Es ist das Duell des Jahres: Nico Rosberg gegen Lewis Hamilton. Mercedes dominiert das Geschehen in der Formel 1 seit dem Saisonbeginn nach Belieben, und es bleibt eigentlich nur noch die Frage: Welcher Silberpfeil hat am Ende die Nase vorn? Zuletzt konnte Rosberg mit seinem Triumph in Monaco die Siegesserie seines Teamkollegen stoppen und das Momentum - und die Gesamtführung - zurückerobern.

Nun blickt die Motorsportwelt gespannt nach Kanada, wo es am kommenden Wochenende zum nächsten Showdown der Silberpfeile kommt. Trotz Hamiltons beeindruckender Montreal-Bilanz mit drei Siegen lässt sich überhaupt nicht abschätzen, wer diesmal die Nase vorn hat. Es sind Nuancen, die Rosberg und Hamilton unterscheiden - gleichzeitig welche, die am Ende den Unterschied im Kampf um den Titel ausmachen können.

Duell auf Augenhöhe: Nico Rosberg gegen Lewis Hamilton, Foto: Sutton
Duell auf Augenhöhe: Nico Rosberg gegen Lewis Hamilton, Foto: Sutton

Kleinigkeiten können den Unterschied machen

Motorsport-Magazin.com unterhielt sich mit Heinz-Harald Frentzen über die aktuelle Situation bei Mercedes und das brisante Teamduell. Der Vize-Weltmeister von 1997 weiß aus eigener Erfahrung, dass die Unterschiede auf beiden Seiten der Garage manchmal nur marginal sind, am Ende aber den Ausschlag geben. "Das kann aus Kleinigkeiten heraus entstehen", so Frentzen. "Der Unterschied kann etwa aus der Zusammenarbeit zwischen dem Fahrer und seinem Renningenieur bestehen. Ich hatte mal einen Renningenieur, mit dem ich mich blind verstanden habe. Es gab aber auch welche, mit denen es nicht so gut geklappt hat. An solchen Situationen entscheidet sich manchmal der Titel."

Vom reinen Speed her nehmen sich Rosberg und Hamilton in den Rennen nicht viel. Im Qualifying liegt der Brite aktuell vorn, viermal startete er in diesem Jahr von der Pole Position. Rosberg kommt auf zwei Poles. "Lewis ist ein schneller Hund, für mich der schnellste Rennfahrer in der Formel 1", so Frentzen. "Für mich übertrumpft er sogar Fernando Alonso. Lewis setzt sich ins Auto und fährt einfach los: Vom reinen Talent her ist er für mich die Nummer 1." Rosberg müsse sich aber keineswegs verstecken. Frentzen: "Nico ist auch superstark. Wir sprechen hier von Hemisphären, in denen die Luft sehr dünn ist."

Hamilton saß Rosberg auch in Monaco im Nacken, Foto: Sutton
Hamilton saß Rosberg auch in Monaco im Nacken, Foto: Sutton

Duelle auf mentaler Ebene

Dünne Luft gab es zuletzt mehrfach zwischen den beiden dominanten Silberpfeilen, als Rosberg in Monaco Hamilton im Qualifying behindert haben soll, und dieser nach Rosbergs Sieg den Handschlag verweigerte. Am Samstag versuchte Hamilton zu schlichten und verkündete via Twitter, dass zwischen beiden alles gut sei. Dass das Stallduell aber auch auf psychischer Ebene geführt wird, dürfte inzwischen kein Geheimnis mehr sein. Nie standen die Chancen auf den Titel besser - entsprechend motiviert gehen die beiden Kontrahenten auch abseits der Strecke zu Werke.

"Ich möchte jetzt nicht für Lewis oder Nico sprechen, aber es gibt schon Situationen, in denen der Fahrer aus mentalen Gründen nicht das bringt, was er bringen könnte", gab Frentzen einen Einblick in die Psyche der Rennfahrer. Auf einen persönlichen Titelfavoriten wollte sich der dreimalige Grand-Prix-Sieger nicht festlegen: "Ich traue es beiden zu. Jeder hat auf seine Art das Zeug dazu. Beide fahren einfach klasse."

Aktuell hat Rosberg Oberwasser, führt er die Gesamtwertung doch wieder an. Allerdings nur mit einem hauchdünnen Vorsprung von vier Punkten auf Hamilton, der noch immer an seinem Ausfall in Australien zu knabbern hat und dem Rückstand lange Zeit hinterherlief. Derzeit erweckt es nicht den Eindruck, dass einer der beiden Mercedes wegen technischen Problemen ins Hintertreffen geraten könnte - trotz all der neuen Technik läuft der F1 W05 wie ein Uhrwerk.

San Marino, 1997: Frentzens erster Formel-1-Sieg, Foto: Sutton
San Marino, 1997: Frentzens erster Formel-1-Sieg, Foto: Sutton

Kein Vergleich zu Frentzens Lage

Bei Frentzen sah das damals anders aus. In seinem Vizetitel-Jahr 1997 musste er sich seinem Williams-Teamkollegen Jacques Villeneuve unterordnen, nachdem der Kanadier zwei der ersten drei Rennen gewonnen hatte. Frentzen hatte zu diesem Zeitpunkt noch null Punkte auf dem Konto, bis es beim vierten Lauf in San Marino mit dem ersten F1-Sieg klappte. "Wenn man zwei, drei Ausfälle hat, ist man automatisch nicht mehr in der Position", so Frentzen. "Dann bist du der Wasserträger, ganz einfach."

Unwahrscheinlich, dass es bei Rosberg und Hamilton in den kommenden Wochen zu einer ähnlichen Situation kommt. Beide liegen etwa gleichauf und ein Ende des engen Duells ist nicht abzusehen. "In so eine Situation werden die beiden nicht kommen", war Frentzen überzeugt. "Die werden um die Meisterschaft fahren. Das kann man nicht mit meiner Zeit vergleichen. Weltmeister wird der, der am konstantesten fährt." Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hatte kürzlich erst wieder klargestellt, dass es keine Teamorder geben werde. Rosberg und Hamilton dürfen demnach frei miteinander kämpfen - solange es nicht zu Zwischenfällen kommt.