Malaysia 2.0 - das soll der China GP für Ferrari und Sebastian Vettel werden. Zwar konnte sich Vettel diesmal nicht zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg stellen, Platz drei sollte dennoch eine gute Ausgangsposition für den neuen Silberpfeil-Herausforderer sein. Motorsport-Magazin.com analysiert vor dem Rennen in Shanghai die Chancen auf die nächste Sensation - oder ob es überhaupt noch eine Sensation ist.

Im vergangenen Jahr beschäftigten wir uns im Favoritencheck hauptsächlich mit dem Duell Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg. Auch in Malaysia kämpfen natürlich in erster Linie Lewis Hamilton und Nico Rosberg um den Sieg. Deswegen darf auch der teaminterne Mercedes-Kampf nicht zu kurz kommen.

Lewis Hamilton hatte zwar das gesamte Wochenende die Nase vorne, als es im entscheidenden Qualifying-Segment dann um die Pole-Position ging, wurde es richtig knapp zwischen den beiden. "Deswegen gehe ich davon aus, dass er morgen ganz hart mit Lewis kämpfen wird", glaubt Niki Lauda. Trotzdem geht Hamilton als Favorit ins Rennen: Bessere Startposition, bessere China-Statistik, besseres Wochenende.

Aufgegeben hat Nico Rosberg aber noch lange nicht: "Für das Rennen bin ich guter Dinge. Ich habe das Setup auf das Rennen angepasst und das Rennen wird wegen der Reifen schwierig. Aber ich denke, es könnte klappen." Floskel oder tatsächlicher Vorteil? Weil beide Mercedes-Piloten am Freitag die Longrun-Arbeit aufteilten, lassen sich die Runs leider nicht miteinander vergleichen.

Lewis HamiltonNico Rosberg
Das spricht für...- Aktuelle Verfassung
- Bessere Startposition
- China-Statistik
- Bisheriges Wochenende
- Kam immer näher an Hamilton ran
Das spricht gegen...- Probleme mit Sitz
- Viele kleine Fehler am Wochenende
- Druck: Muss langsam gewinnen
- Hat auch Vettel im Nacken
- Ganzes Wochenende langsamer
- Tut sich aktuell generell schwer gegen Hamilton

Teaminterne Duelle sind war zwar spannend, allerdings halten wir es da mit Lewis Hamilton: Mehr Spaß macht es, gegen einen Fahrer in einem anderen Auto zu kämpfen. Das macht auch die Analyse spannender, weil die Voraussetzungen unterschiedlich sind. Und viele Voraussetzungen lassen sich an Zahlen ablesen.

Ferraris Trumpf: Die Reifen

Man muss nicht darüber nachdenken, was am Sonntag Ferraris große Chance sein kann. "Sie sind im Rennen viel stärker, weil sie so gut mit den Reifen umgehen", weiß nicht nur Toto Wolff. Viel stärker als Mercedes meinte Wolff übrigens nicht, sondern lediglich als im Qualifying. Das muss Ferrari auch sein, denn im Qualifying klaffte plötzlich eine Lücke von fast einer Sekunde.

Ferrari ist in China wieder etwas weiter weg, Foto: Sutton
Ferrari ist in China wieder etwas weiter weg, Foto: Sutton

Doch die neun Zehntelsekunden, die Vettel am Ende auf Hamilton fehlten, entsprechen nicht der Renn-Realität. Mercedes legte im Qualifying einmal mehr überproportional zu. "Ein erfolgreiches Rennen wird davon abhängen, ob wir die richtige Balance zwischen dem Speed und dem Umgang mit den Reifen finden", wirft Wolff ein. Denn auch in Malaysia war der Mercedes auf eine Runde schneller als der Ferrari.

Im Renntrimm sah es anders aus - nicht nur dank des Safety Cars und der unterschiedlichen Strategien, wie die Mercedes-Analysen ergeben haben. "Im Nachhinein ist man immer besonders schlau, aber man muss da aufpassen, weil wir die langen Runs wie Ferrari nicht hätten fahren können", muss Toto Wolff zugeben.

