Herzhaftes Gelächter hallt laut durch die Boxengasse des High Tech Test Track Paul Ricard in Le Castellet. Umgeben von Moto2-Vizeweltmeister Pol Espargaro, Motorrad-Veteran Randy Mamola und TT-Legende John McGuinness trägt Michael Schumacher beinahe pausenlos ein breites Grinsen im Gesicht. Er genießt jede Sekunde; scherzt mit den Anwesenden. Der Stress und die Anstrengung von drei Jahren Formel-1-Comeback bei Mercedes sind verflogen. Der Rekordweltmeister ist gelöst und entspannt. Der perfekte Beginn für sein zweites Karriereende.

Michael, wie war das Gefühl, wieder einmal aufs Renn-Bike zu steigen?
Michael Schumacher: Wegen der schwierigen Witterungsbedingungen konnte ich leider nicht so viel fahren, wie ich es mir gewünscht hatte, und man musste vorsichtiger sein. Das Ducati-Bike war eine neuere Version, wie ich sie noch nicht kannte. Genau so etwas macht mir immer wieder großen Spaß: Neue Dinge auszuprobieren und herauszufinden, ob mir das gefällt.

Kannst du dir vorstellen, Motorradsport noch einmal aktiv unter Rennbedingungen zu betreiben?
Michael Schumacher: Nein. Ich werde sicherlich öfter an der Strecke sein und mit Freunden ein paar Runden drehen. Aus zeitlichen Gründen hatte ich in den vergangenen Jahren nicht so viele Möglichkeiten, dies zu tun. Dabei möchte ich es aber auch belassen.

Bei diesem Event in Le Castellet triffst du Motorrad-Ikonen wie John McGuinness und Randy Mamola. Sind solche Treffen etwas Besonderes für dich?
Michael Schumacher: Es war schön, sich mit den Fahrern einmal in Ruhe austauschen und unterhalten zu können. An normalen Rennwochenenden hat man kaum Zeit dafür. Bei diesem Event waren alle sehr gut drauf und es herrschte kein Stress, wir konnten uns untereinander persönlich noch besser kennen lernen. Jeder dieser Jungs ist eine Persönlichkeit und es ist umso schöner, wenn das Ganze auch im Privaten stimmt.

Du hast dich mit den Motorrad-Profis lange über Racing unterhalten. Kannst du von ihnen noch etwas lernen?
Michael Schumacher: Auf jeden Fall. Im Zweiradsport kann ich noch ganz viel lernen und bin auch generell sehr interessiert daran zu lernen. Ich fahre ja nach wie vor auf zahlreichen Rennstrecken und möchte einfach erfahren, was sich entwickelt und wie die Dinge laufen. Ich wäre ja dumm, wenn ich mir eine solche Chance entgehen lassen würde.

Michael Schumacher fährt nur zum Spaß Motorrad, Foto: Monster/Getty Images
Michael Schumacher fährt nur zum Spaß Motorrad, Foto: Monster/Getty Images

Wie empfindest du persönlich das Gefühl der Beschleunigung eines Motorrads im Vergleich zu einem Formel-1-Auto?
Michael Schumacher: Die Beschleunigung steht dabei nicht unbedingt im Vordergrund. Es sind eher die Kurvengeschwindigkeiten und die Grenzen, an denen man sich dabei bewegt. Bei einem Rennwagen kenne ich das Limit; das verleiht dir ein Gefühl der Zufriedenheit und ist etwas ganz Spezielles. Ein Motorrad hat dagegen seine eigenen Besonderheiten, wenn auch auf einem ähnlichen Niveau. Dein Körper befindet sich noch näher an und teilweise auch auf der Strecke und das spürst du sehr intensiv. Dieses Gefühl ist umso stärker, wenn man noch nicht genau weiß, wo die Grenzen liegen, weil mir im Vergleich zum Rennauto noch die Routine fehlt.

Die körperlichen Belastungen beim Motorrad-Fahren im Vergleich zum Formelauto sind ganz anders, oder?
Michael Schumacher: Beim Motorradfahren liegt die Belastung vor allem auf den Unterarmen, Beinen und den Oberschenkeln. Aber die allgemeine Belastung im Formel-1-Auto ist um einiges stärker.

Oft heißt es, dass professionelle Motorradfahrer eine ziemlich verrückte Truppe sind. Wie siehst du das?
Michael Schumacher: Motorradsportler sind eine ganz eigene Kategorie, aber ich möchte es nicht auf das Wort 'verrückt' reduzieren. Sie sind ein besonderer Schlag von Menschen, man kann es mit Rugbyspielern und Fußballern vergleichen: Es herrscht eine ganz andere Härte, die auch eine gewisse Verletzungsgefahr mit sich bringt. Wenn man sich die Verletzungen anschaut, die sich ein Motorradfahrer im Verlauf seiner Karriere zuziehen kann, ist da ein großer Unterschied zu den Formel-1-Fahrern. Herangehensweise, Leidenschaft und Einstellung sind trotzdem vergleichbar.

