn kam. Großartige Verbesserungen darf man von den Gelben deshalb aber nicht erwarten.

Entsprechend gilt für Jordan auch in Barcelona das Motto: Ankommen ist alles. Mehr als eine doppelte Zielankunft in der Nähe der Top10 ist unter normalen Umständen nicht drin.

Minardi: Kommt ein PS05 an?

Bei Minardi wäre man sogar schon mit einer einfachen Zielankunft zufrieden. Doch die Vorzeichen für den Spanien GP sind besser als für das Renndebüt des PS05 vor einer Woche: In Mugello konnten die Italiener zwei ganze Testtage bestreiten, für die Mannschaft von Paul Stoddart eine wahre Rarität.

Ebenso rar war der Zusammenstoß zwischen Christijan Albers und dem israelischen Testfahrer Chanoch Nissany, welcher den ersten Testtag des Teams überschattete. Insgesamt wird Minardi auch beim fünften Saisonrennen nicht über eine Statistenrolle hinaus kommen.