1. Was konkret wurde beschlossen?

"Anhand der Daten können wir sehen, dass du in Kurve fünf zu sehr über den Kerb fährst und dadurch Zeit verlierst." Diese Art von Funksprüchen vermittelte vielen Fans das Gefühl, dass die Fahrer nicht mehr selbst Herr ihres Autos sind, sondern nur noch von der Boxenmauer über den Kurs gelotst werden. Aus diesem Grund hat die FIA Performance-Funksprüche nun verboten.

Grundlage der Entscheidung ist der Paragraph 20.1 des sportlichen Reglements in dem es wörtlich heißt: "Der Pilot muss das Auto allein und ohne fremde Hilfe fahren." Um diesem Paragraphen gerecht zu werden, dürfen die Ingenieure in Zukunft keine Performance-Informationen mehr über Funk geben. "Daher sind Funksprüche von der Boxengasse an den Fahrer nicht erlaubt, die Informationen über die Performance des Autos oder des Fahrers enthalten", erklärte FIA-Renndirektor Charlie Whiting.

Zukünftig werden die Knöpfe deutlich weniger aktiviert, Foto: Sutton
Zukünftig werden die Knöpfe deutlich weniger aktiviert, Foto: Sutton

2. Was genau ist ein Performance-Funkspruch?

Der Fahrer darf über Funk keine Informationen mehr erhalten, die das Fahrverhalten des Autos beeinflussen. Das betrifft in erster Linie bekannte Ansagen wie Zeitverlust in speziellen Kurven oder falsches Schalten. Gleichzeitig sind aber auch Aussagen zum Spritverbrauch oder Reifenverschleiß untersagt. Derartige Informationen sollen die Fahrer künftig von ihrem Lenkrad-Display ablesen. Ebenfalls verboten sind Hinweise zu Einstellungen am Motor, des Drücken des 'Überholknopfes' oder Informationen zum Aufwärmen der Reifen in der Einführungsrunde.

Nicht unter die Kategorie Performance fallen Ansagen zu den Boxenstopps. Damit dürfen die Ingenieure auch weiterhin funken, wann der Fahrer zum Reifenwechsel an die Box abbiegen soll. Ebenfalls weiterhin erlaubt sind Funksprüche zum Thema Teamorder, da sie nicht der besseren Fahrbarkeit des Autos dienen. Aus diesem Grund bleibt es auch weiterhin in Ordnung, Informationen zum aktuellen Verkehr auf der Strecke an den Piloten weiterzugeben.

Bereits in Singapur sind die Fahrer selbstverantwortlich, Foto: Sutton
Bereits in Singapur sind die Fahrer selbstverantwortlich, Foto: Sutton

3. Wann tritt die neue Regel in Kraft?

Performance-Funksprüche waren in Monza zum letzten Mal zu hören. Bereits ab dem kommenden Rennen in Singapur sind sie verboten. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Am Donnerstag vor dem Rennen treffen sich die Teamchefs zu ihrem normalen Meeting. Oberster Punkt auf der Tagesordnung: Die genaue Definition von 'Performance-bezogen'.

Im Gegensatz zu beispielsweise den DRS-Regeln gilt dieses Funkspruchverbot aber nicht nur im Rennen. Es ist den Ingenieuren in allen Sessions des Rennwochenendes verboten, ihrem Fahrer Performance-Informationen via Funk zu geben.

4. Welche Strafen drohen den Teams bei Missachtung?

Oberste Priorität hat zunächst, genaue Richtlinien zu erstellen, welche Funksprüche erlaubt und welche verboten sind. Im Falle eines Vergehens wird der normale Rechtsweg bestritten. Das Team/der Fahrer verstößt gegen den Paragraph 20.1 des sportlichen Reglements und steht "under investigation". Die Sportkommissare müssen eine Entscheidung treffen. Ob diese Fälle mit einer Zeit-, Stopp/Go- oder nur einer Geldstrafe geahndet werden, oder ob unterschiedliche Schweregrade möglich sind, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch offen. Klar scheint aber: Eine Verwarnung im Vorfeld wird es nicht geben.

