Das grandiose Wochenende von Sebastian Vettel in Suzuka ließ eine mehr als überraschte und verblüffte Formel-1-Welt zurück: Welches Geheimnis hat man bei Red Bull entdeckt, um auf einmal wieder so überlegen zu sein wie in der vergangenen Saison, um ein Auto zu haben, von dem der Weltmeister schwärmte, es sei "das Auto, von dem man in der Nacht träumt, es einmal fahren zu dürfen, so unbeschreiblich und fantastisch"?

Die Realität

War nach Singapur noch vom "Klappflügel" die Rede, der den Bullen angeblich neuen Speed verliehen habe, nach dem Qualifying in Japan dann vom neuen geheimem "Doppel-DRS" nach Mercedes-Vorbild, das Vettel und Webber wieder deutlich vor die Konkurrenz gebracht habe, mussten nach dem Rennen in Suzuka alle Experten diese Theorien noch einmal überdenken und eigentlich verwerfen. Denn sie ließen sich nicht mehr mit der Realität in Einklang bringen.

Der "Klappflügel" schon deshalb nicht, weil Red Bull in Japan gar nicht damit fuhr, sondern wieder mit einer anderen Version, von der in der Nacht zum Samstag noch einmal eine neue, aktualisierte Variante eingeflogen wurde. "Der Klappflügel hätte bei der Streckencharakteristik von Suzuka auch überhaupt nichts gebracht", war aus Red-Bull-Technikerkreisen zu hören.

Rennen ist nicht Qualifying

Und das immer wieder aufgebrachte Thema Doppel-DRS amüsierte Sebastian Vettel nach dem Rennen sichtlich. Hatten doch die Fragesteller dabei offenbar einen entscheidenden Punkt vergessen: Das DRS darf ja überhaupt nur im Qualifying konstant eingesetzt werden - da hätte es also tatsächlich Vorteile bringen können. Im Rennen aber nicht, schließlich musste Vettel bei seiner Fahrt von der Spitze weg nicht einmal einen einzigen Konkurrenten überholen...

War Japan eine einmalige Sache? Sebastian Vettel hofft nicht, Foto: Sutton
War Japan eine einmalige Sache? Sebastian Vettel hofft nicht, Foto: Sutton

Was war es also dann, das Red Bull so schnell machte? McLaren-Konkurrent Jenson Button hofft, "dass es nur eine einmalige Sache war, dass die halt hier mal von Anfang an eine besonders gute Abstimmung erwischt haben." Aber RTL-Experte Christian Danner, der sich ja die Autos immer ganz genau "live" an der Strecke anschaut, macht dem Briten da wenig Hoffnung: "Der Red Bull lag schon vom ersten Training an hier wie ein Brett auf der Strecke, so ruhig, fest und sicher wie das letztes Jahr immer der Fall war, 2012 aber noch nie. Das ist nicht nur eine Frage der Abstimmung. So etwas kommt eigentlich immer von der Aerodynamik - und bei den heutigen Autos meistens von irgendwelchen neuen Feinheiten in den verschiedenen Auspufflösungen."

Die Magie ist wieder da

Er ist überzeugt, dass Red-Bull-Designgenie Adrian Newey in diesem Bereich etwas gefunden hat, auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick nicht sichtbar sei. Optisch war auch anderen Experten nichts aufgefallen. Williams-Technikchef Mark Gillan, der normalerweise ein sehr gutes Auge für Veränderungen und Entwicklungen bei der Konkurrenz hat, rätselte auch: "Ich muss jetzt nochmal ganz genau die Daten des Rennens auch mit allen Einzelzeiten und Geschwindigkeiten von Red Bull analysieren, vielleicht kann man dann Schlüsse ziehen, was sie gemacht haben." Sein Fahrer, Bruno Senna, brachte es etwas vereinfacht auf den Punkt: "Es scheint, dass Red Bull seine Magie wieder gefunden hat."

Sebastian Vettel kann jedenfalls mit sehr viel Optimismus in die letzten fünf Saisonrennen gehen, auch wenn er sich nach außen ja noch vorsichtig gibt, zwar davon spricht, dass "wir schon in den letzten Wochen einige Fortschritte gemacht haben, aber wir müssen trotzdem erst mal sehen, ob das wirklich auch überall so funktioniert." Außerdem habe man ja jetzt auch beim Ausfall von Fernando Alonso wieder gesehen, "wie schnell so was geht." Aber auch McLaren-Chef Martin Whitmarsh gibt zu: "Was Red Bull hier gezeigt hat, muss uns zu denken geben - und auch Ferrari." Selbst in Italien erklärt man ja Vettel inzwischen zum WM-Favoriten - auch angesichts der Probleme, die Ferrari in der weiteren Entwicklung hat: Teamchef Stefano Domenicali musste zugeben, dass der Ferrari-Windkanal offenbar nicht korrekt funktioniere und deshalb geschlossen wurde.

Nur die Eintracht ließ aus

Bei so vielen guten Aussichten kann es der Heppenheimer dann wahrscheinlich auch gut verschmerzen, dass er eine Enttäuschung am Sonntagabend doch noch hinnehmen musste: Die Niederlage seiner "Eintracht" gegen Mönchengladbach. Jetzt hat RTL-Experte Kai Ebel, eingefleischter Borussia-Fan, etwas, womit er den Weltmeister in Korea aufziehen kann - die Beiden kabbelten sich ja schon direkt nach dem Rennen über das Thema...