1. Hat Vettel das Rennen im Qualifying verloren?

Am Samstag war sich Sebastian Vettel sicher: "Wir hatten die Pace für die Pole." Doch Verkehr im ersten Angriff und ein Fehler im zweiten Versuch kosteten ihn die so wichtige Pole auf dem überholfeindlichen Stadtkurs. Am Sonntag meinte Vettel: "Wir hatten die Pace für den Sieg." Doch von Platz 2 kam er an Fernando Alonso nicht vorbei, obwohl Vettel wohl schneller war.

"Er hätte auf Pole fahren müssen, um zu gewinnen", betonte Christian Danner. Selbst Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali gab zu: "Wenn wir nicht auf der Pole gestanden wären, dann wäre es unmöglich gewesen, die Red Bulls zu überholen." Vettel wollte aber nicht sagen, dass er den Sieg im Qualifying verloren hat. "Nein, so weit darf man nicht gehen", sagte er.

"Es gab im Rennen keine echte Chance, an Fernando vorbeizugehen", so Vettel. "Er hat sich keine Fehler erlaubt. Wenn wir freie Fahrt gehabt hätten, hätten wir schneller fahren können, aber so hing ich immer fest." Zumindest in der Theorie stimmte Vettel dann doch zu, dass er den Sieg durch Startplatz 2 verspielt habe.

In einer nicht ganz ernst gemeinten Rechnung ermittelte sein Freund Joschi Walch, dass Vettel die Renndistanz schneller absolvierte als Alonso - wenn man beide von einem theoretischen Nullwert losfahren ließe. "Ich bin acht Meter hinter Fernando Alonso gestartet und im Rennen hat er sich einen Vorsprung von 90 cm erarbeitet", so Vettel- "Wenn man dann die acht Meter abzieht, hätte ich mit 7,1 Metern Vorsprung gewonnen."

2. Warum war Vettel anfangs langsamer als Alonso?

Immer wieder war im Funkverkehr zwischen Sebastian Vettel und seinem Renningenieur zu hören, dass sich eine der beiden Seiten nach dem Zustand der Bremsen erkundigte. "In der Anfangsphase war es eng mit den Bremsen", bestätigte Vettel. "Wir mussten schauen, dass wir die Zeit mit dem schweren Auto durchkommen, am Ende hat man dann gesehen, dass es besser war."

Sebastian Vettel musste sich mit Platz 2 begnügen, Foto: Sutton
Sebastian Vettel musste sich mit Platz 2 begnügen, Foto: Sutton

Um die Bremsen und auch den Motor besser zu kühlen, ließ Vettel den Abstand zu Alonso von einer Sekunde auf drei bis vier Sekunden anwachsen. "Diesen Rückstand musste ich kurz vor meinem Boxenstopp wieder aufholen", erklärte er seine schnellsten Rennrunden am Stück. "Da musste ich alles geben, aber die Hinterreifen haben sich da nicht bedankt."

3. Warum stoppte Vettel gleichzeitig mit Alonso?

In Runde 29 bogen Fernando Alonso und Sebastian Vettel gleichzeitig an die Box ab, um sich neue Reifen abzuholen. "Ich bin der Meinung, das war falsch", sagt Christian Danner. "Man hätte es zumindest probieren müssen." Gemeint ist: Eine Runde länger draußen bleiben als Alonso, um diesen so an der Box zu überholen.

Vettel glaubt nicht, dass diese Taktik funktioniert hätte. "Die weichen Reifen haben extrem abgebaut", betonte er. "Es wurde schwierig - dann noch länger draußen zu bleiben, hätte nichts gebracht, weil die harten Reifen von Fernando sofort um so viel besser waren. Ich wäre auf den Option-Reifen schneller gewesen als alle Anderen, aber ich hätte gegen den neuen Reifen von Fernando nichts ausrichten können."

Zu allem Überfluss fuhr Vettel nach dem Stopp im zweiten Gang an - dabei hätte er leicht den Motor abwürgen und noch mehr Zeit verlieren können. "Aber selbst ohne den Patzer beim Losfahren aus der Box hätte es nicht gereicht."

4. Wer hatte Schuld: Webber oder Hamilton?

Die Bilder erinnerten an Monza: Lewis Hamilton attackiert, will nach vorne und scheidet nach einer Kollision aus. "Ich war in Kurve sieben außen, er war in meinem toten Winkel und ich dachte, ich war ausreichend weit an ihm vorbei", beschrieb Hamilton die Kollision mit Mark Webber. "Ich lenkte ein, versuchte, innen genug Raum zu lassen, aber wir trafen uns."

Webber hatte Glück, sein Auto nahm keinen Schaden. Die Kollision stufte er als Rennzwischenfall ein. "Das kann passieren", sagte Webber. "Wir bremsen am absoluten Limit. Es war unglaublich eng, wir haben uns nicht hart getroffen, aber wahrscheinlich genug, um uns beide aus dem Rennen zu befördern." Teamchef Christian Horner sagte: "Lewis drückte Mark zu sehr, so dass Mark in der Kurve nirgends ausweichen konnte."