Der eine oder andere Motorrad-Profi verletzt sich im einen Rennen und fährt kurze Zeit später beim nächsten Rennen wieder voll mit. Hast du davor Respekt?
Michael Schumacher: Mit Sicherheit muss man Respekt vor solchen Leistungen haben. Dabei darf man aber auch die Vorbildfunktion im Hinblick auf die Jugend nicht vergessen: Was ist vernünftig? Was ist unvernünftig? Ich verwende gerne den Spruch: 'Früher an später denken.' Das darf man bei solchen Angelegenheiten nicht außer Acht lassen.

Sicherheit hat auf dem Motorrad Vorrang, Foto: Monster/Milagro
Sicherheit hat auf dem Motorrad Vorrang, Foto: Monster/Milagro

Mit Stefan Bradl gibt es wieder einen starken deutschen MotoGP-Piloten. Verfolgst du seine Entwicklung?
Michael Schumacher: Definitiv. Ich habe Stefan persönlich kennen gelernt und bin extrem begeistert von seinen Leistungen in den vergangenen beiden Jahren in der Moto2 und der MotoGP. Gerade in der MotoGP so konstant an der Spitze mitzufahren, wird meiner Meinung nach viel zu wenig gewürdigt. Ich habe riesigen Respekt vor Stefans Performance.

Hat Bradl deiner Meinung nach das Potenzial, ein ganz Großer im Motorradsport zu werden?
Michael Schumacher: Ja, das hat er in der Saison 2012 meiner Ansicht nach bewiesen. Die Geschichte der MotoGP hat gezeigt, dass die Leistungskurven nicht immer geradlinig sind, sondern sich wie eine Welle bewegen. Ich hoffe, dass er frei von Verletzungen bleibt, weiter seinen Fluss behält und ein Motorrad bekommt, mit dem er auf das Podium fahren kann. Von seinen Fähigkeiten her ist er dazu absolut in der Lage.

Was bereitet dir vom reinen Spaß-Faktor aus gesehen mehr Freude: Motorrad oder Formel 1 fahren?
Michael Schumacher: Ich kann nicht sagen, dass das eine mehr oder weniger Spaß macht. Das Gefühl auf dem Motorrad ist etwas intensiver und ich merke, dass ich im Verlauf der Jahre vom Empfinden her näher an das heranreiche, was ich aus dem Vierradsport gewohnt bin. Es kehrt eine gewisse Routine ein, aber es macht immer noch Spaß.

Fährt bei dir eine größere Verletzungssorge mit, wenn du auf dem Motorrad sitzt, statt ein Monocoque um dich herum zu haben?
Michael Schumacher: Definitiv. Das ist eine Kopfsache, bei der ich mir sage: 'Bis zu diesem Punkt und nicht weiter.' Den Schritt danach kenne ich auch und diese Erfahrung brauche ich nicht mehr. Ich hatte einige Stürze auf dem Motorrad, dieses übliche Wegrutschen des Vorderrads, und es tat mir danach immer wieder leid, das arme Motorrad verbeult aus dem Sand fischen zu müssen. Die Gefahr für den Fahrer ist dabei im Normalfall relativ gering, gerade, wenn es auf das Vorderrad bezogen ist. Beim Hinterrad bin ich dagegen vorsichtig, denn ich weiß, dass das schmerzhaft enden kann - und ich rutsche nicht gerne ohne Bike über den Boden.

Michael Schumacher hat die Formel 1 abgehakt, Foto: Monster/Getty Images
Michael Schumacher hat die Formel 1 abgehakt, Foto: Monster/Getty Images

Zuletzt hast du aufs Pferd umgesattelt und bist bei einem Reining-Wettbewerb in Oklahoma angetreten. Wie war es da?
Michael Schumacher: Ich war dort mit meiner Familie und habe es sehr genossen. Den Pferdesport möchte ich in Zukunft noch etwas weiter ausdehnen, weil es großen Spaß macht. Ich kann mir gut vorstellen, in Zukunft häufiger im Reining anzutreten.

Wie war die Resonanz auf deine Person bei der Veranstaltung in Oklahoma?
Michael Schumacher: Ich sage es einmal so: Wenn ich in Europa unterwegs bin, können 90 Prozent der Menschen etwas mit meinem Namen anfangen und äußern das auch auf die eine oder andere Weise, während 10 Prozent mich nicht kennen. In Oklahoma, dem Reining-Mekka, war es genau anders herum.

Was ist schwieriger zu verstehen: Ein Formel-1-Auto oder ein Pferd?
Michael Schumacher: Definitiv ein Pferd. Die Tiere haben einen eigenen Charakter und der ändert sich je nach Umstand. Ein Formel-1-Auto beeinflussen bestimmte äußerliche Einflüsse, wie etwa Zuschauer, nicht - ein Lebewesen reagiert da natürlich ganz anders.

Hast du lange Zeit gebraucht, um mental mit dem täglichen Formel-1-Geschäft abzuschließen?
Michael Schumacher: Nein. Es war immer meine Einstellung, mich zu 100 Prozent auf das zu konzentrieren, was ich gerade mache. Alles andere ist Nebensache. Ich konzentriere mich auf meine aktuellen Aufgaben und da ich nächstes Jahr nicht mehr im Formel-1-Auto sitze, tangiert mich das kaum. Es gibt so viele schöne andere Dinge im Leben.

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