Den Verantwortlichen bleibt nichts verborgen, Foto: Sutton
Den Verantwortlichen bleibt nichts verborgen, Foto: Sutton

5. Wie beobachtet die FIA die Funksprüche?

Die Funksprüche, die der Fan letztlich am TV zu hören bekommt, sind nur speziell von der Regie ausgewählte Beispiele. Die FIA hat Zugriff auf alle Funksprüche aller Teams. Sie werden aufgezeichnet und permanent überwacht. So kann jeder noch so kleine Performancehinweis gehört und im Zweifelsfall auch wiederholt abgespielt werden.

Adrian Sutils Sauber-Lenkrad ist mit einem großen LCD-Display ausgestattet, Foto: Sutton
Adrian Sutils Sauber-Lenkrad ist mit einem großen LCD-Display ausgestattet, Foto: Sutton

6. Welche Probleme können durch die neue Regel entstehen?

Die größte Schwierigkeit wird die klare Definition dessen, was letztlich wirklich verboten ist. Ein mögliches Beispiel: Sollte ein Fahrer regelmäßig über einen Kerb räubern und Gefahr laufen, sich einen fatalen Reifenschaden zuzuziehen: Gilt diese Anweisung des Ingenieurs dann als wichtige Sicherheitsinformation oder als Hinweis zum Reifenverschleiß? Gleichzeitig könnten derartige Funksprüche von Teams missbraucht werden, um ihrem Fahrer versteckt Informationen zuzustecken. Es bleibt nur abzuwarten, bis die ersten Codes oder versteckte Hinweise über den Funk transportiert werden.

Red Bull setzt auf deutlich weniger Hightech, Foto: Sutton
Red Bull setzt auf deutlich weniger Hightech, Foto: Sutton

Es wäre nicht das erste Mal, dass die FIA mit einer Regel vorprescht und die Strukturen noch nicht klar definiert sind. Hier muss - allem voran im Meeting der Teamchefs vor dem Singapur GP - ein klare Regelung getroffen werden.

Zudem sind nicht alle Teams technisch auf diese Änderung vorbereitet. Während die Lenkräder der meisten Fahrer einem Tablett gleichen, setzen andere Teams auf weniger Hightech. So verfügen beispielsweise Williams oder Red Bull nicht über die neuen LCD-Displays, die die Fahrer künftig ausschließlich über Benzinverbrauch informieren sollen.

7. Was sagen die Fahrer dazu?

Wir alle kennen Kimi Räikkönens legendären Funkspruch während des Abu Dhabi GP: "Leave me alone, I know what I'am doing." Wie der Finne fühlen sich - speziell seit der Saison 2014 - viele Fahrer im Cockpit von Informationen geradezu überfrachtet. "Ein paar Einsparungen wären ganz gut. Da hätte ich nichts dagegen. Aktuell ist es sehr kompliziert", verriet Sauber-Pilot Adrian Sutil Motorsport-Magazin.com in Monza.

Kimi Räikkönen wird dankbar sein, dass der kleine Mann in seinem Ohr Sendepause hat, Foto: Sutton
Kimi Räikkönen wird dankbar sein, dass der kleine Mann in seinem Ohr Sendepause hat, Foto: Sutton

Diese Meinung teilt auch Pastor Maldonado, der die nicht endende Kommunikation per Funk nicht gutheißt. "Ich mag es ehrlich gesagt nicht besonders. Ich konzentriere mich lieber auf das Fahren, denn das ist es, was ich machen will", verriet er Motorsport-Magazin.com. Wie die Fahrer aber letztlich damit umgehen, plötzlich alles zum Thema Performance neben dem Rennfahren regeln zu müssen, wird sich erst in Singapur wirklich zeigen.