Das erste Rennen der neuen Turbo-Formel-1 ist Geschichte. Zurück bleiben reichlich Diskussionsstoff und viele neue Erkenntnisse. Motorsport-Magazin.com analysiert die Tops und Flops des Melbourne-Wochenendes.

Top: Nico Rosberg

Wer sonst als der überlegene Rennsieger und erste WM-Leader 2014 könnte einen Platz unter den Tops für sich beanspruchen? Nach einem Fehler im Qualifying nur von Rang drei gestartet, kassierte Rosberg von der besseren Streckenseite zunächst Red Bulls Daniel Ricciardo. Nur wenig später schnappte er sich dann auch noch den durch einen defekten Zylinder gehandicapten Teamkollegen Lewis Hamilton. Einmal in Führung, ließ der Sohn von Ex-Weltmeister Keke Rosberg in seinem F1 W05 die Muskeln spielen und riss schnell eine Lücke zum Rest des Feldes. Auch als der Einsatz des Safety Cars ihn seines Vorsprungs beraubte, behielt Rosberg im Wissen der eigenen Stärke einen kühlen Kopf. Gut eine Sekunde pro Runde nahm er der Konkurrenz anschließend ab und siegte im Schongang mit rund einer halben Minute Vorsprung. Bravo Nico. Das war beeindruckend!

Top: Kevin Magnussen

Kevin Magnussen (r.) strahlte bereits nach seinem ersten Rennen vom Podium der Formel 1, Foto: Mercedes AMG
Kevin Magnussen (r.) strahlte bereits nach seinem ersten Rennen vom Podium der Formel 1, Foto: Mercedes AMG

Danish Dynamite hat in der Formel 1 wieder eine Bedeutung! McLaren-Sensations-Rookie Kevin Magnussen kochte bei seinem Königsklassen-Debüt direkt einen Großteil der Weltspitze ab und erbte durch die Disqualifikation von Ricciardo gar noch den zweiten Rang. Damit schlug er nicht nur Teamkollege und Ex-Weltmeister Jenson Button, sondern toppte zudem noch den Rekord von Lewis Hamilton, der bei seinem ersten Rennen für McLaren 2007 auf Rang drei in Australien fuhr. Nach starkem Qualifying von Platz vier gestartet, profitierte Magnussen zunächst von Hamiltons Ausfall, zeigte anschließend jedoch ein Rennen nahe der Perfektion. Fehlerfrei hielt er sich stets in der Spitze und trug somit dazu bei, dass Traditions-Rennstall McLaren nach dem Dürrejahr 2013 nun der erste Leader der Konstrukteurs-WM ist.

Top: McLaren-Strategie

Ein Doppel-Podium zum Saisonauftakt - das ist selbst für ein Team wie McLaren aller Ehren wert. Dieser Gedanke bestätigt sich umso mehr, bedenkt man den zehnten Startplatz für Button und dessen leicht hilflosen Auftritt bis zur Safety-Car-Phase. Nachdem Button augenscheinlich zu langsam war, sich aus eigener Kraft durch das Feld zu kämpfen, führte McLaren durch einen Geniestreich die Wende herbei. Fast schon an der Box vorbei, rief das Team den Ex-Weltmeister quasi in letzter Sekunde herein. Dieser reagierte blitzschnell, schaffte durch einen geistesgegenwärtigen Schlenker gerade noch die Boxeneinfahrt innerhalb der legalen Markierung und sicherte sich so den entscheidenden Vorteil gegenüber vielen Konkurrenten. Als Vierter ins Ziel gekommen, profitierte auch Button schließlich von Ricciardos Disqualifikation.

Top: Daniil Kvyat

Daniil Kvyat strahlt über beide Ohren: Er hält nun den Rekord für den jüngsten Fahrer in den Punkten, Foto: Sutton
Daniil Kvyat strahlt über beide Ohren: Er hält nun den Rekord für den jüngsten Fahrer in den Punkten, Foto: Sutton

Der Auftritt in Melbourne des erst 19-jährigen Russen in Diensten Toro Rossos glich schlichtweg einer Sensation. Als einer der Renault-Motorenkunden während der Testsaison deutlich gehandicapt, brachten Kvyat wie auch sein Teamkollege Jean-Eric Vergne den STR9 sensationell in Q3 und somit unter die besten zehn Startplätze. Im Rennen erreichten beide Fahrer nach fehlerfreien und starken Auftritten die Punkte und sorgten somit für einen perfekten Saisonauftakt der kleinen Red-Bull-Schwester. Dank der Disqualifikation Ricciardos hatte Kvyat anschließend dreifachen Grund zur Freude. Mit 19 Jahren, 10 Monaten und 18 Tagen ist er nun der jüngste Fahrer aller Zeiten, der jemals Punkte in der Formel 1 holte. Einen Rekord, den zuvor Vierfach-Weltmeister Sebastian Vettel innehatte...

Top: Valtteri Bottas

Mit Rang fünf in Melbourne erzielte Valtteri Bottas bereits im ersten Rennen der neuen Turbo-Ära das beste Ergebnis seiner noch jungen Formel-1-Karriere. Nach lediglich einer Punkteankunft in der Vorsaison scheint Bottas dieses Jahr ein besseres Schicksal vergönnt - nicht zuletzt dank der Wiederauferstehung Williams' mit der Mercedes-Power-Unit. Von Rang fünfzehn aus ins Rennen gestartet, pflügte Bottas von Beginn an durchs Feld und sah als einer der Favoriten für das Podium aus, ehe er sich mit einem 'Mauerkuss' jeglicher Chance beraubte. Zwar hatte er nach seinem Fehler auch noch das Glück, dass er in der durch ihn verursachten Safety-Car-Phase beim Reifenwechsel und Checken der Hinterradaufhängung wenig Zeit verlor. Allerdings brillierte er mit erneuter Freigabe des Rennens derart, dass angesichts seines couragierten Auftrittes dennoch kein Weg an Bottas in den Tops vorbeiführt.

