1. - S wie Startaufstellung
"Nein, es ist keine Überraschung, dass sie vorne stehen, aber es ist eine Überraschung, mit welchem Vorsprung sie vorne liegen." Nick Heidfeld spricht mit dieser Analyse vielen Betrachtern des Qualifyingergebnisses in Ungarn aus der Seele. Dass Sebastian Vettel und Mark Webber die Pole unter sich ausmachen würden, war nach dem 3. Freien Training allen klar, dass sie die Konkurrenz um eine Sekunde verblasen würden, allerdings nicht.
Teamchef Christian Horner kam deshalb richtig ins Schwärmen: "Das war wohl unser am meisten überlegenes Qualifying des Jahres." Auch Niki Lauda packte die Lobeshymnen auf Pole-Mann Vettel aus, der zum vierten Mal in Folge vom ersten Startplatz losfährt. "Er hat so eine perfekte Runde hingeknallt wie kein Anderer", sagte der Österreicher. "Vier Zehntel schneller als Webber und über eine Sekunde schneller als Alonso - besser kann man es im Qualifying nicht machen."
Entsprechend verblüfft war die Konkurrenz, angeführt von Fernando Alonso auf Startplatz 3 und Felipe Massa auf Position 4. "Die Lücke zur Spitze ist groß und es ist unglaublich, wie sich das Bild in einer Woche verändern kann", sagte Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. "Von einem Abstand von zwei Tausendsteln ist der Abstand auf identischen Reifen und mit fast identischen Autos wie in Deutschland auf 1,2 Sekunden angewachsen."
Auch Lewis Hamilton war vom Rückstand überrascht. "Ich habe alles aus dem Auto rausgequetscht", sagt er. "Dann ist es natürlich überraschend, wenn man 1,7 Sekunden zurück ist, obwohl sich die Runde fantastisch anfühlte, besser als je zuvor."
Trotz des Rückstandes zufrieden war Vitaly Petrov, der es nicht nur bis ins Q3 schaffte, sondern auch seinen Teamkollegen Robert Kubica schlug. "Wir wussten, dass das Auto hier gut ist, aber wie man sieht, ist es nicht gut genug. Ferrari und McLaren sind für uns zu stark, trotzdem sind wir happy mit dem Ergebnis", verriet Petrov. Kubica rätselte derweil: "Ich war unglaublich langsam, das war echt seltsam."
2. - S wie Start
Ein gutes Qualifying gilt in Ungarn bereits als halbe Miete. Die zweite Hälfte wird im Normalfall am Start abkassiert. "Die ersten drei Sekunden werden entscheidend sein und können 70% des Ergebnisses ausmachen", glaubt Mark Webber. Fernando Alonso pflichtet ihm bei: "Der Start ist immer wichtig. Er, die erste Kurve und die erste Runde machen 60 oder 70 Prozent des Ergebnisses aus."
Schlechte Karten für Sebastian Vettel, der bei den letzten beiden Rennen schlechte Starts hinlegte? "In Silverstone lag es hauptsächlich an der Strecke, in Hockenheim war etwas Öl auf der Kupplung", erklärt Teamchef Christian Horner die Startprobleme. "Ich hoffe, dass das nicht mehr passiert."
Vettel ist genauso optimistisch. "Wir hatten ein Kupplungsproblem, aber ich bin zuversichtlich, dass wir hier keine Probleme haben werden und alles wieder klappt. Normalerweise haben wir gute Starts." Niki Lauda kauft das dem Pole-Mann ab. "Ich gehe davon aus, dass er den Start gewinnt."
Lewis Hamilton und Jenson Button setzen auf die saubere Startseite. "Ich stehe auf der sauberen Seite, das ist gut, also ist da alles möglich. Es wäre toll, ein paar Plätze gutzumachen", sagt Hamilton. Button sieht es ähnlich: "Das Gute ist, dass ich auf der sauberen Seite der Strecke starte", blickt er voraus. "Normalerweise kann man von dort ein oder zwei Plätze am Start gutmachen."
3. - S wie Strecke
In puncto Fahrzeug-Setup ist der Hungaroring eine recht schwierige Rennstrecke. Auf der einen Seite benötigten die Fahrer wegen der langen Kurven viel Grip an der Vorderachse. Andererseits muss auch viel Stabilität im Heck vorhanden sein. Nicht zu vergessen sind die zahlreichen Bodenwellen und die verschiedenen Kurvenarten. "Das alles musst du beim Erarbeiten des Setups und der Fahrzeugbalance im Hinterkopf behalten", mahnt Robert Kubica.
Die Kombination aus vielen lang gezogenen Kurven und hohen Temperaturen setzt den Reifen zu. Vor allem wenn es richtig heiß ist, kann deren Performance rapide abnehmen. "Um die Belastung für die hinteren Reifen etwas zu mindern, kannst du beim Setup auf ein leicht untersteuerndes Fahrverhalten setzen", erklärt Kubica. Wenn das Auto allerdings zu stark über die Vorderachse schiebt, verliert der Fahrer vor allem in den Kurven 8, 9, 13 und 14 viel Zeit.
"Es ist es sehr schwer zu überholen", klagt Nico Hülkenberg. "Wenn der Vordermann keinen Fehler macht, dann ist es fast nicht möglich vorbei zu kommen." Man könne zwar versuchen den Vordermann unter Druck zu setzen, doch dabei müsse man vorsichtig sein. "Wenn man rundenlang hinter einem anderen Auto hinterherfährt, dann macht man sich seine Reifen kaputt. Vielleicht ist es sinnvoller die Reifen zu schonen und dann am Ende des Rennens noch mal anzugreifen."
