Sauber ist mit seinem Einspruch gegen den Cockpitzuspruch an Giedo van der Garde vor Gericht abgeblitzt. In der Berufungsverhandlung am Donnerstag bestätigten die Richter des Victoria Supreme Courts das bestehende Urteil, dass der Niederländer ein Recht auf einen Platz in einem der beiden Sauber-Boliden beim Saisonstart in Melbourne hat.

Van der Garde hatte seinen Platz, der ihm vertraglich von Sauber zugesichert worden war, erfolgreich eingeklagt. Der Schweizer Rennstall sah für diese Saison allerdings die Piloten Felipe Nasr und Marcus Ericsson vor, die ebenfalls über gültige Verträge mit dem Team verfügen. Welche zwei dieser drei Piloten am Sonntag im Cockpit sitzen werden, ist derzeit noch unklar. Fakt ist hingegen, dass Sauber die Kosten als unterlegene Partei die Kosten dieses Rechtsstreits zu tragen hat.

Zuspruch von Kollegen

Ex-Sauber-Pilot Sergio Perez lobt den Schritt van der Gardes. Seiner Meinung nach seien Fahrer in der Formel 1 zu lange wie Dreck behandelt worden. "Manchmal hört man in der Formel 1 Storys von Fahrern, die Verträge mit Teams haben und einfach ausgebootet werden, oder denen Geld für drei oder vier Jahre geschuldet wird. Egal ob Fahrer, Mechaniker oder Ingenieur: Wir alle brauchen diese Welt zum Leben, und da sollte man fair miteinander umgehen. Wenn es einen Vertrag gibt, müssen beide Seiten ihn einhalten." Dass ausgerechnet Monisha Kaltenborn als Anwältin es habe so weit kommen lassen, wollte er nicht kommentieren. "Dazu bin ich nicht in der richtigen Position."

Auch Nico Hülkenberg, der ein Jahr lang für das Sauber-Team gefahren ist, kann es kaum fassen, wie sein Ex-Team mit den Fahrern umgesprungen ist. "Traurig, enttäuschend. Ein riesiges Chaos", so seine Reaktion. Die Gesamtsituation der Formel 1 und insbesondere der krisengebeutelten Teams will er dabei nicht als Entschuldigung gelten lassen: "Man kann die Situation des Sports nicht als Entschuldigung nutzen, um so zu handeln und solche Sachen zu machen. Das ist glaube ich kein Geschäftsgebaren."

Team vs. Fahrer nicht sinnvoll

Felipe Massa gab sich hingegen etwas zurückhaltender. "Ich verstehe nichts von dem, was gerade passiert." Der Brasilianer hält es aber für keine gute Idee, Van der Garde tatsächlich ins Cockpit zu setzen. Zu vergiftet sei die Atmosphäre zwischen dem Piloten und dem Rennstall mittlerweile. "In meiner Position würde ich niemals für ein Team fahren wollen, das mich nicht im Auto haben will. Vielleicht hätte ich das versucht, als ich noch jünger war."

Red Bulls Teamchef Christian Horner sieht das ähnlich: "Die Stimmung ist wohl nicht gerade gut. Es würde damit enden, dass ein Anwalt der Ingenieur des Autos ist", scherzte der Brite. "Es ist klar, dass es ein Problem gibt. Wen immer sie letztlich fahren lassen, einer wird traurig sein. Ich hoffe nur, sie kommen zu einem Ergebnis, bevor wir morgen alle losfahren."

Sauber baut seine Autos auf - nur für wen?, Foto: Sutton
Sauber baut seine Autos auf - nur für wen?, Foto: Sutton

Van der Garde kein Sicherheitsrisiko

Einen Haken hat die Sache allerdings noch. Van der Garde verfügt aktuell über keine F1-Superlizenz für das Jahr 2015, da diese zu spät beantragt wurde. "Die Sicherheits-Abteilung in Genf befasst sich nun damit", erklärte FIA-Renndirektor Charlie Whiting zu diesem Thema.

Sauber hatte vor dem ersten Urteil zudem das Argument der Sicherheit in den Raum geworfen. Van der Garde war 2015 noch kein einziges Mal mit dem C34 unterwegs, kenne den Boliden daher nicht und dieser sei zudem auf die Bedürfnisse von Marcus Ericsson und Felipe Nasr zugeschritten. Diese Erklärung wollte das Gericht allerdings nicht gelten lassen. "Diese Veranstaltungen sind in hohem Maße reguliert", so der Richter. "Wir gehen von der Annahme aus, dass alle Aufsichtsbehörden sicherstellen, dass allen Sicherheitsanforderungen entsprochen wird."

Mit dem Sicherheitsargument zeigten sich auch einige Befragte im Paddock nicht einverstanden. "Die Sicherheit ist immer eine Sorge im Motorsport", erklärte beispielsweise Jenson Button und fügte hinzu. "Wir sollten damit nicht leichtfertig umgehen. Ich denke, es ist unfair, es gegen Giedo zu verwenden."

Red-Bull-Teamchef Horner ging mit der Argumentation ebenfalls nicht konform und verwies auf Manor Marussia. "Dieses Wochenende steigen zwei Jungs in ein Auto ein, das in diesem Jahr bisher noch nicht einmal gefahren ist", bezog er sich auf Roberto Merhi und Will Stevens. "Deshalb finde ich, dass das ein sehr schwaches Argument ist."

Rechtsstreit geht weiter

Das letzte Kapitel in der Posse rund um den Cockpitstreit mit Sauber ist noch nicht geschrieben. Am Freitag kommt es zu einer weiteren Verhandlung. Van der Garde droht mit einer Zwangsvollstreckung des Urteils, sollte Sauber ihm den rechtmäßig zugesprochenen Platz nicht freiwillig einräumen.

Sauber muss zu diesem Grund eine Liste mit allen nach Melbourne gebrachten Aktiva des Teams an das Gericht senden, damit die Richter sich für eine eventuelle Exekution samt Beschlagnahmung bei Sauber wappnen können. In diesem Fall könnten rennnotwendige Gegenstände eingezogen werden, sodass Sauber überhaupt nicht am Australien GP teilnehmen kann. Die Verhandlung am Freitag findet nur zwei Stunden vor Beginn des ersten Trainings statt.

Für Monisha Kaltenborn könnte die Causa auch noch ein Nachspiel haben. Van der Gardes Anwalt wirft ihr eine Verschleppung des Verfahrens vor und erhebt den Vorwurf der Rufschädigung. Kaltenborn hatte es als "Sicherheitsrisiko" bezeichnet, sollte Van der Garde im Cockpit sitzen. Eingebracht sind derartige Klagen bislang aber noch nicht.