Lewis Hamilton und Mark Webber gaben nicht nach, Foto: Sutton
Lewis Hamilton und Mark Webber gaben nicht nach, Foto: Sutton

Nach Ansicht seines Teamchefs hat Hamilton nichts falsch gemacht. "Lewis hatte einfach Pech", sagte Martin Whitmarsh. "Er war schon vorbei, ging als Erster in die Kurve und ließ Webber genügend Platz. Wichtig ist, dass es kein verzweifelter Überholversuch von Lewis war, sondern ein solides Manöver." Das Auto, das dahinter fahre, müsse normalerweise zurückstecken, so Whitmarsh. "Mark die Schuld zu geben, hilft nichts. Aber hat Lewis einen Fehler gemacht? Nein, das hat er nicht!"

Christian Danner stufte die Situation als klassischen Rennunfall ein. Das bestätigte Niki Lauda: "Das war ein normaler Rennunfall. Da kann keiner etwas dafür. Webber war aggressiv unterwegs, Hamilton war außen aggressiv und am Ende sind die Beiden zusammen gekracht. Man kann keinem die Schuld geben."

5. Warum hatte Webber Glück?

Als das Team Mark Webber mitteilte, er solle in der ersten Safety-Car-Phase stoppen und dann mit den harten Reifen das gesamte Rennen durchfahren, zweifelte er kurz an dieser Taktik. Doch sie erwies sich als goldrichtig: Er fuhr von Platz 5 aufs Podium vor.

"Aber er hatte sehr, sehr viel Glück", betonte Bridgestone-Chef Hirohide Hamashima. "Wenn der Reifen noch fünf Millimeter mehr verloren hätte, dann wäre er kaputt gegangen. Hätte der Kurs mehr schnelle Linkskurven, dann wäre der Reifen stärker beansprucht worden und hätte nicht überlebt."

In der Vergangenheit hat Hamashima noch nie gesehen, dass ein derartig kaputter Reifen so lange gehalten hat. "Über ein paar Runden, ja - aber niemals über 25 Runden. Das ist unglaublich", verriet der Japaner. Für Teamchef Christian Horner war Webber der Glückspilz des Tages. "Mark hat heute sein Glück überbeansprucht. Wenn man sich seinen rechten Vorderreifen ansieht, dann ist er fast schon auf der Felge gefahren", erklärte Horner.

6. Wer war Schuld: Heidfeld oder Schumacher?

Die zweite Kollision des Rennens (mit Folgen) ereignete sich zwischen Heidfeld und Schumacher. "Ich würde sagen, dass es ein Rennunfall war", sagt Schumacher. "Ich bin hinter Nick gewesen, er zog in letzter Sekunde rüber, ich war innen und halb neben ihm. Wenn er mir ein bisschen mehr Platz gelassen hätte, wären wir beide durchgekommen."

Nick Heidfelds Comeback endete nach einer Kollision, Foto: Sutton
Nick Heidfelds Comeback endete nach einer Kollision, Foto: Sutton

Heidfeld stimmte nur zu einem gewissen Grad zu. "Für mich war es sein Fehler, aber ich finde es okay, dass man es als Rennunfall ansieht", meinte der Sauber-Rückkehrer. "Das kann passieren. Ich sage klar, es war sein Fehler, aber wenn man das bestraft, darf man gar nichts mehr." Das sah auch Niki Lauda so. "Das war das Gleiche wie bei Hamilton und Webber. Das war ein normaler Rennunfall", meinte der Ex-Weltmeister.

7. Warum kam Heidfeld zweimal an die Box?

In den ersten Runden besuchte Nick Heidfeld gleich zwei Mal seine Boxencrew. Der erste Boxenstopp wurde durch eine Doppelkollision verursacht. Heidfeld fuhr mit Adrian Sutil durch Kurve 5, dort kürzte der Force India ab und kam vor Heidfeld wieder auf die Bahn. "Er hat sich vor mich gesetzt und gebremst - da hatte ich leider keine Chance, ihm auszuweichen."

Heidfeld musste sich einen neuen Frontflügel abholen. Gleichzeitig fuhr ihm Tonio Liuzzi ins Heck. "Dadurch war auch mein Heckflügel kaputt", so Heidfeld. Liuzzi beschrieb die Situation so: "Ich blieb auf meiner Linie, aber nach der Kurve kamen beide wieder zurück und ich wurde in die Wand gedrückt." Das blieb nicht ohne Folgen: "Ich berührte Heidfeld und beschädigte meinen Frontflügel leicht", erzählte Liuzzi. "Aber ich muss auch meine Hinterradaufhängung angeknackst haben, denn nach einer Runde brach sie komplett und ich verlor das Heck."

Das löste die erste Safety-Car-Phase aus. In dieser entschied sich Heidfeld zu seinem zweiten Boxenstopp. "Um wieder auf die harten Reifen zurück zu wechseln." Mit diesen wollte er das Rennen zu Ende fahren.