Die einzige kleine Möglichkeit bietet sich in der Anfahrt zur ersten Kurve. "Aber auch das ist nicht einfach", sagt Kubica. Der Grund dafür ist in Turn 14 begründet, der langen Kurve, die auf die Start-Ziel-Gerade führt. "Wenn du dort zu nah hinter einem Gegner herfährst, verlierst du Grip an der Vorderachse und somit Tempo am Scheitelpunkt", erklärt der Pole. "Das macht es schwer, den Anschluss an den Vorherfahrenden zu halten, um ihn vor der ersten Kurve zu attackieren."
4. - S wie Schumacher
Startplatz 14. Michael Schumacher dürfte am meisten daran stören, dass der Aufschrei des Entsetzens über sein Ausscheiden in Q2 und die schlechte Startposition sich mittlerweile in Grenzen hält. Die Begründung für seine Probleme liefert Ross Brawn: Der Rekordweltmeister schlug einen anderen Setupweg bei der Gewichtsverteilung ein, hatte ein weicheres Auto, das ihm im Rennen eine konstantere Nutzung der Reifen erlauben sollte, im Qualifying aber nicht gut war. "Außerdem hat Nico eine fantastische Runde hingelegt", nannte Brawn den zweiten Faktor für den großen Abstand.
Das erkannte auch Schumacher an, der jedoch auf das Rennen hofft. "Ich habe bewusst eine andere Variante gewählt, weil es sich fürs Rennen anders angefühlt hat, aber das ist in die Hose gegangen. Es sah vernünftig aus, vor allem auf der Distanz." Die acht Zehntel Unterschied zu Rosberg müsse man woanders als beim Fahrer suchen. Eine vordere Platzierung hat Schumacher aber bereits abgeschrieben. "Da müsste mir der liebe Gott morgen sehr beistehen."
5. - S wie Strategie
Wie in diesem Jahr üblich ist auch in Ungarn nur ein Boxenstopp und Reifenwechsel zu erwarten. Trotzdem rechnet Bridgestone-Technikchef Hirohide Hamashima mit vielen verschiedenen Strategien - nämlich bei der Reihenfolge der Reifennutzung.
"Man kann so einiges versuchen, zum Beispiel auf Hart starten und einen späten Stopp machen", bestätigt Adrian Sutil. "Man muss sich das aber genau überlegen, denn man muss die harten Reifen von Anfang auf Temperatur bekommen. Aber auch der superweiche Reifen ist nicht so schlecht." Nico Hülkenberg testete diesen am Freitag aus. "Ich bin gestern ein Longrun mit den superweichen Reifen gefahren und es gab überhaupt kein Problem. Ich bin 17 Runden gefahren und die Reifen waren die ganze Zeit konstant."
Hamashima gibt zudem einen weiteren Faktor zu bedenken. "Die Runde ist hier ziemlich kurz, deshalb könnte die Spitze schon früh auf Überrundete treffen." Dadurch könnten frühe Boxenstopps von Vorteil sein. "Außerdem wird es interessant Jenson Buttons Strategie zu beobachten, der in diesem Jahr schon öfter sehr gute Strategien genutzt und damit viele Positionen gutgemacht hat."
6. - S wie Sonntagswetter
Die Hoffnungen auf den Wettergott dürften in der ungarischen Hitze vertrocknen. Nur ein minimales Regenrisiko von 10 Prozent verspricht etwas Spannung für das Rennen. Ansonsten stellen die Wetterfrösche für den Rennstart Temperaturen um die 28 Grad in Aussicht. Die Regenreifen bleiben wohl in der Verpackung.
7. - S wie Spannung
Mark Webber macht den Fans vor dem Rennen wenig Hoffnung: "Nach dem Start könnte es etwas langweilig werden", prophezeit er. "Es könnte bei diesem Rennen schwierig werden, wach zu bleiben." Dabei ist natürlich der Wunsch der Vater des australischen Gedankens - schließlich würde Webber am liebsten am Start an seinem Teamkollegen vorbeischießen und danach einen ungefährdeten Doppelsieg einfahren.
Vettel bleibt angesichts der Red Bull Überlegenheit etwas besonnener. "Es ist egal, ob man mit zwei Tausendsteln oder einer Sekunde vorne steht - der Unterschied in der Startaufstellung sind immer acht Meter", betont der Deutsche. "Deswegen müssen wir uns auf das Rennen konzentrieren, es wird sicher kein Spaziergang. Wir haben aber sehr gute Karten."
Mercedes-Testfahrer Nick Heidfeld erwartet ebenfalls etwas mehr Gegenwehr im Rennen als im Qualifying. "Ferrari ist im Rennen normalerweise näher dran, da Red Bull dann nicht ganz so überlegen ist, aber sie stehen in der ersten Reihe und hoffentlich biegt einer von beiden als Erster in die erste Kurve ein - ich wünsche Sebastian, dass er das Rennen gewinnt."
Niki Lauda erwartet eher ein Schnarchrennen à la Webber: "Die technischen Probleme, die in Hockenheim der Fall waren, sind ausgeräumt und deshalb bin ich mir sicher, dass die beiden Red Bulls vorne ein relativ gemütliches Rennen fahren können, weil das Auto umso vieles schneller ist als das der Konkurrenz."
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