Christian Klien hatte in den letzten Wochen und Monaten recht wenig Zeit - erst am vergangenen Weekend konnte der Hohenemser ein wenig relaxen - und das hat er auch schwerstens verdient! Der 23jährige lieferte gemeinsam mit seinem frisch gebackenen Red Bull Racing-Team einen fulminanten Saisonstart - trotzdem wird Klien die nächsten drei Rennen auf der Kommandobrücke oder - wenn's gut geht - im Freitagscockpit verbringen.

Während die britischen Medien das Bild vom "total enttäuschten Christian Klien" zeichnen, gab sich Christian gegenüber motorsport-magazin.com gelöst - der WM-12. macht sich beim Beantworten der 12 Fragen ausführlich Gedanken über seine aktuelle Lage: Kein Frust - sondern die Freude über den großartigen Saisonstart. Keine Angst um die Karriere - sondern der feste Glaube, beim GP von Europa wieder im Renncockpit zu sitzen. Und schließlich: Ein großes Dankeschön an seine Fans...

Der Christian Klien 2005 wirkt nach dem F1-Lehrjahr 2004 so stark wie der Christian Klien 2003 in der Formel 3. Wodurch unterscheidet sich der CK 2005 vom CK 2004? In welchen Bereichen konntest du zulegen?

Christian Klien: Ich sehe durchaus Parallelen zu meiner Formel 3-Saison. In der Formel 1 habe ich etwas länger gebraucht, um mich an das Fahrverhalten des Autos zu gewöhnen. Allerdings muss man dabei ins Auge fassen, dass die Formel 1 eine ganz andere Liga darstellt, die mit keiner Nachwuchsformel vergleichbar ist. Ich kann nun vor allem von der Streckenkenntnis und der Erfahrung her von dem ersten Jahr profitieren. Zudem denke ich, dass mir das neue Reglement etwas entgegen kommt. Sauberes Fahren ist in der Formel 1 gefragt. Ich komme vor allem mit dem sich während eines Rennens ständig verändernden Fahrzeug-Handling deutlich besser zu recht. Auch was die Abstimmung des Fahrzeuges betrifft, konnte ich mich beim Team etablieren. Im vergangenen Jahr musste ich mich aufgrund der Tatsache, dass ich auf dem überwiegenden Teil der Rennstrecken noch nie gefahren war, auf die Erfahrung der Ingenieure verlassen. Nun ist mein Einfluss auf das Setup erheblich größer. Ich denke, ich konnte nach den ersten drei Rennwochenenden, speziell in Sachen Renn-Pace, deutlich zulegen.

Dass Red Bull Racing derart stark sein würde - damit hat wohl niemand gerechnet, man hatte den Eindruck, dass auch ihr ziemlich überrascht wart. Der RB1 ist ja noch zur Jaguar-Zeit entstanden. Warum also diese Steigerung? Waren es die Personalentscheidungen? Hat der Geist von Red Bull euer Team im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt?

Christian Klien: Es ist sicher unverkennbar, dass seit der Übernahme von Red Bull ein neuer Wind im Team weht. Wir haben aber sicher nicht mit diesen Erfolgen rechnen können. Alle Teammitglieder - die Leute im Werk in Milton Keynes, die Fahrer oder auch die Mechaniker und Ingenieure an der Rennstrecke - sind voll motiviert! Obwohl wir im Moment sicher nicht jene Ressourcen zur Verfügung haben, die den Top Teams zur Verfügung stehen, versuchen alle im Team, unsere Autos möglichst weit nach vorne zu bringen. Ich denke, das ganze Paket ist stärker geworden Eventuell kommen unserem Team auch die neuen Rahmenbedingungen etwas mehr zugute, welche durch das veränderte Reglement entstanden sind. Wir werden jedenfalls versuchen, weiterhin das Maximum aus unserem Potential zu holen.

Wie groß war dein Einfluss auf die Entwicklung des diesjährigen Fahrzeugs? Konntest du da bereits Inputs geben? Kommt dieses Auto jetzt mehr deinem Fahrstil entgegen?

