Es gibt nicht viele Strecken, auf denen ein guter Start so wichtig ist wie auf dem Circuit de Catalunya. Nico Rosberg exerzierte dies beim Großen Preis von Spanien 2015 eindrucksvoll vor. Der Deutsche kam nach dem Erlöschen der Ampeln optimal von der Pole Position weg und enteilte seinen Verfolgern mit Siebenmeilenstiefeln. Der Lohn: der erste Sieg in diesem Jahr und das Comeback im Kampf um die Weltmeisterschaft.

Gänzlich anders erging es hingegen Rosbergs Teamkollegen Lewis Hamilton. Der Brite war von der zweiten Position in den Grand Prix gegangen, verzeichnete beim Start jedoch durchdrehende Räder, was Sebastian Vettel prompt nutzte und ihn auf den dritten Rang verdrängte. Nur durch eine von der Norm abweichende Strategie gelang es Hamilton am Ende trotzdem, vor dem Ferrari-Fahrer ins Ziel zu kommen. Motorsport-Magazin.com liefert die Analyse zum Spanien GP.

Schwacher Start und schlechter Stopp

"Ich hatte einen schwachen Start mit zu viel Wheelspin und musste deshalb hart kämpfen, um Platz drei zu behalten", schilderte Hamilton seinen alles andere als verheißungsvollen Auftakt in den fünften Saisonlauf. Nachdem es ihm gelungen war, Williams-Pilot Valtteri Bottas hinter sich zu halten, blieb der WM-Führende zwar stets in Schlagdistanz zu Vettel und drückte den Rückstand auch unter die magische Marke von einer Sekunde, um DRS zu aktivieren, dennoch gelang es ihm nicht, einen Angriff zu lancieren, von einem erfolgreichen Überholmanöver ganz zu schweigen.

Hamiton verlor beim Reifenwechsel Zeit, Foto: Sutton
Hamiton verlor beim Reifenwechsel Zeit, Foto: Sutton

Da es auf der Strecke kein Vorbeikommen an Vettel gab, beorderte Mercedes Hamilton in der 13. Runde an die Box und stattete ihn mit einem frischen Satz Medium-Reifen aus. Der Plan der Silberpfeile, den Briten mittels Undercut am Ferrari-Piloten vorbeizuschleusen, fruchtete allerdings nicht. Hamilton verlor beim Reifenwechsel wegen eines klemmenden Hinterrads wertvolle Zeit, was zur Folge hatte, dass er nicht wie geplant vor, sondern hinter Lotus-Pilot Pastor Maldonado zurück auf die Strecke kam, an dem er sich erst vorbeikämpfen musste.

Am Ferrari-Kommandostand hatte man das Missgeschick von Mercedes naturgemäß mitbekommen und holte Vettel nur eine Runde nach Hamilton an die Box. "Den Boxenstopp haben sie bei Mercedes ein bisschen versemmelt, deshalb haben wir direkt reagiert", schilderte der Heppenheimer. Die Idee ging auf. Hatte Vettel vor dem Stopp lediglich sieben Zehntel Vorsprung auf Hamilton, lag er nach dem Reifenwechsel plötzlich zwei Sekunden voran.

Mercedes greift in die Trickkiste

Zwar kam Hamilton in weiterer Folge wieder näher an Vettel heran, es wiederholte sich jedoch das Spiel aus dem ersten Stint - ein Angriff war nicht möglich. Da offensichtlich war, dass Hamilton auf der Strecke nicht an Vettel vorbeikommen würde, griff Mercedes in die Taktik-Trickkiste und schwenkte von zwei auf drei Boxenstopps um. "Diese Entscheidung trafen wir schon recht früh, als klar war, dass es nicht funktionieren würde, so lange draußen zu bleiben. Und wie gesagt, Überholen war auf der Strecke nahezu unmöglich", erklärte der Brite.

Hamilton kam daraufhin bereits in der 32. Runde zu seinem zweiten Stopp und fasste diesmal die Hard-Reifen aus. Erneut ging der Reifenwechsel nicht reibungslos vonstatten und abermals hatte der Brite auf seiner Outlap Verkehr, danach gelang es ihm allerdings bei zumeist freier Fahrt durch die Bank schnellere Rundenzeiten als Vettel in den Asphalt zu brennen, was die Überlegenheit des Silberpfeils gegenüber dem Ferrari-Boliden eindrucksvoll unter Beweis stellte.