8. Warum wurden Sutil und Hülkenberg bestraft?

Im Ziel fuhren Adrian Sutil, Nico Hülkenberg und Felipe Massa als Achter, Neunter und Zehnter über die Linie. Doch das sollte nicht so bleiben. Die Rennkommissare brummten zunächst dem Force-India-Fahrer eine 20-Sekunden-Zeitstrafe auf, weil sie der Ansicht waren, dass Sutil sich in der ersten Runde des Rennens in Kurve 7 einen unfairen Vorteil gegen Heidfeld und Liuzzi verschaffte. Platz 8 ging damit an Hülkenberg, Massa rückte auf 9 nach vorne, Sutil wurde Zehnter.

Force India legte gegen die Strafe Protest ein - und gegen Hülkenberg, der sich einen ähnlichen Vorteil erarbeitet haben sollte. Wenig später revidierten die Rennkommissare das Ergebnis erneut. Auch Hülkenberg wurde mit einer 20-Sekunden-Strafe versehen, weil er abgekürzt haben soll. Somit rutschte Massa auf 8, Sutil auf 9 und Hülkenberg auf 10. Force India zog den Protest gegen die Sutil-Strafe zurück.

9. Warum konnte Kubica an allen vorbei fahren?

In der ersten Runde ging es eng zu, Foto: Sutton
In der ersten Runde ging es eng zu, Foto: Sutton

Robert Kubica war der heimliche Held der letzten Runden. Natürlich war der Vergleich nicht ganz fair. Denn im Gegensatz zu seinen Konkurrenten, die er reihenweise vernaschte, fuhr er auf frischen Reifen. "Er war fast vier Sekunden schneller - keine Chance", sagte etwa Adrian Sutil. Auch Nico Hülkenberg bestätigte: "Ich hatte gegen Kubica keine Chance. Ich war auf ausgelutschten Reifen unterwegs. Es war abartig, wie er an uns vorbeigefahren ist."

Die frischen Reifen holte sich Kubica nicht ganz freiwillig ab. Seine Ingenieure entdeckten auf den Daten einen schleichenden Plattfuß. Der folgende unplanmäßige Boxenstopp warf Kubica von Platz 6 auf Platz 13 zurück. Der Schaden muss durch ein Trümmerteil entstanden sein, da sich Kubica sicher war, dass er nirgends die Wand berührt hatte. "Ich hatte viel frischere Reifen als die Autos vor mir, aber es ist nicht einfach, in Singapur zu überholen, also hat es Spaß gemacht, einen nach dem anderen zu überholen."

10. Warum rammte Senna Kobayashis Auto?

Kamui Kobayashi tauschte in Singapur mit fast allen Fahrern Lack aus. Eine Berührung mit Sebastien Buemi hier, eine Kollision mit anschließendem Dreher für Michael Schumacher dort. Am Ende landete Kobayashi in der Unterführung selbst in der Leitplanke - und in ihm auch noch Bruno Senna.

"Er ist vor mir angeschlagen, erst hinten, dann vorn, im Tunnel, an einer engen, unübersichtlichen Stelle - ich konnte den Unfall an sich gar nicht sehen - und die gelben Flaggen kamen erst raus, als ich schon um die Ecke kam und in der Anbremsphase war", erklärte Senna den Auffahrunfall in das stehende Wrack von Kobayashi.

Senna beklagte, dass die Streckenposten zu langsam reagierten und keine gelben Flaggen zeigten. Sein Teamkollege Christian Klien war nah genug hinter Kobayashi, dass er dem Unfall ausweichen konnte, als Senna ankam, gab es keine Warnung, was hinter der Kurve auf ihn lauerte. "Ich hatte dann nur das stehende Auto vor mir - und eben die Flaggen erst, als ich schon beim Anbremsen war", so Senna. "Das haben die Rennkommissare auch sofort verstanden, es war kein Problem."

11. Warum stellte Kovalainen das Auto auf Start/Ziel ab?

Heikki Kovalainen spielte selbst Feuerwehrmann, Foto: Sutton
Heikki Kovalainen spielte selbst Feuerwehrmann, Foto: Sutton

In der vorletzten Runde rollte Heikki Kovalainen mit einem Flammen schlagenden Lotus auf der Start- und Zielgeraden aus. Vorangegangen war eine Berührung mit dem Toro Rosso von Sebastien Buemi, bei dem sich Kovalainen drehte und das Ventil seines Benzintanks aufging.

"Ich wollte nicht in die Box fahren, denn es war definitiv nicht sicher genug, um das zu tun", begründete Kovalainen, der nicht mit brennendem Auto zu den Mechanikern in die Box fahren wollte. Schon in Italien wurde ein HRT-Mechaniker bei einem Boxenstopp ohne Feuer verletzt. "Deshalb fuhr ich auf die Gerade. Ein paar Williams-Jungs gaben mir einen Feuerlöscher - Mike und Tony habe ich gesagt, dass sie mir jetzt mehr Geld zahlen müssten, da ich jetzt auch Feuerwehrmann sei."