Die Formel 1 ist zurück aus der Sommerpause. In Spa-Francorchamps heulten am Freitag wieder die Motoren der Königsklasse auf. In beiden Trainingssitzungen hatte Nico Rosberg die Nase vorne und konnte damit seinen in der Weltmeisterschaft führenden Teamkollegen Lewis Hamilton in Schach halten. Lag im ersten Training Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo als erster Verfolger der Silberpfeile nur knapp drei Zehntel zurück, konnte Mercedes in der zweiten Session einen Vorsprung von mehr als sieben Zehntel auf die Konkurrenz herausfahren.

Über eine Runde dürfte Mercedes also auch in Belgien das Maß der Dinge sein - die Pole Position wird aller Voraussicht nach entweder an Rosberg oder Hamilton gehen. Doch wie stellt sich die Situation bei vollen Tanks dar? Diese Frage ist diesmal aufgrund der besonderen Umstände gar nicht so einfach zu beantworten. Zum einen, weil Spa mit seinen sieben Kilometern Streckenlänge ohnehin nicht viele Runden zulässt, und zum anderen, weil mit Rosberg und Marcus Ericsson gleich zwei Piloten abflogen, als die Longruns auf dem Programm standen und für das Rennen geprobt werden sollte.

Mercedes warnt vor Ferrari und Red Bull

Wie im Diagramm unschwer zu erkennen ist, liegen in der Tat nicht viele Daten von den Volltanktests vor, weshalb die wenigen Zahlen mit Vorsicht interpretiert werden müssen. Dennoch geht hervor, dass Nico Rosberg und Lewis Hamilton sowie Sebastian Vettel in etwa auf demselben Niveau fuhren, während die anderen Teams mit diesem Trio nicht mithalten konnten. Weil von Daniel Ricciardo nur eine einzige Longrun-Zeit vorliegt, die 1:55.444 Minuten beträgt, ist der Wert des Red-Bull-Piloten im Diagramm nicht abgebildet.

"Ferrari und Red Bull scheinen hier näher dran zu sein als an den vergangenen Wochenenden. Es wird sicher eng und wir müssen auf den Kampf vorbereitet sein", warnte Hamilton nach dem Training vor der Konkurrenz und stieß damit in dasselbe Horn wie Mercedes-Technikchef Paddy Lowe, der meinte: "Unsere Pace war ermutigend. Wir werden allerdings wie immer genau auf unsere Gegner achten. Ferrari und Red Bull sehen an diesem Wochenende ganz besonders stark aus."

Für gewöhnlich ist Mercedes in der Lage, im Laufe des Rennwochenendes noch einmal deutlich an Pace zuzulegen und den Abstand auf die Verfolger zu vergrößern, ob dies aber auch nach der Sommerpause der Fall ist, bleibt jedoch abzuwarten, verfügen doch alle Teams über zahlreiche neue Teile. So auch die Silberpfeile, die einen großen neuen Heckflügel testeten, der den nötigen Downforce liefern soll.

Auffällig ist die große Diskrepanz zwischen den Zeiten der beiden Ferrari-Piloten. Kimi Räikkönen war mehr als eine Sekunde langsamer als Vettel, was wegen der wenigen Runden aber nicht überbewertet werden sollte, zumal Vettel seine Zeiten ganz am Ende der Session und daher womöglich mit etwas weniger Sprit im Tank fuhr.

"Ich glaube, wir kamen soweit gut durch das Programm. Für morgen müssen wir uns aber noch ein bisschen steigern", blieb Vettel, der im zweiten Training nur die zehntschnellste Zeit fuhr, nach den ersten Eindrücken auf der Ardennenachterbahn zurückhaltend. "Wir werden für morgen das Auto noch verbessern. Das müssen wir auch, weil wir natürlich nicht Zehnter werden wollen."

Vettel gewann das letzte Rennen vor der Sommerpause, Foto: Sutton
Vettel gewann das letzte Rennen vor der Sommerpause, Foto: Sutton

Red Bull trumpft mit flachem Flügel auf

Die Überraschung des Tages lieferte Red Bull Racing mit den Plätzen drei und vier für Daniel Ricciardo und Daniil Kvyat. Abgesehen von Ricciardos Longrun-Zeit, die acht Zehntel über Hamiltons Bestwert von 1:54.619 Minuten lag, gibt es keine seriösen Volltankwerte des Red-Bull-Duos. Dass sich dieses aber überhaupt so gut platzieren konnte, ist angesichts des schwachen Renault-Motors, dem im Vergleich zu den Aggregaten aus den Häusern Mercedes und Ferrari einige Pferdestärken fehlen, keine Selbstverständlichkeit.

