"Mir tun die Zuschauer leid, weil sie Eintritt gezahlt, aber kaum etwas gesehen haben." Force-Indias Ersatzfahrer Daniel Juncadella fasste die Stimmung des Testauftaktes in Jerez perfekt zusammen. In den vergangenen Monaten galt die grundlegende Meinung: Die Tests für die Saison 2014 sind wichtiger als jemals zuvor, neues Reglement sei Dank. Also wurde erwartet, dass die Teams mit ihren neuen Turbo-Autos jede Testmöglichkeit so intensiv wie möglich nutzen, um Daten angesichts all der Unbekannten sammeln zu können. Das Ergebnis des ersten Tages in Jerez: Die acht Fahrer auf der Strecke schafften gemeinsam 93 Runden. Zum Vergleich: Im Vorjahr spulte allein Paul di Resta am ersten Tag 89 Runden in Jerez ab.

Am Turbo-Dienstag spielte Lewis Hamilton zunächst den Alleinunterhalter und kam auf drei Umläufe, schließlich gesellte sich noch Kimi Räikkönen - der Rundenkönig mit insgesamt 31 Umläufen - dazu. Ansonsten herrschte vorrangig Stille auf der Strecke. Es war im Vorfeld ziemlich klar, dass die Teams mit technischen Schwierigkeiten konfrontiert werden würden - zu umwälzend waren die Regeländerungen mit Power Unit, Zusatzbatterien, Kühlern und Co. auf engstem Raum. Red Bull als gutes Beispiel: Das Team hatte eine Feder an der Hinterradaufhängung des frisch präsentierten RB10-Boliden falsch herum montiert; Sebastian Vettel konnte 15 Minuten vor Feierabend seine ersten Runden drehen. Am Ende wurden es drei.

Rundenkönig Räikkönen, Foto: Sutton
Rundenkönig Räikkönen, Foto: Sutton

Marcus Ericsson schaffte gerade einmal eine Runde im neuen Caterham CT05, der wegen Motorenproblemen fast den gesamten Tag in der Box stand. Bei McLaren lief überhaupt nichts, die Elektronik versagte. Für Esteban Gutierrez war nach sieben Umläufen im Sauber-Boliden Feierabend. "Wegen all der großen Änderungen gab es Probleme, die im Laufe des Tages gelöst werden mussten", erklärte Sauber-Ingenieur Giampaolo Dall'Ara. "Wir müssen diese ordentlich verstehen und analysieren, deshalb konnten wir nicht so viel fahren." Marussia schaffte es erst gar nicht an die Strecke - das Team schraubte das neue Auto noch in der Teamfabrik in Banbury zusammen. Immerhin ist der Bolide gerade auf dem Weg nach Jerez und sollte damit das Feld komplettieren.

Jean-Eric Vergne war im Toro Rosso eine der positiven Ausnahmen, drehte hinter Räikkönen und Hamilton die drittmeisten Runden. 15 waren es an der Zahl, umgerechnet rund 66 Kilometer. Toro Rossos Designchef Luca Furbatto dürfte sich bei den gelangweilten Fans an der Strecke und vor dem Computer nicht allzu beliebt gemacht haben, als er verriet: "Wir hätten noch viel mehr Runden fahren können, denn wir hatten keine Probleme am Auto." Was war denn nun der Grund der Strecken-Apathie zum Testauftakt? Einfach ausgedrückt: Sicherheit ging vor. "Wir hatten nicht das Ziel, hier auf Rekordjagd zu gehen", sagte Vettel gegenüber Motorsport-Magazin.com.

Kurzer Tag für Vettel, Foto: Red Bull
Kurzer Tag für Vettel, Foto: Red Bull

Von ein paar Kilometern für Filmaufnahmen einmal abgesehen, betraten die Teams in Jerez völliges Neuland mit ihren Autos. Deshalb wählten sie den sicheren Weg: eine Installationsrunde drehen, wieder zurück in die Box und Daten auswerten. Sicherheit in dieser unabwägbaren Zeit genießt derzeit höchste Priorität, Zuverlässigkeit steht an erster Stelle. "Die Ausfallquote wird nicht mehr so sein wie in den vergangenen Jahren", vermutete Vettel stellvertretend für das Fahrerlager und konnte sich sogar vorstellen, dass maximal die Hälfte der Autos in Melbourne die Zielflagge sieht.

"Wir hatten schon erwartet, dass hier nicht so viele Kilometer gefahren werden wie in den vergangenen Jahren, als das Reglement noch stabil war", so Fubatto. "Heute wären 25 Runden wahrscheinlich gut gewesen und wenn ein Auto auf 100 Runden kommt, kann man sagen, dass das Team einen guten Job gemacht hat." Er erwartete, dass die Autos in den kommenden Testtagen in Jerez etwa 35 bis 40 Runden täglich abspulen.

Hamilton: In Runde 19 war Feierabend, Foto: Sutton
Hamilton: In Runde 19 war Feierabend, Foto: Sutton

Ein weiterer Faktor, der zum Auftakt viel Zeit kostete: allgemeine Sicherheit. Schon bei den alten KERS-Batterien war klar, dass diese im Falle eines Problems erheblichen Schaden anrichten konnten. Bei den neuartigen Batterien, die auf engstem Raume in den Autos untergebracht sind, dürfte dies ähnlich sein. "Bevor die Autos in die Garage geschoben werden, müssen sie immer ein bisschen warten", erklärte Furbatto das Boxen-Prozedere. "Aber in ein paar Tagen sollte alles in Ordnung sein, dann werden die Sicherheitsvorkehrungen reduziert und alles geht etwas schneller."

Renaults Motorenchef Rob White war etwas überrascht, wie wenige Runden die Teams am ersten der vier Jerez-Tage abspulten. "Ich hatte schon etwas mehr erwartet, weiß aber nicht genau, was alles in den Garagen der Teams passiert", meinte er. Gleichzeitig war ihm klar, dass Tag 1 den Systemchecks vorbehalten war. White: "Die Priorität muss darin liegen, dass die Autos sauber laufen und die Software so funktioniert, wie wir uns das vorstellen." Man kann nur hoffen, dass sich die gewünschte Zuverlässigkeit schnellstmöglich einstellt.