Viele Faktoren pro Mercedes

Die Frage lautet, ob Mercedes die richtigen Lehren daraus gezogen hat, oder ob der Ferrari auch in China das bessere Renn-Auto ist. Die Temperaturen kommen den Silberpfeilen sicherlich entgegen. Bislang schwankten die Temperaturen um 20 Grad. In Malaysia waren es noch 15 Grad mehr. Auch der Asphalt ist entsprechend kühler. Die Pirelli-Pneus schmelzen Mercedes nicht mehr unter der Felge weg.

Auch die Streckencharakteristik kommt Mercedes etwas entgegen. In Malaysia dreht sich alles um die Hinterreifen, auf dem Shanghai International Circuit kommt der Vorderachse mehr Bedeutung zu. Das mag der Mercedes. Kleine Gefahr: Am Sonntag soll es ein bisschen wärmer werden. "Das kann etwas verändern und gut für Ferrari sein", fürchtet Lauda.

Die Longruns vom Freitag bestätigen, dass Ferrari im Renntrimm definitiv näher an Mercedes dran ist. Auf den Medium-Reifen fuhren Rosberg und Räikkönen ähnliche Rundenzeiten. Beide fuhren nicht die konstantesten Runs, aber insgesamt lässt sich aus den Zeiten kein klarer Vorteil für einen der beiden ausmachen.

Auf den Soft-Reifen sieht es etwas anders aus: Hamilton war auf den Option-Reifen pro Runde etwa eine halbe Sekunde schneller als Vettel. Allerdings glichen sich die Rundenzeiten im Verlauf der Stints immer weiter an. Am Ende stiegen Hamiltons Zeiten stark an, mehr jedoch wegen Verkehr und kleiner Fehler als wegen stark abbauender Reifen.

Die schnellste Zweistopp-Strategie ist laut Pirelli-Berechnungen auf den Soft-Reifen loszufahren, in Runde 12 den zweiten Satz Mediums aufziehen und in Runde 27 auf den Medium zu wechseln. Der Option-Reifen müsste somit maximal 15 Runden halten - das schafft auch der Mercedes. Bei Hamiltons Longrun am Freitag hatte der Soft bereits zuvor drei Runden abgespult.

Und genau das ist Ferraris Problem: Eine Dreistopp-Strategie ist zwar rechnerisch eine Sekunde schneller, die Gefahr in den Verkehr zu geraten ist aber viel zu groß, um es für diese eine Sekunde zu riskieren. "Ich kann jetzt schon verraten, dass es ein Zwei-Stopp-Rennen wird", gibt auch Lauda offen zu. Auch wenn Ferrari mit dem Reifen besser umgeht als Mercedes, solange eine Zweistopp-Strategie für die Silberpfeile problemlos möglich ist, können Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen nicht davon profitieren.

Reifen-Strategie beim China GP

  • 3 Stopps eine Sekunde schneller als 2 Stopps
  • Gefahr bei 3 Stopps: Verkehr
  • Soft viel schneller als Medium
  • Schnellste 2 Stopp: Soft - Soft (12) - Medium (27)
  • Schnellste 3 Stopp: Soft - Soft (10) - Soft (25) - Medium (43)

Das bedeutet, dass Vettel auf der Strecke an beiden Mercedes vorbeigehen müsste. "Im Rennen könnte es enger werden, aber es gibt einen Unterschied zwischen näher dran zu sein und sie zu überholen", erkannte auch der vierfache Weltmeister folgerichtig.

Selbst wenn Vettel richtig nah an die Mercedes rankommen sollte, überholen wird schwierig. In allen Trainingssessions war Vettel zwar auf der Geraden schneller als die silberne Konkurrenz, allerdings reagierten die postwendend. Im Qualifying war Rosberg plötzlich der Schnellste auf der Geraden, Hamilton folgte auf Platz drei. Am Vormittag lagen die Silberpfeile noch auf den Plätzen fünf und zehn. Nur Windschatten? Unwahrscheinlich.

