Als die Formel 1 im letzten Jahr nach langer Abstinenz nach Österreich zurückkehrte, war die Euphorie schier grenzenlos. Die Karten gingen weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln und am Sonntag konnte Veranstalter Red Bull stolz das Ausverkauft-Schild an die Ticketkassen hängen. 95.000 Zuschauer drängten sich auf den Tribünen und sorgten für die, wie viele Mitglieder des Formel-1-Zirkus meinten, beste Atmosphäre der gesamten Saison.

2014 war der Fanaufmarsch enorm, Foto: Red Bull
2014 war der Fanaufmarsch enorm, Foto: Red Bull

"Es ist nicht so ein Gigantismus wie in Shanghai oder Bahrain. Es ist einfach nett gemacht und trotzdem top. Diese individuelle Handschrift ist hier überall zu spüren", schwärmte etwa Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner, der einst noch auf dem alten Österreichring fuhr. "Die Zutaten dieses Grands Prix sind zu 80% die ehrlichen Werte eines Formel-1-Rennens, wie wir sie früher über Jahrzehnte erlebt und gelebt haben."

Ein Jahr später ist von der großen Euphorie jedoch nur mehr wenig geblieben. Es wird definitiv auch noch am Rennsonntag Tickets geben, die Veranstalter rechnen im besten Fall mit 70.000 Zuschauern. Doch warum ist das Interesse binnen nur einer Saison so stark gesunken? Freilich ist der Reiz des Neuen nicht mehr wie im selben Maße wie letztes Jahr gegeben, dennoch verwundert die Reserviertheit der österreichischen Fans viele Beobachter.

Unverständnis bei Berger und Lauda

"Ich verstehe nicht, was da passiert", kann Gerhard Berger nur den Kopf schütteln. Angesichts der Tatsache, dass der Große Preis von Deutschland in diesem Jahr nicht stattfindet, sollte man eigentlich annehmen, dass viele deutsche Fans die Reise ins nicht allzu weit entfernte Spielberg auf sich nehmen, um die Königsklasse hautnah zu erleben - doch dem ist offenbar nicht so.

"In Deutschland gibt es kein Rennen und Sebastian Vettel kämpft mit Ferrari an der Spitze", meinte Berger gegenüber Sky. "Ich weiß nicht, was zum rückläufigen Interesse geführt hat, aber es ist schade, weil Red Bull ein tolles Event organisiert."

Ein Paradebeispiel für ein erfolgreiches Rennen ist Jahr für Jahr der Kanada GP, der stets mit einer beeindruckenden Kulisse aufwartet. Ist die Königsklasse in der Stadt, steht ganz Montreal Kopf. "Ich glaube nicht, dass die Leute in Montreal anders sind. Es wurden um zwölf Prozent mehr Karten als im Vorjahr verkauft - die Tribünen waren voll", zog Niki Lauda den Vergleich zwischen Kanada und Österreich. "Niemand beschwert sich über langweilige Rennen oder leise Motoren - sie freuen sich einfach über den Grand Prix."

Als einen entscheidenden Faktor für den schleppenden Ticketverkauf führt Red Bull in der Tat die zu leisen Motoren an, und auch die Dominanz von Mercedes wird gerne als negativer Faktor genannt. "Man muss das Ganze wieder spektakulärer machen. Natürlich gehören da auch eine entsprechende PS-Zahl und eine entsprechende Dezibelzahl dazu", forderte Motorsportberater Dr. Helmut Marko jüngst. Allerdings verschwieg der Österreicher dabei, dass Mercedes auch 2014 das Maß der Dinge war und die Motoren damals ebenfalls nicht voller klangen.

Der Kanada GP blieb hinter den Erwartungen zurück, Foto: Sutton
Der Kanada GP blieb hinter den Erwartungen zurück, Foto: Sutton

Kanada GP keine Werbung

Sollten die Verantwortlichen in Spielberg damit spekuliert haben, dass ein spannender Grand Prix in Kanada noch den einen oder anderen Spätentschlossenen zum Kartenkauf bewegt, dürften sie enttäuscht werden. Das Rennen in Montreal war diesmal verhältnismäßig langweilig, nicht einmal das obligatorische Safety Car wurde auf die Strecke geschickt. Keine gute Werbung für die Formel 1 - und das ausgerechnet zur besten Sendezeit.

Das musste auch der ORF feststellen, der weniger Zuschauer als noch im letzten Jahr vor den TV-Schirmen begrüßen durfte. Hatten 2014 noch 455.000 österreichische Formel-1-Fans das Rennen in Montreal verfolgt, konnten sich diesmal lediglich 435.000 dafür begeistern. Spannend wird deshalb zu beobachten sein, welche Quoten der ORF bei seinem Heimrennen in Spielberg erreicht. Mit 622.000 Zuschauern aus der Vorsaison liegt die Latte jedenfalls hoch.