Pro: Die Rennen sind spannender

Autor: Olaf Mehlhose

81 Boxenstopps beim Spanien GP waren tatsächlich ein bisschen zu viel des Guten - das räumte sogar Pirelli-Boss Paul Hembery ein. Aber: Das Rennen in Barcelona wird eine Ausnahme bleiben. Auf anderen Kursen wird der Verschleiß nicht so hoch sein. Und: Im Gegensatz zu den letzten Jahren, wo der Pole-Setter auf dem Circuit de Catalunya auch meistens der Sieger war, gab es bei der diesjährigen Ausgabe jede Menge Action und Überholmanöver auf der Strecke. Genau das hatten die Teams von Pirelli gefordert. Wünscht sich wirklich jemand die Prozessionsfahrten früherer Tage zurück?

Pirelli sieht sich die Reifen genau an, Foto: Sutton
Pirelli sieht sich die Reifen genau an, Foto: Sutton

Hinter den Forderungen einiger Teams, insbesondere Red Bull und Mercedes, stehen ohnehin vor allem politische Interessen. Kein Wunder, dass sich die Teams, die mit den Walzen nicht zurechtkommen, andere Gummis wünschen. Von Ferrari und Lotus sind solche Töne dagegen nicht zu hören. Mit den schnell abbauenden Pneus ist Pirelli den Wünschen der Teams exakt nachgekommen, das bestätigte Sauber-Chefin Monisha Kaltenborn. "Die Ausgangslage für die Partnerschaft mit Pirelli war, dass die Rennen spannender werden", sagte sie bei Motorsport-Magazin.com. "Fakt ist, dass man sich Rennen viel länger ansieht als früher, was gut für die Zuschauer ist und die Show spannend macht. "

Und das Argument, dass nun der reifenschonendste Fahrer gewinnt und nicht mehr der schnellste, ist Unsinn. Beispiel gefällig? Fernando Alonso war in Spanien nachweislich der schnellste Pilot im Feld, das stellte er mit seinem spektakulären Überholmanöver in Runde eins nachhaltig unter Beweis. Langsamer sind die Rennen übrigens auch nicht geworden. Mit einer Gesamtzeit von 1:39:16.596 Stunden war Alonso nur sieben Sekunden langsamer als Pastor Maldonado bei seinem Sieg im Vorjahr, für den der Venezolaner 1:39:09.145 Stunden benötigte - allerdings fuhr er nur dreimal an die Box, Alonso viermal.

Contra: Das ist kein Racing mehr

Auto: Philipp Schajer

Es reicht! Reifen hier, Pirelli da - niemand kann die endlosen Diskussionen um das schwarze Gold mehr hören. Mittlerweile scheint es so, als würde die Formel 1 von den Gummis im wahrsten Sinne des Wortes aufgefressen werden, denn das Thema überlagert alles und drängt das eigentliche Geschehen auf der Rennstrecke völlig in den Hintergrund. "Ich ärgere mich maßlos über das Spiel in der Formel 1. Das ist absurd und es versteht kein Mensch - weder von außen, noch von innen. Das ist ein Witz für die Zuschauer und alle", machte Niki Lauda seinem Ärger Luft, dessen Silberpfeile in Barcelona wieder einmal reifenbedingt ausgebremst wurden.

Lauda mag aus der Emotion heraus vielleicht ein wenig zu harsch reagiert haben, doch im Grunde hat der dreifache Champion Recht. Mittlerweile kommt es nicht mehr auf die Klasse der Piloten an, sondern es geht in erster Linie darum, welches Auto die Gummis am wenigsten belastet - das ist doch kein Racing mehr! "Früher bist du Vollgas gefahren und der Schnellste und Beste hat gewonnen. Heute muss ein Fahrer in erster Linie lernen, wie man mit diesen Reifen am besten und schnellsten durchs Rennen kommt", verdeutlichte der Österreicher das Dilemma. Sebastian Vettel, fraglos einer der besten Fahrer im Feld, war in Barcelona chancenlos, weil sein RB9 die Gummis zu stark verschliss und auch der Heppenheimer fand für die aktuelle Situation in der Königsklasse mehr als deutliche Worte. "Der neue harte Reifen war ein Griff ins Klo seitens Pirelli", lautete sein vernichtendes Urteil.

Die Formel 1 befindet sich derzeit am Scheideweg, denn geht es so weiter wie bisher, besteht die akute Gefahr, dass die Fans sich abwenden, da sie das ganze Reifen-Chaos einfach nicht mehr durchblicken. Am Sonntag wurden in Barcelona 81 Boxenstopps und damit so viele wie noch nie zuvor bei einem Feld von 22 Autos absolviert. Selbst Pirelli hat mittlerweile eingesehen, dass die Situation nicht mehr tragbar ist und will bis Silverstone nachbessern, was grundsätzlich löblich ist. Allerdings müssen sich die Italiener die Frage gefallen lassen, warum es fast eine halbe Saison dauert, ehe endlich Maßnahmen ergriffen werden. Es zeichnete sich doch schon früh ab, dass der Status Quo auf Dauer nicht tragbar ist...