Mercedes hatte über den Winter wieder einmal die schwierigste Aufgabe: Bei stabilem Reglement mussten die Ingenieure in Brackley und Brixworth das nahezu perfekte noch perfekter machen. Der F1 W06 Hybrid setzte die Rekordfahrten des F1 W05 nicht nur fort, sondern überbot sie noch. Was also sollten die Techniker am F1 W07 noch verbessern?

Doch das ist nicht die Herangehensweise bei Mercedes. Perfekt gibt es im Vokabular von Paddy Lowe und Andy Cowell nicht. Unmöglich genauso wenig. Und das sieht man dem neuen Boliden auch an. Am meisten fällt die verhältnismäßig riesige Airbox ins Auge.

Während die Airbox gewachsen ist, sind die Seitenkästen geschrumpft. Klingelts? Die Airbox wird längst nicht mehr nur für das Einsammeln von Verbrennungsluft genutzt. Spätestens seit dem Hybrid-Zeitalter wird die Airbox für die Kühlung verschiedener Komponenten genutzt. Steuergeräte, Turbolader, MGU-H, Ladeluft, Verbrennungsmotor: Alle wollen gekühlt werden. Unterschiedlich stark und an unterschiedlichen Positionen.

Lotus fuhr 2015 mit einer breiten Airbox, Foto: Sutton
Lotus fuhr 2015 mit einer breiten Airbox, Foto: Sutton

Deshalb macht es mehr und mehr Sinn, die Kühlung vom Seitenkasten zu verlagern. Erstens werden die Wege zum zu kühlenden Bauteil kürzer, in Folge dessen dann das Packaging. Mercedes saugt nun mehr Kühl-Luft über die Airbox über dem Helm des Fahrers ein.

Davon verspricht man sich aerodynamische Vorzüge am Seitenkasten, weil der nun viel kleiner Ausfällt. Das ist vor allem am Einlass sichtbar. Der Kühler dahinter wird auch kleiner, damit kann die Abdeckung stärker eingezogen werden, das Heck wird besser angeströmt.

Im vergangenen Jahr setzte bereits Lotus auf eine etwas plump anmutende Airbox. Lotus fuhr 2015 mit Mercedes-Antrieb. "Es geht nur darum, wie du die Kühlung aufteilst und wie viel du von jedem willst. Unsere Lösung ist anders", sagte Lotus' Nick Chester damals.

Mit einer größeren Airbox wird der Heckflügel schlechter angeströmt. Mercedes scheint der Abtrieb über eingezogene Seitenkästen wertvoller zu sein. Seit vergangenem Jahr ist der Aufbau des Verbrennungsmotor übrigens ohnehin größer geworden: Seit 2015 sind variable Ansaugtrichter erlaubt.

Was hat es mit der Frontauf sich?

In Brasilien testete Mercedes diesen Aufsatz, Foto: Sutton
In Brasilien testete Mercedes diesen Aufsatz, Foto: Sutton

Ein großes Geheimnis bleibt Mercedes aber noch schuldig: Was hat es mit der Front auf sich? Auf den Präsentationsbildern und an den ersten Testtagen war die Mercedes-Nase noch konventionell und sehr ähnlich zum Vorjahr. "Ich denke, dass wir einige Dinge haben, die vielleicht etwas ungewöhnlich sind", kündigte aber Toto Wolff bereits an. "Ich war ziemlich überrascht, als ich die neuen Teile zum ersten Mal gesehen habe."

Die Wartungsklappe beginnt nun weit unterhalb des Pushrods, Foto: Sutton
Die Wartungsklappe beginnt nun weit unterhalb des Pushrods, Foto: Sutton

Beim vorletzten Rennen der Formel-1-Saison 2015 testete Mercedes im Freien Training bereits ein neues Chassis-Konzept. An der Oberseite war eine Öffnung sichtbar, die nach einem S-Duct aussah - aber keiner war. Was Mercedes hier genau testete, ist unklar.

Die alte Wartungsklappe endete mit dem Pushrod, Foto: Sutton
Die alte Wartungsklappe endete mit dem Pushrod, Foto: Sutton

Bei genauerem Hinsehen sieht man aber am F1 W07 durchaus Änderungen an der Vorderseite des Chassis: Die Wartungsklappe hinter der A-A-Sektion, also dem Beginn des Chassis ist gewandert, beginnt nun viel weiter unten am Chassis. Genau hier war beim Test der Fake-S-Duct zu sehen. Gut möglich, dass Mercedes die Karten zum zweiten und letzten Wintertest in Barcelona aufdeckt.

Bereits am zweiten Testtag brachte Mercedes neue Bardge-Boards an den Boliden. Die neuen Exemplare sind deutlich filigraner, sehen bei der Draufsicht fast aus wie ein Kamm. Das zeigt: Mercedes hat noch immer viel Detail-Verbesserungen auf Lager. Auch wenn Ferrari einige Mini-Revolutionen an das eigene Auto gebracht hat, Mercedes schläft keinesfalls.