"Unsere einzige Chance, um Sebastian zu überholen, war bei der Strategie etwas anders zu machen", erläuterte Motorsportchef Toto Wolff die Überlegungen am Mercedes-Kommandostand. "Dennoch war es eine mutige Entscheidung, auf drei Stopps zu wechseln. Es konnte nur funktionieren, wenn Lewis auf der Strecke überholen würde und das hat er mit großartigen Manövern gegen Räikkönen und Bottas gezeigt. Er war entschlossen, als er es sein musste, und zeigte auf dem Prime-Reifen eine unglaubliche Pace."

Die Strategie geht auf

Vettel absolvierte seinen zweiten und letzten Stopp in der 40. Runde und fiel damit hinter Hamilton zurück. Trotz neuerer Hard-Reifen war der Ferrari-Pilot nicht der Lage, die Zeiten des nunmehr freifahrenden WM-Leaders mitzugehen, was rennentscheidende Folgen haben sollte. "Ich glaube, uns hat das Genick gebrochen, dass wir im Verkehr gehangen sind und uns schwer getan haben, direkt durchzukommen", klagte Vettel über zu viel Fahrbetrieb auf dem Circuit de Catalunya.

Hamilton kam kampflos an Vettel vorbei, Foto: Sutton
Hamilton kam kampflos an Vettel vorbei, Foto: Sutton

Hamilton kam seinerseits in der 51. Runde für seinen dritten Reifenwechsel an die Box, der diesmal problemlos ablief. Als der Brite auf die Strecke zurückkehrte, lag er trotz eines Stopps mehr bereits vor Vettel. Damit blieb es ihm erspart, sich erneut am Ferrari-Piloten die Zähne auszubeißen, wenngleich ein Überholmanöver aufgrund der frischeren Medium-Reifen, die an Hamiltons Silberpfeil steckten, wohingegen Vettel mit den langsameren Hard-Pneus unterwegs war, durchaus wahrscheinlich gewesen wäre.

Fahrer1. Stint2. Stint3. Stint4. Stint
HamiltonMedium (13 R)Medium (19 R)Hard (19 R)Medium (15 R)
VettelMedium (14 R)Medium (26 R)Hard (26 R)-

Die Mercedes-Strategie war somit voll aufgegangen und das Duell um den zweiten Platz entschieden. Verzeichnete Hamilton in der 31. Runde noch 1,7 Sekunden Rückstand auf Vettel, lag er in der 52. Runde trotz eines absolvierten Boxenstopps mehr 3,7 Sekunden voran. In weiterer Folge versuchte der Brite sogar noch, den Führenden Rosberg einzuholen, gab sechs Runden vor dem Ende des Rennens aber auf und fuhr den sicheren zweiten Platz nach Hause.

Drei Stopps für Vettel keine Option

Im Ferrari-Lager hatte man nach Hamiltons frühem zweiten Stopp geahnt, dass der Brite noch ein weiteres Mal kommen würde, sah aber davon ab, Vettel ebenfalls auf drei Stopps umzustellen. Doch wäre es nicht erfolgsversprechender gewesen, Hamiltons Strategie zu kopieren, um den zweiten Platz zu behaupten?

Motorsport-Magazin.com konfrontierte Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene nach dem Rennen mit dieser Frage. "Nein. Wir haben eine aggressive Strategie mit zwei Stopps versucht. Wenn wir auf drei Stopps gegangen wären, hätte sich nichts geändert", verwies der Italiener darauf, dass sich die Scuderia dieses Szenario durchgerechnet hatte, eine Änderung der Strategie jedoch keine Auswirkung auf Vettels Endplatzierung zur Folge gehabt hätte.

Der einzige taktische Spielraum, über den der Heppenheimer somit verfügte, war der Zeitpunkt seines zweiten Stopps. "Man hätte sich vielleicht streiten können, beim letzten Stint etwas früher reinzukommen, aber ich wollte auch nicht riskieren, gegen Ende des Rennens einzubrechen", meinte Vettel. "Im Nachhinein ist man immer etwas schlauer und sagt sich, ein, zwei Runden auf den abgefahrenen Reifen im mittleren Abschnitt hätte man sich sparen können."

Letztlich wäre dies aber wohl gleichgültig gewesen, da Hamilton über die wesentlich schnelleren Reifen verfügte und es vermutlich trotz der überholunfreundlichen Strecke geschafft hätte, an Vettel vorbeizugehen.