Christian Klien: Ich war im letzen Jahr natürlich auch in die Testarbeit mit eingebunden. Es ist ja alles in der Formel 1 eine Teamarbeit. Die Technik der Fahrzeuge ist sehr komplex. Bis alle Komponenten zusammen passen, braucht es enormes Know How und den Einsatz aller Beteiligten. Kann sein, dass mir in diesem Jahr die Rahmenbedingungen etwas mehr entgegenkommen. Der wesentliche Punkt jedoch ist - aus meiner Perspektive gesehen - dass ich mich am Rennwochenende im Vergleich zum Vorjahr mehr bei der Fahrzeugabstimmung einbringen kann.

Man hat David Coulthard auch wegen seiner Erfahrung und dem in einem Jahrzehnt bei McLaren-Mercedes gesammelten Know How engagiert. Welche Inputs konnte er bringen? Hast du von ihm Tricks abschauen können und wenn ja, welche?

Christian Klien: David ist in allen Belangen sehr erfahren und er ist ein wahrer Profi. Er ist seit mehr als zehn Jahren ausschließlich mit Top-Autos in der Formel 1 gefahren. Autos, die in der Lage waren, WM-Titel zu gewinnen. Auf derartige Erfahrungen konnte auch Jaguar nicht zurückgreifen und so verfügt auch das neue Red Bull Racing-Team nicht über diese Erfahrungswerte. Somit ist David Coulthard sicher ein wichtiger Bestandteil unseres Teams. Von einem Profi wie DC kann man als Fahrer viel lernen. Was jedoch die Autoabstimmung betrifft, gehe ich meine eigenen Wege. Ich erarbeite mir die Basis dafür gemeinsam mit meinen Ingenieuren und den Mechanikern.

Der Ausscheidungskampf zwischen Tonio und dir spaltet die Formel 1-Fans. Die einen finden es gut fürs Team, die anderen sehen darin eine unnötige Belastung für euch Fahrer, die ihr ohnehin einem Riesendruck ausgesetzt seid. Wie siehst du das heute? In wie weit hast du deine Leistungssteigerung diesem Ausscheidungskampf und dem Ersatzbankprinzip bei Red Bull Racing zu verdanken?

Christian Klien: Konkurrenzkampf und Wettbewerb stellen im Motorsport und speziell in der Formel 1 die Basis aller Dinge dar. Druck ist in der Formel 1 allgegenwärtig. Und ich habe gelernt, damit umzugehen. Der Wettbewerb innerhalb des Teams ist okay - es muss aber dann auch eine Phase kommen, wo einem nach erbrachter positiver Leitungsentwicklung auch Vertrauen vom Team entgegengebracht wird. Ich konnte deutlich spüren, wie die gesamte Teamleitung, die Ingenieure und die Mechaniker bereits in der Testphase vor dem Saisonstart immer mehr Vertrauen in meine Aussagen und Leistungen gewannen. Diese Entwicklung hat sich an den ersten drei Rennwochenenden nochmals deutlich verstärkt. Ich denke, es hat sich alles sehr gut entwickelt.

Du sagst richtigerweise, dass du dein Bestes gegeben hast. Trotzdem sitzt du jetzt auf der Ersatzbank, weil man Tonio Liuzzi auch eine Chance geben möchte. Man könnte jetzt befürchten, dass du aus deinem eindeutig vorhandenen guten Lauf herausgerissen werden könntest - was sagst du dazu? Braucht man nicht auch eine gewisse Kontinuität?