Flop: Lotus

Null Punkte und zwei Ausfälle sprechen eine deutliche Sprache. Lotus ist derzeit mehr als nur eine Flugreise ans andere Ende der Welt vom Status des Top-Teams der vergangenen beiden Jahre entfernt. Die Freien Trainings mit Pleiten, Pech, Pannen und Fahrfehlern glichen bei Romain Grosjean und Pastor Maldonado einem Desaster - die beiden letzten Startplätze für das Rennen potenzierten das Leid noch einmal. Im Rennen zeigte sich Lotus äußerst unauffällig. Selbst als die Safety-Car-Phase beide Boliden zumindest in die Nähe der Punkte brachte, bestand nie eine reelle Chance auf Zählbares. Der Ausfall beider Boliden mit Problemen an MGU-K war nur die vertrocknete Kirsche auf einer sowieso ranzigen Sahnehaube.

Flop: Red Bull

Auf die Freude folgte bei Red Bull große Ernüchterung, Foto: Sutton
Auf die Freude folgte bei Red Bull große Ernüchterung, Foto: Sutton

Obwohl die Auferstehung der Bullen mit Rang zwei Ricciardos wohl das endgültige Ende der Krise für den Vierfach-Weltmeister bedeutet hätte, findet sich das Team mit 0 Punkten nach einem Rennen in den Flops des Wochenendes wieder. Die Probleme an Vettels Boliden sind dabei nur ein kleinerer Minuspunkt, denn hauptsächlich darf wohl die Software Renaults für das Ungemach an dessen 'Suzie' verantwortlich gemacht werden. Viel schwerwiegender ist jedoch die Disqualifikation Ricciardos. Obwohl die FIA Red Bull während des Rennens aufforderte, den zu hohen Benzinfluss nach unten zu regulieren, weigerte sich das Team - im Glauben im Recht zu sein. Christian Horner verteidigte die Entscheidung zwar damit, dass die Leistung des Motors sonst deutlich nach unten gegangen wäre und der Durchfluss zudem legal gewesen sei. Jedoch bedeutete die Widersetzung letztlich einen klaren Regelbruch, weswegen das Weltmeisterteam nun ohne Zählbares dasteht. Der Formel 1 droht durch den Einspruch Red Bulls nun möglicherweise die erste peinliche Posse des Jahres.

Flop: Ferrari

Mit den Rängen vier und sieben für Fernando Alonso und Kimi Räikkönen erlebte Ferrari alles andere als einen Start nach Maß. Zwar erwies sich das Auto als äußerst zuverlässig, allerdings fehlt es dem F14 T vor allem gegenüber der Konkurrenz mit Mercedes-Power-Unit klar an Kraft und Geschwindigkeit. Was nun deutlich wurde: Die Leistungen der Mythosmarke bei den Testfahrten waren entgegen vieler Meinungen keinesfalls nur ein Bluff. Der Rennstall aus Maranello muss sich deutlich steigern, soll der WM-Kampf an beiden Fronten nicht bereits früh in der Saison aus den Augen verloren werden. Viele der schnelleren Kontrahenten leiden zwar derzeit noch an Zuverlässigkeitsproblemen. Diese sind jedoch einfacher zu beheben, als ein langsames aber standfestes Auto schnell zu machen, wie Weltmeister Sebastian Vettel konstatierte. Der Druck auf Ferrari steigt also bereits früh...

Flop: Sound

Ob an der Strecke oder vor den TV-Geräten: Die Beschwerdewelle über den neuen 'Staubsauger-Sound' der hybriden Turbo-Formel 1 reißt nicht ab. Zu leise, zu viel pfeifen, zu viel Gequietsche. Die Entrüstung über die verlorengegangene einst majestätische Beschallung der Formel 1 erreichte nach dem ersten 'Auftritt' ein neues Hoch. Auch Fahrer und Verantwortliche der Teams stimmten in den Tenor mit ein. Das Highlight lieferte jedoch der Veranstalter des Rennens in der australischen Metropole, der sich künftig weigern will, die horrende Gebühr für die Rennveranstaltung an die Formel 1 zu bezahlen. Das Erlebnis und die Einzigartigkeit seien nun verloren gegangen. Probleme über Probleme, denen sich die Königsklasse des Motorsports definitiv noch stellen muss...

Flop: Ricciardo-Strafe

Die Strafe an sich mag gerechtfertigt sein, allerdings hat die nachträgliche Disqualifikation dem Image der Formel 1 sicherlich geschadet. All die Ekstase des Heimpublikums vor Ort, die unendliche Freude Ricciardos, die Auferstehung Red Bulls, die Feier auf dem Podium ist somit nur Schein und letztlich unwirklich. Zudem wurde Button die verdiente öffentliche Anerkennung für seinen dritten Rang verwehrt. Klar gab es keine andere Möglichkeit, als die Siegerehrung mit dem 'vorläufigen' Rennergebnis durchzuführen, allerdings leidet die Attraktivität und Glaubwürdigkeit eines jeden Sports darunter, wenn der Fan sich bei jedem Resultat erst fragen muss, ob dieses nun auch bestehen bleibt. Dass das Urteil danach auch noch fünf Stunden auf sich warten lässt, ist auch für die Journalisten nach drei bis vier Nachtschichten eine absolute Zumutung...