Topspeeds aus dem China Qualifying

Fahrer Team Motor Top-Speed
Nico RosbergMercedesMercedes334,6 km/h
Pastor MaldonadoLotusMercedes332,3 km/h
Lewis HamiltonMercedesMercedes332,1 km/h
Marcus EricssonSauberFerrari331,7 km/h
Sebastian VettelFerrariFerrari331,6 km/h
Felipe MassaWilliamsMercedes331,4 km/h
Felipe NasrSauberFerrari330,7 km/h
Valtteri BottasWilliamsMercedes330,7 km/h
Kimi RäikkönenFerrariFerrari330,6 km/h
Romain GrosjeanLotusMercedes330,3 km/h
Nico HülkenbergForce IndiaMercedes327,9 km/h
Sergio PerezForce IndiaMercedes326,5 km/h
Max VerstappenToro RossoRenault324,3 km/h
Daniil KvyatRed BullRenault322,9 km/h
Daniel RicciardoRed BullRenault321,1 km/h
Will StevensManorFerrari (2014)319,6 km/h
Carlos SainzToro RossoRenault319,5 km/h
Fernando AlonsoMcLarenHonda318,3 km/h
Roberto MerhiManorFerrari (2014)317,7 km/h
Jenson ButtonMcLarenHonda316,7 km/h

Am Start hat Vettel sicherlich die beste Chance, an einem Mercedes vorbeizugehen, auch wenn es von der Pole bis zum Scheitelpunkt der ersten Kurve nur 380 Meter sind. Die Schneckenkurve ist prädestiniert für spannende Kämpfe am Start. "Normalerweise hatte Ferrari immer sehr gute Starts", weiß Vettel. Dass es bei ihm in den ersten beiden Rennen nicht so gut funktioniert hat, führt er auf sich selbst zurück. "Hier sollten wir ein bisschen besser dastehen. Ich glaube, wir kommen ein bisschen besser zu recht, wenn es mehr Grip gibt."

Abgesehen davon, gibt es noch immer die Chance, Mercedes unter Druck zu setzten. Unter Druck passieren bekanntlich die meisten Fehler. "Sie hatten lange, lange keinen Druck, deswegen wird es mal Zeit, dass sie ein bisschen was auf die Ohren kriegen", verspricht Vettel.

Aber auch hier hat Mercedes aus Malaysia gelernt. Bislang war bei der Mercedes-Strategie die Gleichbehandlung der Fahrer immer oberste Prämisse. Der Rennverlauf war da egal, weil hinter Mercedes ersteinmal lange nichts kam. "Egal können wir nicht mehr sagen, weil wir den Spielraum nicht mehr haben", erklärt Toto Wolff. "Wenn es nicht mehr ganz klar ist, was die richtige Strategie ist, dann werden wir splitten, damit man keinen Fehler macht."

Kann Williams mithalten? Was ist mit Red Bull?

Williams muss auf Red Bull aufpassen, Foto: Sutton
Williams muss auf Red Bull aufpassen, Foto: Sutton

Beide Williams konnten sich im Qualifying vor Kimi Räikkönen schieben. Und der fährt schließlich auch einen Ferrari. Williams erwartet selbst, mit Ferrari mithalten zu können. Allerdings gilt eine Sache auch für Williams. "Nicht nur Mercedes-Mercedes, sondern alle Fahrzeuge mit Mercedes-Motor", meint Sebastian Vettel, können im Qualifying noch eine Schippe drauflegen.

Red Bull hat einen Schritt gemacht, Foto: Sutton
Red Bull hat einen Schritt gemacht, Foto: Sutton

Im Rennen wird es schwierig für Williams, mit den Roten mitzuhalten. Das hat sich auch schon in Melbourne gezeigt, als das Qualifying-Bild ähnlich war. Die Freitags-Longruns bestätigen das: Williams fehlt auf Ferrari ein Stück. Außerdem hat Ferrari neben Mercedes als einziges Team noch einen Satz frischer Softs.

Williams muss sich eher umsehen, dass Red Bull nicht von hinten kommt. Denn die Österreicher haben deutlich zugelegt. Deren Reifenverschleiß sollte geringer sein und der Renault-Motor ist im Renntrimm kein ganz so großes Handicap wie auf anderen Strecken, weil der Benzinverbrauch in Shanghai nicht kritisch ist.

Fazit: Kann Ferrari Mercedes auch in China aus eigener Kraft schlagen? Es sieht nicht wirklich danach aus. Mercedes hat die Kampfansage verstanden und nicht nur neue Teile gebracht. Auch Abstimmung und Rennstrategie werden jetzt vermehrt nach der nicht-silbernen Konkurrenz ausgelegt. Das macht es für Ferrari schwieriger. Aber bei gewissen Umständen nicht unmöglich.