"Mit der Nase musste ich mich erst anfreunden, aber das habe ich schon im Windkanal können, denn ich habe das Auto zum ersten Mal im Oktober bei uns gesehen, aber um ehrlich zu sein war ich am Anfang ein wenig erschrocken", musste Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost nach der Präsentation des STR9 in Jerez mit einem Lächeln eingestehen. Auch der neue Bolide des Red-Bull-Junior-Teams verfügt über eine äußerst lange Front und mutet wie die meisten Autos der neuen Generation ziemlich gewöhnungsbedürftig an.

Viel wichtiger als das Aussehen, ist jedoch die Leistungsfähigkeit des Wagens. Für Tost steht fest, dass gerade zu Beginn des Jahres die Zuverlässigkeit das A und O sein wird, aufgrund des neuen Reglements habe man allerdings noch keine Anhaltspunkte, wo man im Vergleich zur Konkurrenz steht. "Wir haben zwei Energierückgewinnungssysteme (ERS) - es ist nicht so einfach, wie sie miteinander arbeiten", erklärte der Österreicher. Zuletzt bei Filmaufnahmen in Misano hätten sich durchaus einige Problemfelder gezeigt, die es zu lösen gelte.

"Die großen Teams haben bei einer Regeländerung auf alle Fälle einen Vorteil. Durch die großen Ressourcen und den finanziellen Rückhalt haben sie ganz andere Möglichkeiten, zu reagieren", sieht der 58-Jährige seine Mannschaft nicht unbedingt im Vorteil. "Wenn ein Team feststellt, dass es in irgendeine falsche Richtung entwickelt hat, und dann eine Neuentwicklung starten will, braucht es einerseits die finanziellen Mittel und anderseits die Manpower dazu", führte er aus. "Und je besser ein Team aufgestellt ist, je mehr Geld es hat, je mehr technische Ressourcen es hat, umso schneller kann es reagieren, deshalb werden auch die Topteams vorne bleiben."

Kvyat muss sich einfügen

All diesen Herausforderungen müssen sich in den nächsten Wochen und Monaten Jean-Eric Vergne und Daniil Kvyat stellen. Während der Franzose bereits in seine dritte Formel-1-Saison geht, kommt der Russe direkt aus der GP3 in die Königsklasse und wird sich dementsprechend erst eingewöhnen müssen. "Er wird ein paar Rennen brauchen, bis er sich ins System eingefügt hat, aber ich bin sehr zuversichtlich und optimistisch", so Tost, der auf den 19-Jährigen große Stücke hält.

Wo Toro Rosso in der kommenden Saison stehen wird, vermochte der Teamchef noch nicht zu prognostizieren, doch für ihn steht fest: "Wir müssen besser sein als letztes Jahr, wir müssen wieder einen Schritt nach vorne machen. Wir haben uns in verschiedenen Bereichen - vor allem dem technischen - stärker aufgestellt. Es wird noch etwas dauern, bis wir die Auswirkungen sehen können, aber am Ende der Saison müssen wir besser sein als letztes Jahr." Nach einem guten Saisonstart riss 2013 bei Toro Rosso bald der Faden und das Team kam in der Konstrukteurs-Wertung nicht über den enttäuschenden achten Rang hinaus.

Foto: Sutton
Foto: Sutton

Tost hofft, dass er seinen Piloten genug Zeit geben kann, um sich an die neue Technik zu gewöhnen, denn dies sei erst möglich, wenn es auf die Rennstrecke geht. "Da ist es wichtig, dass das Gerät funktioniert, wir fahren können und die Haltbarkeit haben, um die verschiedenen Strategien auszutesten", betonte er. Gerade für einen Außenstehenden könnten die Rennen kompliziert werden, glaubt der Österreicher, was dem limitierten Sprit geschuldet sei. "Wir müssen erst alles austesten und haben verschiedene Simulationen durchgeführt und haben auch sehr, sehr interessante Ergebnisse bekommen", verriet er. "Aber was letzten Endes herauskommt, müssen wir auf der Strecke austesten."

Alles eine Frage der Strategie

Vergne und Kvyat bereiten sich bereits seit dem Herbst letzten Jahres auf die Umbruchsaison 2014 vor und saßen auch schon einige Male im Simulator, zudem reisten sie nach Faenza in die Fabrik, um sich mit den Ingenieuren zu besprechen. "Aber die richtigen Erkenntnisse gewinnt man erst im Auto", hob Tost hervor. "Ich glaube jedoch, dass sich die Fahrer sofort an alles gewöhnt haben. Für sie wird es nicht so viele Änderungen geben, für die Techniker wird es hingegen ein größerer Aufwand, weil man während des Rennens immer wieder neu kalkulieren und umdenken muss und sie die drei Komponenten - den V6-Motor und die beiden ERS - optimal und effizient koordinieren müssen, damit die beste Performance herauskommt."

Eine der großen Herausforderungen werde 2014 darin bestehen, sich die Rennen richtig einzuteilen. "Man hat abbauende Reifen und man muss die Konkurrenz beobachten. Normalerweise ist man mit gleichbleibender Geschwindigkeit am schnellsten unterwegs, aber man muss sich auch nach der Konkurrenz und der Strecke richten", führte Tost aus. "Wo kann ich überholen - kann ich überhaupt überholen? Es nützt mir nichts, wenn ich in Monaco zu Beginn schön konstant in Anführungsstrichen langsam fahre und am Ende habe ich dann vielleicht noch 10 kg Sprit im Tank aber kann nicht überholen. Das heißt also, es spielen mehrere Komponenten eine wichtige Rolle."

Blickrichtung Bahrain

Doch Monaco ist noch weit entfernt und ehe es im Straßendschungel um Punkte geht, stehen viele Testkilometer auf dem Programm. "Man versucht natürlich möglichst schnell, die Performance zu testen, aber das nützt nichts, zuerst muss man die Haltbarkeit in den Griff bekommen, man muss das Auto verstehen und dann erst kann ich auf Performance gehen", äußerte sich Tost auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com zur geplanten Vorgehensweise in Jerez. "Ich kann nicht sagen, wir gehen von Anfang an raus und können, was das Fahrverhalten betrifft, ein gutes Feedback bekommen." Die neuen Reifen dürften laut Auskunft des Österreichers keine Probleme bereiten. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das Reifenthema so gut wie möglich unter Kontrolle haben werden."

Sollte es keine Haltbarkeitsprobleme geben, glaubt Tost, dass die neue Technik nach Jerez und dem ersten Bahrain-Test bereits verinnerlicht wurde und Toro Rosso sich bei den finalen Testfahrten im Wüstenstaat schon auf die Performance konzentrieren kann. Nachsatz: "Aber das ist nur eine Vermutung."