Flavio, wie sehen Sie die aktuelle Situation in der Formel 1?

Flavio Briatore Ich finde, wir sollten wieder mehr über die Formel 1 als Sport sprechen. In den Diskussionen ging es zuletzt immer nur um Finanzen und Bürokratie. Ich glaube aber nicht, dass es die Fans sonderlich interessiert, wie viel Geld wir ausgeben, oder wer wann das Concorde Agreement unterzeichnet. Sie wollen schlicht unterhalten werden. Im Moment unternehmen wir nichts, um unsere Kunden, die Öffentlichkeit, zufrieden zu stellen. Unser Sport lebt davon, Leute durch spannende Rennen zu unterhalten. Ich hoffe, dass sich jetzt endlich die Erkenntnis durchsetzt, dass dies letztlich unser aller Ziel sein muss – und das Einzige, auf das es wirklich ankommt.

Die Show zu verbessern, liegt Ihnen schon lange am Herzen…

Flavio Briatore: Die Forderungen des Publikums an uns sind denkbar einfach: Sie wollen ein gutes Rennen sehen. Unsere Hauptaufgabe ist es, Autos zu bauen, Rennen zu organisieren und dafür zu sorgen, dass Fahrer überholen können und bis zum letzten Grand Prix des Jahres gegeneinander um den Titel kämpfen. Es kommt nicht einmal darauf an, dass Fahrer aus demselben Team um die WM fahren – solange sie gegeneinander kämpfen dürfen. Ferrari hat das seinen Piloten in letzter Zeit nicht erlaubt.

Liegt die Schwierigkeit nicht auch darin, dass Ferrari in den vergangenen Jahren einfach viel stärker war als die Konkurrenz?

Flavio Briatore: Das sehe ich nicht so. In 2003 dominierte Ferrari keineswegs. Diese WM hat nicht die Scuderia gewonnen, sondern Williams und McLaren haben sich damals die Titel durch die Finger gleiten lassen. Im vergangenen Jahr besaß Ferrari ein unglaublich starkes Gesamtpaket: Reifen, Zuverlässigkeit und natürlich einen brillanten Michael Schumacher. Um sie zu besiegen, müssen wir nicht Ferrari einbremsen, sondern selber schneller werden und einen besseren Job machen. Und das fängt bei mir an.

Was halten Sie vom neuen Ablauf der Rennwochenenden in 2005?

Flavio Briatore: Für den Moment bin ich zufrieden. Aber ich halte es nicht für ideal: Ich fände es sinnvoller, den Freitag als Testtag zu definieren, das Qualifying am Samstag durchzuführen und Sonntag das Rennen zu fahren. Momentan testen wir zwischen den Grands Prix und geben eine Menge Geld aus, vor leeren Tribünen zu fahren. Wir müssen Publikum anziehen und auch aus den Tests Gewinn schöpfen, denn die jetzige Situation macht überhaupt keinen Sinn.

Sie müssen stolz darauf sein, was Sie mit Renault seit dem Wiedereinstieg 2000 erreicht haben?

Flavio Briatore: Das bin ich, doch wir wollen unseren Job auch zu Ende bringen. Die Formel 1 motiviert mich nach wie vor: Ich arbeite nun seit 16 Jahren im Grand Prix-Sport, und ich kann mir nur wenige Aufgaben vorstellen, die über einen so langen Zeitraum immer wieder neue Herausforderungen bringen. Als ich 2000 in Brasilien in das Team zurückkehrte, war es nicht einmal mehr ein Rennteam. Moral und Organisation befanden sich auf einem Tiefpunkt. Also mussten wir einiges aufbauen und verbessern. 2001 ging katastrophal los, doch wir konnten uns im Lauf der Saison steigern. Seitdem ging es kontinuierlich aufwärts. Im vergangenen Jahr wurden wir WM-Dritte, und mit Fernando haben wir ein Riesentalent entdeckt. Er besitzt nun viel Erfahrung und mit Giancarlo einen hungrigen Teamkollegen. 2005 wird ein wichtiges Jahr für uns, auf das wir uns kontinuierlich vorbereitet haben. Wir müssen uns weiter verbessern und ich will zu Ende führen, was ich angefangen habe – und das heißt, mindestens einen WM-Titel zu gewinnen.

Wie gut ein Formel 1-Team organisiert ist, zeigt sich letztlich auf der Rennstrecke. Glauben Sie, dass Renault F1 in diesem Jahr Ferrari herausfordern kann?

Flavio Briatore: Mit Sicherheit. Ich glaube, dass man Ferrari und Michael unter Druck setzen muss. Unter perfekten Voraussetzungen kann jeder Fahrer schnell sein, aber in der Vergangenheit konnten Piloten wie Damon Hill, Mika Häkkinen oder Jacques Villeneuve Druck auf Michael ausüben. Dann begann auch er, Fehler zu machen. Zum Wohle des Sports ist es an der Zeit, dass auch wir Ferrari herausfordern. Ich hoffe, dass Renault zu jenen Teams gehört, die das schaffen. Aber außer uns sollten auch McLaren, Williams, B•A•R und Toyota endlich zeigen, zu was sie in der Lage sind.