Christian Klien: Ich selbst, wie auch das Team, waren überrascht, wie kontinuierlich ich mich an den ersten drei Rennwochenenden weiterentwickelt habe, konstant zum 'Punktefahrer' wurde. Speziell in Bahrain war ich in allen vier Freien Trainings und in beiden Qualifyings deutlich schneller als mein Teamkollege David Coulthard. Das Rennen konnte ich ja in Bahrain auf Grund eines Elektronik-Defekts nicht fahren. Ich war in fünf von sechs Qualys schneller als DC. In beiden Rennen, in denen ich gefahren bin, konnte ich für unser Team Punkte holen. Ich denke, dass ich die Erwartungen des Teams übertroffen habe. Was mir auch Red Bull Racing-Sportdirektor Christian Horner und Dr. Helmut Marko von Red Bull Racing bestätigt haben. Ich hätte mir sicher gewünscht, auf Grund meiner sehr guten Entwicklung kontinuierlich noch ein paar weitere Rennen im Auto zu sitzen, um meine Performance weiter zu steigern. Ich stehe als jüngster Formel 1-Fahrer erst am Anfang und beginne ja erst, mein Potential mehr und mehr umzusetzen. Das Cockpit-Sharing in der Saison 2005 - zwischen Tonio und mir - war von Anfang an vorgesehen. Die Teamverantwortlichen haben entscheiden, dass die nächsten drei Rennen Tonio mein Auto übernimmt. Das ist für mich als Racer nicht erfreulich - aber vom Team her ist das nur korrekt. Ich gehe aber davon aus, dass ich nach diesen drei Rennen beim Europa Grand Prix auf dem Nürburgring wieder das Renncockpit übernehmen darf.

Aufgrund des Regelwerks darfst du jetzt nicht mal den dritten Wagen am Freitag steuern. In wie weit bist du jetzt noch in die Fahrzeugentwicklung eingebunden? Besteht die Befürchtung, dass du technisch gesehen den Anschluss verlieren könntest? Wirst du weiter testen? [Die Fragen wurden vor dem Bekanntwerden der Offensive von Red Bull Racing (Unterschriftenliste aller neun Konkurrenzteams, um Christian Klien das Steuern des dritten RB1 zu ermöglichen) verfasst, d. Red.]

Christian Klien: Ich bin unverändert in die ganze Entwicklungsarbeit und auch an den Rennwochenenden in die Teamarbeit mit eingebunden. Der einzige Unterschied ist , dass ich an den kommenden drei Rennwochenenden nicht im Renncockpit sitzen werde. Bei allen Tests und bei der Arbeit im Werk in England bin ich aber unverändert im Einsatz. Ich glaube nicht, dass es meiner Performance sehr schadet, drei Rennen auszusetzen. Wichtig ist aber, dass ich anschließend wieder im Renncockpit sitze. Man darf nicht vergessen: Jeder Fahrer wird durch jedes einzelne Rennen noch besser und erfahrener. Dadurch wird er natürlich auch schneller und somit auch wertvoller für das Team. Unser Red Bull Racing-Sportdirektor Christian Horner versucht zu erwirken, dass ich bei den kommenden drei Rennen als unser dritter Fahrer eingesetzt werden kann. Sicher wäre das für mich und auch das Team ideal, da ich dann meine Erfahrung besser in das Team mit einbringen könnte.

Wird Tonio jetzt mit deinen Ingenieuren zusammenarbeiten? Und wenn ja, welchen Einfluss hat das auf die ja auch nicht ganz unwichtige Vertrautheit zwischen Technikern und Fahrern? Oder bist du jetzt quasi ein Teil von Tonio's Ingenieursstab?

Christian Klien: Ich werde sicher versuchen, Tonio und dem Team zu helfen wo ich kann. Tonio kennt - im Gegensatz zu mir in meinem ersten Formel 1-Jahr - die Strecken von Imola, Barcelona und Monaco. Er ist dort in den letzten beiden Jahren in der Formel 3000 gefahren. Und er hat in der letzten Saison auf allen dieser drei Strecken gewonnen. Das wird sicher sehr nützlich für ihn sein. Wir sind ein Team. Jeder versucht den anderen zu unterstützen - damit für das Team das Bestmögliche dabei herausschaut.

Du hast erklärt, du wirst deinem Freund Liuzzi nach allen Kräften helfen, ihm Ratschläge geben. Zugleich ist er aber immer noch dein Rivale um das zweite Cockpit. Theoretisch könntest du ihm jetzt also gute Tipps geben und dann wird er damit beispielsweise Dritter in einem GP und empfiehlt sich damit für den Verbleib im Renncockpit. Wie gehst du mit dieser Diskrepanz um?

