Seit 60 Jahren kommt die Formel 1 ins Home of British Motor Racing nach Silverstone. Viel ist über die Strecke bekannt, die am 13. Mai 1950 den ersten Formel 1 Grand Prix der Geschichte beheimatete. Der ehemalige Flugplatzkurs ist eine Hochgeschwindigkeitsstrecke mit jeder Menge Tradition und begeisterten Fans auf den Tribünen.

"Natürlich ist der neue Streckenverlauf in diesem Jahr eine große Unbekannte", sagt Jenson Button. "Aber auf dem Papier scheint es so, als ob sie die meisten klassischen Kurven beibehalten haben - das ist wichtig." Mit der so genannten "Arena"-Sektion ist die Strecke 745 Meter länger geworden, die Rundenzeiten werden sich bei der 90-Sekunden-Marke einpendeln und damit rund zehn Sekunden über den Zeiten des vorigen Jahres liegen. "Wir haben Bridge verloren, aber wir haben immer noch Copse, Becketts und Stowe, was toll ist", sagt Button.

Opfer für mehr Action

Die legendäre Bridge-Kurve fiel den Veränderungen zum Opfer. Doch der Sinn des neuen Arena-Komplexes soll die Fans dafür entschädigen: es soll mehr Überholmanöver und bessere Sicht auf die Strecke geben. "Auf dem Papier - besser gesagt: auf dem Monitor - sieht es so aus, als gäbe es dort einige Überholmöglichkeiten", gibt Renault-Chefingenieur Alan Permane zu.

"Turn 16 zum Beispiel scheint gut geeignet, denn davor liegen die langsame Kurve 14, eine lange Gerade sowie die Vollgaskurve 15. Auch Turn 13 bietet sich für einen Angriff an, doch das hängt davon ab, wie dicht du deinem Vordermann durch Kurve 11 folgen kannst", erklärt Permane. "Denn danach folgt mit Turn 12 eine weitere Vollgaskurve. Wir gehen davon aus, dass Turn 11 mit einem leichten Auto voll geht, mit einem schwer betankten Auto zu Rennbeginn aber eine echte Herausforderung darstellt."

Robert Kubica weiß aus der Vergangenheit: "Das Überholen ist in Silverstone nicht einfach." In den vielen schnellen Kurven könne der Fahrer dem Vordermann meist nicht nah genug folgen, weil er im Windschatten viel Abtrieb verliert. "Und deshalb bist du anschließend nicht nah genug für einen Angriff. Aber der neue Streckenteil weist ein paar langsame Kurven auf - vielleicht ergibt sich dort eine Gelegenheit zur Attacke."

Simulierte Rennen

Das neue Silverstone wartet auf die Formel 1, Foto: Silverstone
Das neue Silverstone wartet auf die Formel 1, Foto: Silverstone

Alle Teams müssen sich auf den neuen Kurs einstellen. In den vergangenen Wochen und Monaten liefen die Supercomputer und Simulatoren auf Hochtouren. Hunderte von Simulationen sollten Hinweise auf das richtige Setup und die richtige Fahrweise im neuen Streckenabschnitt bringen. "Ich bin gespannt, wie der ergänzte Abschnitt den Kurs verändert", sagt Sauber-Technikchef James Key.

"Wir haben Annahmen getroffen, was wir technisch für die neue Streckenführung brauchen und uns entsprechend vorbereitet", verrät Key. "Wichtig ist sicher Fahrstabilität bei hoher und mittelhoher Geschwindigkeit." Speziell im ersten Sektor herrschen solche Kurven vor. Es ist entscheidend, dass das Auto gut durch Copse und die anschließende Kurvenpassage kommt.

"Die Zeichnungen des neuen Streckenlayouts haben wir vor rund drei Monaten erhalten", berichtet Renault-Mann Nick Chester. "Wir haben sie zunächst digitalisiert und dann unsere Ideallinie darüber gelegt. Für die neue Sektion konnten wir sie natürlich nur schätzen. Dann haben wir mit unserem virtuellen Renault R30 verschiedene Einstellungen ausprobiert." Dabei ging es um Parameter wie Flügelstellungen und -profile, Aufhängungs-Setups oder auch Getriebeübersetzungen. "Auf dieser Basis arbeiten wir das vielversprechendste Basis-Setup für das Rennwochenende heraus."

Hart für Bremsen und Reifen

Und wie wirken sich die fünf neuen Kurven auf die Abstimmung des Autos aus? "Die Abtriebswerte lassen sich schlecht mit dem Vorjahr vergleichen, weil wir das Auto so stark weiterentwickelt haben. Aber insgesamt erwarten wir keine grundlegenden Änderungen beim Setup", erklärt Permane. "Unsere Simulationen besagen, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit von 227 auf mehr als 230 km/h steigen wird. Der Volllastanteil einer Runde erhöht sich von 69 auf 70 Prozent."

"Das ideale Setup verlangt nach optimaler Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten, denn die schnellen Richtungswechsel wie in den Highspeed-Passagen Maggotts and Becketts erfordern eine gute Fahrzeugbalance", erklärt Kubica. Der Schlüssel liegt darin, ausgangs dieser Kurven möglichst früh beschleunigen zu können, um viel Schwung mit auf die folgende Hangar Straight mitzunehmen. "Die Einfahrt in Stowe kann knifflig sein, denn der Wind beeinflusst den Grip und die Balance der Autos."

Die Simulationen enthüllen noch einen weiteren Bereich, der höchstes Augenmerk erfordert: Das Bremssystem muss in Silverstone gegenüber den Vorjahren mit massiv höheren Belastungen fertig werden.

"Es gibt nur zwei oder drei Stellen, an denen es wirklich aufs Bremsen ankommt", erklärt Key. "Bremsenergie war bisher kein großes Thema in Silverstone, entsprechend auch nicht die Bremsstabilität, aber das mag sich jetzt verändert haben." Die Fahrer stehen über eine Runde betrachtet zwar 0,3 Prozent weniger auf der Bremse, doch die aufgenommene Energie steigt pro Runde um 2,3 kW - schuld sind die Bremszonen vor den Kurven 13 und 16.

Die hohen, seitlichen Kräfte und die starke Abnutzung durch die Streckenoberfläche machen zudem den Reifen zu schaffen. "Die Strecke war eine der härtesten für die Reifen", erinnert sich Bridgestone-Technikchef Hirohide Hamashima. "Die neue Streckenführung macht sie noch härter, zu hart für unsere superweichen Reifen."