Das Getöse im Vorfeld des International Tribunal war groß, doch schlussendlich kam Mercedes mit einem blauen Auge davon und muss lediglich auf die Young Driver Tests verzichten sowie eine Verwarnung hinnehmen. Aufsichtsratschef Niki Lauda hatte vor dem Prozess mit Red-Bull-Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko um 50 Euro gewettet, dass Mercedes straffrei bleibt, ist jedoch trotz der verlorenen Wette angesichts der Milde des Urteils erleichtert.

Marko und Lauda: Jahrzehntelange Weggefährten, Foto: Sutton
Marko und Lauda: Jahrzehntelange Weggefährten, Foto: Sutton

"Ich akzeptiere es als fair und ausgeglichen. Vor allem, weil es ein Tribunal aus unabhängigen und neutralen Richtern und Juristen war, das nach acht Stunden Befragung zu einem klaren Urteil gekommen ist", sagte der Österreicher gegenüber der Welt am Sonntag. "Damit existiert jetzt eine tragfähige Grundlage, die wieder Harmonie und Ruhe in die Formel 1 bringt. Das ist und war für mich in der Angelegenheit übrigens das Wichtigste."

Forderungen der Konkurrenz überzogen

Während die Konkurrenz von Red Bull und Ferrari nach dem Urteilsspruch verärgert reagierte, da sie mit einer härteren Strafe gerechnet hatte, ist Lauda der Ansicht, dass die Sanktionen angemessen sind. Gemäß Informationen der Bildzeitung hatte Red Bull dem Gericht vorgeschlagen, eine Geldstrafe in Höhe von 100 Millionen Dollar sowie den Abzug von 150 Konstrukteurs-Punkten zu verhängen. "Wir sind öffentlich verwarnt worden und dürfen jetzt bei einem dreitägigen Test in wenigen Wochen nicht teilnehmen. Das halte ich für angemessen", betonte Lauda. "Klar ist: Die sehr harten Sanktionen und Strafen, die vor dem Tribunal von einigen Beobachtern gefordert wurden, waren überzogen." Wichtig sei zudem, dass die Grauzone zwischen den FIA Sporting Regulations und dem Pirelli-1000-Kilometer-Testabkommen ausgeräumt wurde und nun für alle Teams Klarheit besteht.

Mercedes entschloss sich dazu, den Urteilsspruch zu akzeptieren und nicht in Berufung zu gehen. Laut Lauda wäre dem auch so gewesen, hätte das Tribunal eine schwerere Strafe verhängt. "Ich oder wir hätten auch jedes andere, eventuell härtere Urteil, akzeptiert. Mercedes wäre bei einem härteren Urteil aber sicher nicht in die Berufung gegangen", stellte der dreimalige Weltmeister klar und führte aus: "Ich bin diesem Sport seit Jahrzehnten sehr verbunden, mir war schon vor Beginn des Tribunals klar, dass es mir um die Harmonie und den gegenseitigen Respekt aller Teams untereinander geht und auch weiterhin gehen muss. Dass es in einem Sport, in dem Technik eine sehr große Rolle spielt, immer Missverständnisse und Interpretationsspielräume geben wird, ist völlig normal. Die wird es immer geben. Das Thema ist kompliziert und für viele Außenstehende schwierig einzuschätzen. Damit muss man leben. Die Beobachter und auch wir, die Aktiven."

Der Wunsch nach Harmonie

Lauda hatte vor dem Tribunal verraten, im Zuge des Kanada GP um eine außergerichtliche Einigung bemüht gewesen zu sein, doch Motorsportchef Toto Wolff und Teamchef Ross Brawn lehnten ab und wollten es auf den Prozess ankommen lassen, um sich offiziell reinzuwaschen. Angst habe Lauda vor dem Verfahren jedoch nicht gehabt, stellte er unmissverständlich klar. "Das ist Unsinn und eine Unterstellung, die inhaltlich nicht korrekt ist. Ich habe lediglich versucht, mit allen Parteien, die an der Angelegenheit beteiligt waren, eine Lösung zu finden."

Diese Initiative sei für ihn in seiner Funktion als Aufsichtsrat selbstverständlich und legitim gewesen, hielt der Wiener fest. "Es ging mir um eine einvernehmliche Lösung, ohne die Absicht, etwas zu verschleiern. Das Urteil, das jetzt vorliegt, beweist doch eindeutig, dass es von unserer Seite nichts zu verheimlichen gab und dass eine außergerichtliche Lösung eine sachlich gute Option gewesen wäre."

Als Erkenntnis der letzten Wochen bleibt für Lauda die Tatsache, dass sich alle Parteien bewusst zu sein haben, im gleichen Boot zu sitzen. "Dass wir versuchen müssen, miteinander zu reden. Dass wir offen und harmonisch miteinander umgehen. Dass nicht jeder, im wahrsten Sinne des Wortes, hinter dem anderen her ist und dass wir deshalb alle Angelegenheiten transparent und öffentlich, aber auch sachlich und faktengebunden miteinander diskutieren müssen", schlug er versöhnliche Töne an. "Mir kommt es darauf an, dass wir alle im Fahrerlager offen und geradlinig miteinander umgehen. Das genau ist die Botschaft des Urteils."