Um das Power-Defizit zu kompensieren, griff Red Bull zu einem ausgesprochen flachen Heckflügel, was es ermöglichte, in puncto Top-Speed mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Mit 334,2 km/h war Ricciardo am Ende der Kemmel-Geraden sogar der schnellste der Spitzenpiloten, Hamilton war im Vergleich dazu mit 326,9 km/h richtiggehend langsam unterwegs. Da Red-Bull traditionell über eine gute Aerodynamik verfügt, scheint der flache Flügel vom starken Chassis in den Kurven wettgemacht werden zu können.

Top-Speeds im zweiten Training, gemessen bei der ersten Zwischenzeit

Fahrer Team Motor Top-Speed
Max VerstappenToro RossoRenault344,3 km/h
Nico HülkenbergForce IndiaMercedes 338,2 km/h
Sergio PerezForce IndiaMercedes 336,9 km/h
Marcus EricssonSauberFerrari336,7 km/h
Carlos SainzToro RossoRenault335,2 km/h
Daniel RicciardoRed BullRenault334,2 km/h
Kimi RäikkönenFerrariFerrari333,6 km/h
Felipe NasrSauberFerrari332,8 km/h
Nico RosbergMercedesMercedes332,6 km/h
Romain GrosjeanLotusMercedes332,6 km/h
Sebastian VettelFerrariFerrari332,3 km/h
Daniil KvyatRed BullRenault330,9 km/h
Pastor MaldonadoLotusMercedes330,3 km/h
Jenson ButtonMcLarenHonda 330,1 km/h
Lewis HamiltonMercedesMercedes326,9 km/h
Fernando AlonsoMcLarenHonda323,8 km/h
Valtteri BottasWilliams Mercedes 323,7 km/h
Will StevensManorFerrari322,9 km/h
Felipe MassaWilliamsMercedes 321,3 km/h
Roberto MerhiManorFerrari320,1 km/h

"Ich denke, wir können uns noch verbessern, aber Ferrari und Williams werden morgen stark sein. Ich erwarte, dass sie den Abstand schließen werden", rechnet Ricciardo allerdings noch damit, dass die Gegnerschaft zulegen wird. Mercedes sieht der Australier gänzlich außer Reichweite. "Mir fehlt immer noch eine halbe Sekunde oder so... es ist noch immer ein großer Abstand."

Red Bull setzt auf einen flachen Heckflügel, Foto: Sutton
Red Bull setzt auf einen flachen Heckflügel, Foto: Sutton

Williams hat noch Luft nach oben

Williams lieferte auf den ersten Blick eine schwache Performance ab - für Felipe Massa und Valtteri Bottas sprangen gerade einmal die Plätze 14 und 16 heraus. Doch nicht zuletzt deshalb, weil die Power-Strecke von Spa den Vorzügen des FW37 sehr stark entgegenkommt, ist wohl noch mit einem gehörigen Leistungssprung zu rechnen.

"Das war ein typischer Freitag für Williams. Wir sind nicht angetreten, um die Zeitentabellen anzuführen", betonte Massa, der sich ärgerte, dass durch die roten Flaggen die Longruns gestört wurden. "Wir sind sehr gut für das Wochenende aufgestellt", versprühte auch Performance-Chef Rob Smedley Optimismus.

Fazit: Die Teams werden im dritten Training am Samstagvormittag vermutlich noch die eine oder andere vollbetankte Runde drehen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Mercedes sieht auf Basis der vorliegenden Daten stark aus und auch Ferrari erweckt einen guten Eindruck. Die großen Fragezeichen sind Red Bull und Williams. Können Ricciardo und Kvyat mit ihrem Kompromiss-Setup weiterhin an der Spitze mitmischen und wie groß fällt der Performance-Sprung von Williams aus? Zwei entscheidende Fragen, die erst am Sonntag abschließend beantwortet werden können.