Riesenaufregung bei Red Bull: Nachdem sich Sebastian Vettel beim Großen Preis von Malaysia über die Teamorder, Mark Webber nach dem letzten Boxenstopp nicht mehr zu attackieren, hinweggesetzt und seinem Teamkollegen den sicher geglaubten Sieg mit einem gekonnten, aber waghalsigen Manöver noch entrissen hatte, kochten die Emotionen hoch. Webber würdigte den teaminternen Rivalen bei der Siegerehrung keines Blickes und kritisierte ihn im anschließenden Interview heftig. Vettel räumte später ein, dass er einen Fehler gemacht habe, und entschuldigte sich ausdrücklich beim Team und seinem Teamkollegen. Für Red Bull ist die Angelegenheit damit offenbar erledigt. Teamchef Christian Horner war vor allem darum bemüht, die Lage zu entschärfen.

"Wir haben ein Debrief gemacht, ich habe mit beiden Fahrern gesprochen", berichtete der Brite. "Sebastian hat sich bei Mark und beim Team entschuldigt. Wir konzentrieren uns jetzt auf das nächste Rennen." Horner stellte allerdings eindeutig klar, dass es der Wunsch des Teams gewesen sei, dass Webber die Ziellinie als Erster überquert. "Unsere Position war, die Punkte zu maximieren - insbesondere, weil Fernando Alonso aus dem Rennen war. Nach dem letzten Pitstop war für uns klar, dass Mark vorne ist, auch wenn es bei der Ausfahrt aus der Box ziemlich eng war. Von da an ging es nur noch darum, mit den Reifen hauszuhalten und das Rennen zu Ende zu fahren. Das haben wir beiden Fahrern mitgeteilt."

Für das Verhalten Vettels äußerte Horner aber durchaus Verständnis. "Sebastian hat sich entschieden, das zu ignorieren", meinte der Brite. "Es ist natürlich klar, dass ein Fahrer andere Interessen als das Team verfolgt. Ihm ging es um die Differenz von siben Punkten zwischen dem ersten und dem zweiten Platz, uns ging es um die 43 Punkte, egal in welcher Reihenfolge sie über die Ziellinie kommen." Für den Vorgesetzten von Vettel und Webber scheint der Vorfall damit geklärt. "Es ist nicht so, dass so etwas noch nie passiert ist oder nur bei den Teams hinter uns passiert. Es war nicht richtig, was Sebastian gemacht hat, das hat er akzeptiert. Er hat gesagt, dass er anders handeln würde, wenn er die Uhr zurückdrehen könnte."

Sebastian Vettel feiert in Malaysia seinen ersten Saisonsieg, Foto: Sutton
Sebastian Vettel feiert in Malaysia seinen ersten Saisonsieg, Foto: Sutton

In gewisser Weise ist Horner sogar glücklich darüber, wie intensiv das teaminterne Duell bei Red Bull geführt wird. "Wir haben die beiden verpflichtet, weil sie so kompetitiv sind, weil sie sich gegenseitig pushen und derart getriebene Individuen sind", erläuterte er. "Wenn einer der beiden nachgeben würde, wäre das nicht der Rennfahrer, den wir haben wollen." Vor diesem Hintergrund ließe sich die angespannte Situation, die bei Red Bull nach dem Rennen auf dem Sepang International Circuit herrschte, auch besser aushalten. "Natürlich ist es keine einfache Lage für uns", sagte der Engländer. "Aber auf der anderen Seite haben wir 43 Punkte eingefahren und eine fantastische Team-Leistung gezeigt."

Die Stimmung wäre aber sicherlich besser gewesen, wenn Vettel diesmal Webber den Vortritt gelassen hätte. Horner nahm dem Dreifach-Champion zwar nicht ab, dass er die Teamorder nicht verstanden hatte, wie er später gegenüber dem Team erklärte. Er habe sich wohl eher entschlossen. sie zu überhören, vermutete er. "Er hat das gehört, was er hören wollte. Er ist ein Racer, er ist hungrig, er hätte nicht all die Meisterschaften gewonnen, wenn er nicht über Grenzen gehen würde." Aus diesem Grund habe Red Bull auch gar nicht erst versucht, Vettel per Anordnung wieder hinter Webber zu manövrieren. "Er wäre bestimmt nicht langsamer gefahren und hätte die Führung wieder abgegeben. Mit der Aktion zuvor hat er klar gemacht, was seine Absichten sind. Er kannte die Anweisungen, aber er hat sie ignoriert."

Dass es zwischen seinen beiden Angestellten nach dem Zwischenfall zu einer Entzweiung kommt, befürchtet Horner dennoch nicht. "Seit Istanbul 2010 herrscht sicherlich kein großes Vertrauen mehr zwischen den beiden. Sie werden sicher nie die besten Freunde sein und Weihnachten zusammen feiern, aber sie respektieren sich. In Brasilien hat Mark auch plötzlich mit Sebastian gekämpft, aber das ist auch der Grund, warum sie so erfolgreich sind, weil sie ans Limit gehen. Sonst hätten sie sicherlich nicht gemeinsam die letzten drei Team-Titel gewonnen. Sie sind eines der erfolgreichsten Fahrer-Duos aller Zeiten." Das habe die Show, die Webber und Vettel auf den letzten Runden ablieferten, noch einmal nachdrücklich unter Beweis gestellt. "Es war tolles Racing, als sie Rad an Rad gefahren sind."