Christian Klien: Ich mache mir da keine Sorgen. Ich musste ja nicht deshalb mein Cockpit abgeben, weil ich keine guten Leistungen erbracht habe. Das Gegenteil war ja der Fall. Wie Dr. Marko sagte, hat Red Bull mein Formel 1-Potential erkannt - und wird es weiter fördern. Wie die Teamverantwortlichen schon offiziell erklärten, geht es ja darum, Tonio und mir ein möglichst gute 'Ausbildung' zukommen zu lassen. Dass dann eben auch beide Fahrer zu einem GP-Einsatz kommen, um ihre Erfahrung aufzubauen, ist daher nur logisch. Das hat auf mein persönliches Verhältnis zu Tonio überhaupt keinen Einfluss.

Du hast im Quali den David Coulthard doch in den Schatten stellen können. Was glaubst du - wird das auch dem Tonio gelingen, der ja im Freitagstraining auch immer recht flott unterwegs war? Befürchtest du, dass dem Tonio im Rennen jene Routine und Erfahrung, die du letztes Jahr sammeln konntest, fehlen wird?

Christian Klien: Der 'Freitagsfahrer' hat grundsätzlich völlig andere Voraussetzungen für seine Testarbeit im ersten und zweiten freien Training. Das Gewicht des Fahrzeuges ist anders, die Anzahl an neuen Reifen, die Motorschonung und das damit verbundene Drehzahllimit- all diese Parameter sind für den dritten Fahrer anders definiert. Tonio hat sich ja am Freitag sehr gut bewährt. Und ich denke, dass Tonio bei den kommenden Rennen ebenfalls sehr gut abschneiden wird. Zudem kennt er eben alle drei Strecken sehr gut aus der Formel 3000.

Dietrich Mateschitz hat dich und Tonio unlängst als "Leihgabe" angeboten, sollte Peter Sauber einen Ersatzmann für Villeneuve suchen. Daraufhin hast du erklärt, du möchtest eigentlich bei Red Bull bleiben. Würdest du eine solche Anfrage aus heutiger Sicht vielleicht doch annehmen?

Christian Klien: Mein Team ist das Red Bull Racing-Team. Nach einer harten internen Ausscheidung habe ich das Cockpit für den Saisonstart 2005 erhalten. Mit RBR habe ich die Saison begonnen und wir haben gemeinsam auch die ersten Punkte für das neue Team erzielt. Ich bin nun schon das neunte Jahr im Red Bull-Fahrerkader - damit bin ich der einzig aktive Red Bull-Pilot, der es von den ersten Anfängen im Kart bis zur Formel 1 geschafft hat. Seit ich als 'kleiner' GoKart-Fahrer mit 13 Jahren meinen ersten Red Bull-Helm von Didi Matschitz persönlich erhalten habe, sind Red Bull und ich Partner. Ich habe mich durch meine Leistung immer wieder für höhere Aufgaben empfohlen. Es wäre für mich ein Traum, eines Tages als Pilot des Red Bull Racing-Teams mein erstes Formel 1-Rennen zu gewinnen. Ich bin derzeit bei RBR unter Vertrag. Die Frage nach einem anderen Team stellt sich nicht für mich.

Den österreichischen Fans hast du große Freude bereitet - jetzt müssen sie auf dich verzichten. Hast du eine Message für deine Fans? Weißt du schon, wie es nach den nächsten drei Rennen weitergehen wird? Hat man dir schon irgendwelche Zusagen oder wenigstens Hoffnungen auf ein GP-Comeback gemacht? Rechnest du damit, nach Monaco wieder fahren zu können?

Christian Klien: Ich rechne fest damit, dass ich nach Monaco wieder im Renncockpit sitze. Die Entscheidung wird von den Verantwortlichen nach dem Monaco-GP getroffen. Nur eine Woche nach Monaco findet ja bereits der Europa-GP auf dem Nürburgring statt. Da möchte ich auf jeden Fall wieder fahren. Ich hoffe, dass mir alle Fans weiterhin zur Seite stehen. Die Unterstützung meiner Fans ist wirklich großartig. Nach dem Grand Prix von Imola werden wir für die CK-Fans einen offiziellen Fanclub eröffnen. Ich möchte die Fans wissen lassen, dass ich ihren Support sehr schätze!