Endlich wiedermal ein bisschen Abwechslung in der Formel 1! Zwar gab Mercedes im Qualifying zum Großen Preis von Spanien wie gewohnt den Ton an, dahinter bot sich jedoch ein ungewohntes Bild. Nicht Ferrari war der erste Verfolger der Silberpfeile, sondern Red Bull sicherte sich in Barcelona geschlossen die zweite Startreihe. Das verspricht eine spannende Ausgangslage für das fünfte Saisonrennen, wenngleich der Sieg natürlich nur über Mercedes führen wird.

Ferrari kann Trainingsleistungen nicht bestätigen

Warum es bei Ferrari nach starken Leistungen im Training, wo man nur knapp hinter Mercedes zurück lag, im Qualifying so überhaupt nicht nach Wunsch lief, konnte man sich im roten Lager selbst nicht so recht erklären. "Wir waren einfach nicht schnell genug", rätselte Sebastian Vettel nach Platz sechs, ortete aber die höheren Streckentemperaturen und das damit einhergehende veränderte Verhalten der Reifen als eine mögliche Ursache für den Performance-Einbruch. "Das Auto hat sich nicht so gut angefühlt wie noch heute Morgen."

Ferrari: Entwicklung des Rückstands auf die Spitze

Session Fahrer Rückstand (Platzierung)
1. TrainingSebastian Vettel- (1.)
2. TrainingKimi Räikkönen+0,254 (2.)
3 TrainingSebastian Vettel+0,147 (3.)
Q1Kimi Räikkönen+0,794 (5.)
Q2Kimi Räikkönen+1,345 (4.)
Q3Kimi Räikkönen+1,113 (5.)

Tatsache ist jedenfalls, dass Ferraris Ausgangsposition für den Grand Prix noch nie in dieser Saison schlechter war - und das ausgerechnet nach der Forderung von Präsident Sergio Marchionne, endlich den ersten Sieg einzufahren.

Lange Gesichter bei Ferrari nach dem Qualifying, Foto: Ferrari
Lange Gesichter bei Ferrari nach dem Qualifying, Foto: Ferrari

Droht nun auch noch Red Bull vorbeizuziehen? Vettel denkt das nicht, spricht lediglich von einer Momentaufnahme. "Ich glaube, im Rennen werden wir besser dastehen." Und Kimi Räikkönen, Startplatz fünf, ergänzt: "Ich hoffe auf einen guten Start und gute erste Kurven, dann schauen wir einmal, wie es aussieht."

Mut kann Ferrari die Longrun-Pace machen. Am Freitag war Vettel mit vollen Tanks der schnellste Mann auf der Strecke. Im Red-Bull-Lager zweifelt man die Seriosität der guten Zeiten allerdings etwas an. "Die müssen mit dem Benzin geblufft haben", meint Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko bei Motorsport-Magazin.com

Red Bull: Chance am Start gegen Mercedes

Für eine faustdicke Überraschung sorgte Red Bull Racing mit den Plätzen drei und vier. Sah es lange Zeit sogar danach aus, als würde Max Verstappen bei seinem Debüt für die Bullen das teaminterne Duell gegen Daniel Ricciardo gewinnen, schlug schlussendlich doch der Australier zurück. Geschuldet war die starke Red-Bull-Performance nicht zuletzt dem traditionell guten Chassis, das auf einer kurvenreichen Strecke wie dem Circuit de Catalunya voll zum Tragen kommt. "Das ist die erste Strecke des Jahres, auf der wir mit richtig viel Downforce fahren, und es hat sich gezeigt, dass unsere Stärken zurückkommen", bestätigt Ricciardo.

Bei Red Bull hofft man nun auf einen guten Start, denn andernfalls dürfte es schwierig werden, nach dem ersten Sieg seit knapp zwei Jahren zu greifen. Den letzten vollen Erfolg für die ehemaligen Seriensieger feierte Ricciardo 2014 in Spa-Francorchamps. "Mercedes ist hier außer Reichweite. Wenn wir am Start vorbeikommen, könnte es aber spannend werden", glaubt Marko. Dass Red Bull gute Starts kann, demonstrierte Ricciardo in dieser Saison bereits in China, als er Rosberg die Führung abknöpfte und zwischenzeitlich in Front lag.

Hamilton vor erstem Saisonsieg?

Gibt es nach dem Erlöschen der Ampeln keine Positionsverschiebungen, deutet viel auf den fünften Mercedes-Sieg im fünften Saisonrennen hin. Es wäre entweder Nico Rosbergs fünfter oder Lewis Hamiltons erster. "Es wechselt ein bisschen durch - die einzige Konstante sind wir. Wir haben einen Vorsprung - wer auch immer Zweiter ist", sieht Rosberg die Silberpfeile als klare Favoriten. "Das ist beeindruckend - auf jeder Strecke schaffen wir es, das Auto zum Arbeiten zu bekommen."

Lewis Hamilton startet von der Pole Position, Foto: Mercedes-Benz
Lewis Hamilton startet von der Pole Position, Foto: Mercedes-Benz

Für Hamilton wäre ein Erfolg beim Europaauftakt der Königsklasse von immenser Bedeutung, um sich im Titelkampf zurückzumelden. Bislang blieb der Pole-Sitter von technischen Defekten verschont, was angesichts der zahlreichen Probleme in dieser Saison keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist.

"In diesem Jahr hatte ich noch kein richtiges Rennen gegen Nico. Also hoffe ich, dass morgen der Anfang dafür ist", baut Hamilton auf ein echtes Duell gegen Rosberg. Der Deutsche erwidert mit Blick auf die bisherige Performance seines Teamkollegen: "Er ist dieses Jahr noch nie als Erstes aus der ersten Kurve gekommen. Vielleicht hilft mir das ein bisschen. Dass er da vielleicht nicht komplett selbstsicher ist ..."

Strategie als Schlüssel zum Erfolg

Da das Überholen auf dem Circuit de Catalunya aufgrund der Streckencharakteristik nicht einfach ist, kommt der taktischen Herangehensweise der Teams eine ganz besonders wichtige Rolle zu, um Positionsverschiebungen herbeizuführen. Laut Berechnungen von Pirelli wäre eine Drei-Stopp-Strategie auf dem Papier zwar am schnellsten Variante, hätte allerdings zur Folge, dass die Zwei-Stopper am Ende des Rennens auf der Strecke noch einmal überholt werden müssten - ein Risiko.

Aufgrund dessen rechnet man beim Reifenhersteller mehrheitlich mit zwei Stopps. "Es erwartet uns ein anspruchsvolles Rennen in Sachen Strategie mit vielen Möglichkeiten", weiß Mercedes-Technikchef Paddy Lowe. Während mit Ausnahme der Haas-Piloten noch alle Fahrer zwei frische Sätze Medium-Pneus zur Verfügung haben, sind ungebrauchte Soft-Reifen Mangelware. Ein kleiner Vorteil für Rosberg könnte dessen reifenschonende Fahrweise in Q2 sein, schließlich erfolgt der Start auf den Gummis aus dem zweiten Qualifikations-Abschnitt.