Der Österreich GP steht vor der Tür. Während sich Fans und Verantwortliche grenzenlos über die Rückkehr des Klassikers im Rennkalender freuen, stehen die Ingenieure vor einer großen Herausforderung. Weil die Formel 1 zum letzten Mal 2003 in der Alpenrepublik gastierte, gibt es quasi keine relevanten Daten.

Lediglich die Aufzeichnungen der Ideallinie helfen den Ingenieuren. "Wir haben Informationen über die Ideallinie, was natürlich die Genauigkeit unserer Simulation verbessert. Im Gegensatz dazu ist es auf einer ganz neuen Strecke viel komplizierter, weil wir erst eine Ideallinie simulieren müssen, um weitere Simulationen machen zu können", so Lotus Technikdirektor Nick Chester.

Speziell die Motoren-Ingenieure stehen vor einer großen Herausforderung: Bei Renault wurde für die Vorbereitung auf Spielberg die doppelte Zeit benötigt. Vor allem die Energierückgewinnung wird aus Motorensicht der Schlüsselfaktor auf dem Red Bull Ring sein. Auf den vier mittellangen Geraden ist Power gefragt.

Doch die MGU-K kann nur an drei Stellen die Batterie wirklich laden. Im Infield stehen die Piloten nur kurze Zeit auf der Bremse. Die Anforderungen an die Power Unit sind ähnlich wie vor zwei Wochen in Montreal, doch die beim Bremsvorgang eingespeiste Energie ist deutlich geringer. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der MGU-H besondere Bedeutung zukommt.

"Die MGU-K muss aber dem Verbrennungsmotor Leistung liefern, also wird die effiziente Nutzung der wenig rekuperierten Energie sehr wichtig sein", weiß Renault Motorenchef Remi Taffin. Hier kommt die MGU-H ins Spiel: Sie schaltet sich auf den langen Geraden hinter den Turbolader. Das erhöht zwar den Widerstand am Turbolader und sorgt somit für einen höheren Abgasgegendruck, funktioniert aber wie ein Dynamo.

Die gewonnene elektrische Energie wird nicht gespeichert, sondern direkt an die MGU-K, also als Mehrleistung an die Hinterräder abgegeben. Allerdings droht hier schon das nächste Problem. Ähnlich wie Interlagos liegt die Strecke in der Steiermark ebenfalls recht hoch. Knapp 700 Meter über dem Meeresspiegel wird in Österreich gefahren.

Das bedeutet dünnere Luft und entsprechend weniger Sauerstoff auf eine Volumeneinheit. Was in der Vergangenheit schlichtweg zu einem Leistungsverlust geführt hat, hat bei Turbomotoren keine direkten Auswirkungen auf die Leistung. Denn ein Turbolader macht nichts anderes, als Luft zu verdichten. Somit ist immer sichergestellt, dass die gleiche Menge Verbrennungsluft in den Kammern landet.

Turbolader-Teufelskreis

Allerdings muss sich dazu das Verdichterrad schneller drehen. Gleichzeitig sammelt aber die MGU-H Energie - ein Teufelskreis. "Wir sind hier sehr nah am Limit der Hardware", gesteht Taffin. Auf Prüfständen konnten die Bedingungen allerdings schon simuliert werden. "Es gibt aber eine ganze Menge an Herausforderungen, welche die Power Unit an ihre Limits treibt."

Speziell bei der Energierückgewinnung durch die MGU-H soll Renault große Defizite vorweisen, sie gilt als Mercedes' Paradedisziplin. Taffin bleibt aber zuversichtlich: "Der Sieg in Kanada treibt uns an und hat uns die Bestätigung gegeben, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber wir haben noch immer einen weiten Weg zu gehen, bevor wir unter normalen Umständen [um Siege] mitkämpfen können."