Knapp zehn Tage vor dem ersten Rennen der Formel-1-Saison 2014 im Albert Park zu Melbourne scheint die Rangordnung im Feld erst einmal abgesteckt: Mercedes vor Ferrari vor Renault. Vierfach-Weltmeister Red Bull Racing steht nach drei weitestgehend katastrophalen Testfahrten für wenige überraschend nicht auf dem Zettel des engeren Favoritenkreises für den Sieg 'down under'. Nach neun Erfolgen in Serie zum Ende der vergangenen Saison müssen sich die erfolgsverwöhnten 'Bullen' nun daran gewöhnen, die Favoritenrolle zumindest vorerst nicht mehr inne zu haben.

Wer sich vor Augen ruft, mit welcher Verbissenheit und Akribie das gesamte Team auch nach den beiden vorzeitigen Titelgewinnen 2013 noch für jeden weiteren Sieg gearbeitet hat, weiß, dass diese Situation für Red Bull schlichtweg inakzeptabel ist. Panik sucht man im Lager rund um Sebastian Vettel, Christian Horner und Helmut Marco für den Moment jedoch noch vergebens - zumindest öffentlich. Auch mit Kritik an Motorenhersteller Renault, dessen neue Power Unit bislang allen vier Kundenteams mehr oder minder große Probleme bereitete, hielt sich das Team von Brause-Mogul Dietrich Mateschitz bislang vornehm zurück.

"Ich splitte Renault und Red Bull in der Bewertung der Saisonvorbereitung nur ungerne", verriet Vettel gegenüber Sport Bild. Zwar hätten die Probleme mit dem Antriebsstrang Renaults mit Sicherheit einen entscheidenden Anteil an der aktuellen Misere, jedoch nicht ausschließlich. So offenbarte auch das sonst scheinbar perfekte Design-Team rund um Adrian Newey ungewohnte Schwächen, beispielweise bei einer zu aggressiven Chassis-Auslegung, die das Überhitzen vieler wichtiger Komponente zur Folge hatte. "Jeder hat in der Vergangenheit mal Fehler gemacht, aber wir sind ein Team und halten zusammen. In den letzten Jahren hatten wir gemeinsam viel Erfolg, jetzt durchleben wir eben auch mal eine schwierige Zeit", führte Vettel weiter aus.

Bei einem seiner zahlreichen Testausfälle half Weltmeister Vettel gar, den RB10 zurück zur Box zu schieben, Foto: Sutton
Bei einem seiner zahlreichen Testausfälle half Weltmeister Vettel gar, den RB10 zurück zur Box zu schieben, Foto: Sutton

Trotz Gerüchten über einen Split der langjährigen Traumehe von Red Bull und Renault sowie eines möglichen Kokettierens von Seiten Vettels hinsichtlich eines Wechsel im Falle anhaltenden Misserfolges, gibt sich der Weltmeister zumindest nach außen loyal und besonnen. "Wir haben noch nicht einmal ein Rennen bestritten und somit macht es doch überhaupt keinen Sinn, den Kopf in den Sand zu stecken. Ich bin kein Typ, der wegläuft, wenn es schwierig wird."

Horner zuversichtlich

Red Bull-Teamchef Horner ist sich sicher, dass die aktuellen Probleme nicht von Dauer sein werden, will die prekäre Situation jedoch auch nicht verschweigen. "Wir haben momentan ein Auto, das weder standfest ist noch in Sachen Geschwindigkeit an der Spitze steht. Zwei entscheidende Faktoren machen uns also derzeit sehr große Probleme", offenbarte der Brite gegenüber dem Telegraph.

Dass seine zehnte Saison im Amt ein kompletter Reinfall wird, hält er sowieso für ausgeschlossen. "Wir sind doch nach acht Weltmeister-Titeln in den vergangenen vier Jahren über Nacht nicht einfach zu Idioten geworden", stellt Horner klar. "Die verpatzte Testphase der Saison wird uns wenn dann nur anstacheln, die Wende zu schaffen." Ob dies allerdings einfach so von der Hand gehen kann, darf zumindest angezweifelt werden. Motorsport-Magazin.com -Experte Christian Danner beispielsweise schreibt die Saison für Red Bull in Sachen Weltmeisterschaft weitestgehend ab. Red Bull-Motorsport-Berater Helmut Marko sieht den Saisonstart zwei Monate zu früh auf sein Team zukommen.

"Um ehrlich zu sein weiß ich nicht, wo wir momentan wirklich stehen, aber mit den Mercedes-Teams können wir definitiv noch nicht mithalten", führt Horner weiter aus. "Wir werden aber bald wissen, wie es wirklich aussieht und dann die nötigen Schritte anpacken, um die Lücke zu schließen und an alte Erfolge anzuknüpfen. Ich habe nach wie vor ungebrochenes Vertrauen in mein gesamtes Team und auch Renault. Nach fünf großartigen Jahren sehe ich keinen Grund, warum wir nicht zurück in die Spur finden sollten."

Hemut Marko und Christian Horner sehen sich einer Mammutaufgabe gegenüber, Foto: Sutton
Hemut Marko und Christian Horner sehen sich einer Mammutaufgabe gegenüber, Foto: Sutton

Dass Red Bull und Renault sich allerdings mächtig strecken müssen, soll die Wende gegen starke Konkurrenz gelingen, ist Horner klar. "Die Saison ist ein Marathon und kein Sprint und wir versuchen dennoch alles, den Rückstand auch zu Beginn so niedrig wie möglich zu halten. Wir werden übermenschliche Leistungen von jedem einzelnen Mitarbeiter benötigen aber wenn ich mir den Einsatz, die Hingabe und die Zeit ansehe, die wir alle hier investieren, denke ich, dass uns das Vorhaben gelingen kann."

Daran, dass auch Adrian Newes neues Kreation RB10 eine 'Wunderwaffe' ist, hat Horner keinen Zweifel. "Jeder weiß, dass das Auto grundsätzlich sehr gut und pfeilschnell ist. Es ist nun an uns, das Potential voll auszunützen. Dazu müssen wir die Power Unit noch besser integrieren und in Einklang mit dem Rest des Paketes bringen. Wenn wir dann die Kinderkrankheiten drum herum beseitigt haben, sollten wir wieder mehr als nur bei der Musik sein."