Zumindest für Adrian Sutil fand die lange Zitterpartie mit der Bestätigung seines Force-India-Cockpits für 2013 ein gutes Ende. Eine Erlösung für den 30-Jährigen, der lange auf den neuen Vertrag bei seinem alten Team warten musste, das ihn übrigens 2011 nicht "entlassen hatte" - die Inder hätten damals schon gerne mit ihm weiter gemacht. Aber Sutil und sein Management hatten sich schlichtweg verpokert, Force India in der Erwartung, etwas Besseres zu bekommen, recht früh quasi eine Absage erteilt - als sich dann die anderen Möglichkeiten zerschlugen, war es zu spät für den Schritt zurück...

Adrian Sutil und sein Vertragspoker mit Force India, Foto: Sutton
Adrian Sutil und sein Vertragspoker mit Force India, Foto: Sutton

Der Kontakt war deshalb auch nie abgerissen. Den ersten Vertragsentwurf bekam Sutil ja schon Anfang Dezember 2012 zugeschickt - nachdem Vijay Mallya getönt hatte, er habe jetzt in Indien Investoren gefunden, die weitere 60 Millionen Euro in das Team stecken wollten. Womit man glaubte, auf Sponsorengelder nicht mehr angewiesen zu sein - und Bruno Senna, mit dem die Vertragsverhandlungen schon recht weit gediehen waren und dessen Sponsoren schon Garantieerklärungen über 15 Millionen Euro abgegeben hatten, eine Absage bekam.

Doch auch Sutil musste die Folgen des internen Durcheinanders bei Force India kennen lernen, wo verschiedene Entscheider in verschiedene Richtungen ziehen und auch die finanzielle Situation undurchsichtig ist und bleibt - mal sehen, wie man in diesem Jahr über die Runden kommt und ob Gehälter mal wieder pünktlich und komplett bezahlt werden... Nachdem er den Vertragsentwurf unterschrieben zurück geschickt hatte, hörte Sutil erst einmal wochenlang gar nichts - oder nur Vertröstungen. Denn erstens geriet Teamchef Mallya mit seinen sonstigen Unternehmen in Indien, allen voran seiner Airline Kingfisher, immer mehr in Schieflage, war angeblich nie zu erreichen, die Gerüchte mehrten sich, dass er eigentlich gar nicht mehr in der Lage sei, das Team weiter zu führen und verkaufen müsse.

Jules Bianchi wird von Nicolas Todt gemanaged, Foto: Sutton
Jules Bianchi wird von Nicolas Todt gemanaged, Foto: Sutton

Zweitens versuchte nun Nicolas Todt, Manager von Force-India-Ersatzfahrer und Ferrari-Protegé Jules Bianchi, die Situation zu nutzen und alle politischen Fäden für seinen Schützling zu ziehen. Der Sohn des ehemaligen Ferrari-Teamchefs und jetzigen FIA-Präsidenten Jean Todt machte vor allem über Ferrari-Chef Luca di Montezemolo Druck, versuchte, Force India einen finanziell günstigen Motorenvertrag mit Ferrari ab 2014 zu verschaffen - bis jetzt ist das Team ja Mercedes-Kunde. Das Todt mit Montezemolo gut kann, wie offen gemunkelt wird, auch immer wieder Arrangements findet, die dem Ferrari-Boss auch persönlich nicht gerade schaden, zeigt ja auch die Tatsache, dass Felipe Massa Jahr für Jahr seinen Platz bei den Roten behalten darf - gegen den erklärten Willen von Teamchef Stefano Domenicali.

Wobei Todt im Falle von Bianchi jetzt vielleicht auch darauf setzte, dass es wohl bei Force-India-Teilhaber Sahara, einem indischen Unternehmen, ein paar verborgene Vorbehalte gegenüber Sutil wegen seiner Vorstrafe nach der Disco-Auseinandersetzung in Shanghai 2011 gab... Dass Bianchi sportlich nicht erste Wahl sein würde, wusste man im Team seit den Freitagsauftritten des Franzosen 2012 allerdings ganz genau, auch in der GP2 und der Renault World Series konnte er nie mit wirklich herausragenden Leistungen glänzen. Sutil dagegen stieg letzte Woche nach über einem Jahr Formel-1-Pause in den Force India und war bereits in seiner zweiten fliegenden Runde schneller als Stammpilot Paul di Resta unter gleichen Bedingungen am Vortag.

Die Wege des Vijay Mallya sind oft unergründlich, Foto: Sutton
Die Wege des Vijay Mallya sind oft unergründlich, Foto: Sutton

Ob das den Ausschlag gab, so dass Mallya seinen eigentlichen Wunschpiloten - und auch den vieler Ingenieure - doch durchdrückte, ob Sutil doch noch die eine oder andere Million an Sponsorgeld auftreiben konnte, um an das auch nicht besonders große Budget von Bianchi heranzukommen oder ob sich am Ende auch Mercedes als Sutil-Unterstützer bereit erklärte, den Indern ab 2014 bei den Kosten für die neuen Turbomotoren entgegen zu kommen, wird wohl erst einmal ein Geheimnis bleiben. Sutil freut sich jedenfalls schon riesig auf sein Comeback und auf das neue Auto, dem er schon nach dem einen Testtag letzte Woche "großes Potenzial" bescheinigte.

Was er nicht sagt: Dass man das Potenzial mit Sicherheit noch besser hätte nutzen können, hätte Force India die jetzige Entscheidung schon im Dezember getroffen und die sowieso schon knappe Testzeit besser nutzen können... Bei der extremen Enge im Mittelfeld der Formel 1 können solche "Kleinigkeiten" für den Erfolg gerade in der ersten Saisonphase entscheidend sein.

Und noch eines muss sich Force India sagen lassen: Für das Image der Formel 1, gerade auch potenziellen Sponsoren gegenüber, ist ein solches Hick-Hack alles andere als förderlich.

Und das in einer Situation, in der große, seriöse Sponsoren außerhalb der Top-Teams sowieso Mangelware sind. Denn schaut man sich bei den sogenannten "Paydriver" einmal genauer am, fällt auf: Echte, große Firmen, für die der Rennsport einfach ein geschäftliches Werbemedium ist, finden sich da kaum noch. Esteban Gutierrez bei Sauber baut auf den Milliardär Carlos Slim, für den die Formel 1 ähnlich wir für Didi Mateschitz von Red Bull eine persönliche Spielwiese ist. Pastor Maldonados Deals mit der venezolanischen Ölgesellschaft PDVSA sind im Endeffekt politische Propaganda von Staatschef Hugo Chavez.

Von den Fahrern bei den Hinterbänkler-Teams ganz zu schweigen: Charles Pic profitiert genauso von familiären Beziehungen wie Giedo van der Garde von seinem Schwiegervater und Max Chilton von seinem super reichen Vater. Die Geldquellen von Luiz Razia, sollten sie doch noch einmal sprudeln, sind sowieso eigenartig: Im November sprach er Motorsport-Magazin.com gegenüber von arabischen Kontakten, den Brasilianern erzählte er etwas von europäischen Geldgebern, Sponsoren-Aufkleber waren schon zu GP2-Zeiten auf seinen Autos nie zu sehen, Razias Mutter wegen einer großen Korruptionsaffäre in Brasilien schon einmal in Haft...