Pro: Im Rahmen der Möglichkeiten

von Stephan Heublein

Ein Urteil über die Debütsaison von Virgin Racing ist ein ständiges Für und Wider. Die Zuverlässigkeit war zu Jahresbeginn grauenhaft, der Speed unterirdisch und das Geld fehlte an allen Ecken und Enden. Doch bei aller Kritik sollte man immer bedenken, dass für einen kompletten Neueinsteiger Zuverlässigkeit und Performance eben nicht ohne genügend Erfahrung, ausreichend Budget und ein Quäntchen Glück auf Anhieb möglich sind.

Dass die Köpfe hinter dem Virgin-Renner es durchaus verstehen, ein ordentliches Rennauto zu bauen, zeigten die Fortschritte im Laufe der Saison. Nach den teils katastrophalen Anfängerfehlern, die man einem neuen Rennstall bis zu einem gewissen Grad zugestehen sollte, wurde das Auto in der zweiten Saisonhälfte immer standfester und schneller. Mehrmals war Timo Glock der schnellste Qualifyer des Rookieteam-Sextetts.

Im Laufe der Saison ging es aufwärts, Foto: Bridgestone
Im Laufe der Saison ging es aufwärts, Foto: Bridgestone

Wenn man dann auch noch bedenkt, dass Virgin eigentlich das notwendige Budget für eine stetige Weiterentwicklung im großen Stil fehlte, sind die Verbesserungen am VR-01 aller Ehren wert. Gleichzeitig beweist dies, dass der virtuelle Ansatz von Nick Wirth zumindest in diesem Bereich funktioniert - das Team konnte das Auto mit niedrigen Kosten durchaus weiterentwickeln. Wunderdinge ermöglichten die CFD-Computer jedoch nicht.

Contra: Weder schnell, noch zuverlässig

von Kerstin Hasenbichler

2010 war Virgin ausgezogen, um der Konkurrenz zu beweisen, dass ihr CFD-beschrittener Weg der einzig Wahre ist. Der rein am Computer entworfene VR-01 sollte nicht nur dem Team Geld ersparen, sondern auch noch schnell und zuverlässig sein. Doch insgesamt 15 Ausfälle von Lucas di Grassi und Timo Glock in 19 Rennen sprechen eine andere Sprache.

Die Saison von Virgin verlief düster, Foto: Sutton
Die Saison von Virgin verlief düster, Foto: Sutton

Zu Beginn der Saison war ein Rennwochenende ohne Probleme für Virgin fast wie ein Lotto-Gewinn. Viel zu oft machte das Team Schlagzeilen mit wegfliegenden Teilen, einem zu klein berechneten Tank oder den ständigen Getriebe- und Hydraulik-Problemen. Sicher gab es auch den einen oder anderen kleinen Erfolg, doch waren der angesichts darauffolgender Peinlichkeiten schnell wieder vergessen.

Bestes Beispiel die Zielankunft von Di Grassi im erst dritten Rennen für Virgin in Malaysia und das darauffolgende Horror-Wochenende in China. Glock fuhr zwar in die Startaufstellung, aber keine einzige Rennrunde. Bei seinem Teamkollegen entdeckte man kurz vor dem Start ein Kupplungsproblem. Di Grassi ging sieben Runden nach dem Rennstart auf die Strecke, nur um acht Runden später sein Auto wieder abzustellen. Unterm Strich blieb für Virgin nur der zwölfte und letzte Platz in der Konstrukteurs-WM – geschlagen von Lotus und HRT.

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