Wir treffen Rene Rast am Dienstagabend im Fahrerlager von Le Mans. Ziemlich genau 48 Stunden, nachdem der BMW-Werksfahrer in den Niederlanden in ein Krankenhaus eingewiesen worden war. Es war der Schreckmoment nach dem DTM-Sonntagsrennen in Zandvoort: Rast sprach kurz nach seinem Sieg von Kopfschmerzen, wirkte angeschlagen, verzichtete auf die Sieger-Pressekonferenz, wurde stattdessen erst im Medical Center an der Strecke untersucht und wenig später in ein nahe gelegenes Krankenhaus gefahren.

Sorgen machten sich in der Motorsportwelt breit, weil die Situation zunächst unübersichtlich war. Was war wirklich mit Rast passiert und wie ging es ihm? Am Sonntagabend gegen 21 Uhr erteilten die Ärzte nach einer CT-Untersuchung schließlich grünes Licht, der dreifache DTM-Champion konnte die Klink ohne schwerwiegende Verletzungen verlassen.

Rene Rast: "Natürlich war das ein kleiner Schockmoment"

"Mir geht's gut", sagt Rast am Dienstag zu Motorsport-Magazin.com. "Natürlich war das ein kleiner Schockmoment, als es passiert ist. Aber jetzt ist alles wieder in Ordnung." Der 38-Jährige soll wie geplant am Mittwoch in den BMW M Hybrid V8 steigen und seine ersten Trainingsrunden vor den 24 Stunden von Le Mans (14.-15. Juni) drehen. Kein Grund für Schonprogramm, versichert Rast: "Ich habe eine dicke Beule am Kopf und der Nacken tut ein bisschen weh, aber ansonsten habe ich keine Folgeerscheinungen."

Die offiziellen Rennärzte in Le Mans sind über den Vorfall in Zandvoort informiert und bei BMW stehen eigene Ärzte und Physiotherapeuten parat, um Rast überwachen und betreuen zu können. "Am Ende habe ich mir nur den Kopf gestoßen", zuckt Rast jetzt mit den Schultern. Ganz so banal war die Situation für die Außenwelt allerdings nicht. Wenn ein Rennfahrer nach einem Rennen ins Krankenhaus eingeliefert werden muss, schrillen meist sämtliche Alarmglocken bei Beteiligten und Beobachtern.

Vor allem, wenn die Umstände unklar sind. Rast klärt den "Schockmoment" wenige Minuten vor dem Start ins Sonntagsrennen nun auf. Er sei aus der Box seines Teams Schubert Motorsport in Richtung der Startaufstellung zurückgekehrt und wählte eine Abkürzung anstelle des üblichen Weges zu seinem BMW M4 GT3 Evo: "Ich bin durch eine Öffnung im Fangzaun gesprungen, weil ich gesehen habe, dass mein Auto praktisch direkt vor mir steht. Ich nehme Anlauf, springe hoch und in dem Moment merke ich, dass da noch eine Querstrebe ist. Und dann schlage ich beim Sprung vertikal unter das Ding drunter!"

"Ich dachte, dass ich so etwas Blödes niemals machen würde"

Rennfahrer wählen immer wieder gerne diese Abkürzung durch die schmalen Öffnungen im Fangzaun, um sich einen Umweg ins Grid zu sparen. Dass das mitunter gefährlich sein kann, wusste Rast sogar: "Ich habe schon oft gesehen, dass Fahrer da durchspringen. Auch, dass sie sich verletzen. Das ist früher mal einem Teamkollegen von mir passiert. Der hatte eine Platzwunde und musste genäht werden. Ich dachte, dass ich so etwas Blödes niemals machen würde. Aber dann habe ich es doch gemacht."

"Verflucht weh" habe das getan, als Rast mit ordentlich Anlauf, Kraft in den Beinen und ungebremst mit seinem Kopf gegen die Stahl-Querstrebe knallte. Rast ließ sich nach dem Rumms nur kurz von einem Schubert-Mechaniker auf eine mögliche Platzwunde checken, bevor er wenige Minuten später in seinen BMW kletterte - und zum Sieg fuhr. Selbst Teamchef Torsten Schubert erfuhr erst nach dem Rennende, was seinem Fahrer passiert war.

Polesetter Rene Rast im Schubert-BMW
Links im Bild zu sehen: Die Öffnungen im Fangzaun entlang der Start-Ziel-Geraden, Foto: DTM

Rast nach Rumms-Vorfall "vielleicht bisschen überfordert"

Wäre es nicht klüger gewesen, sich ordentlicher durchchecken zu lassen? Rast: "Ich weiß nicht. Im Nachhinein wahrscheinlich schon. Vielleicht hätte man einen Arzt befragen sollen." Aber, wie Profi-Rennfahrer in solchen Situationen nun einmal sind... "Wenn du auf Pole stehst, willst du natürlich gewinnen. Es ging alles so schnell. Es ist passiert, und dann musste ich schon ins Auto rein. Das war für mich auch eine neue Situation, mit der ich in dem Moment vielleicht ein wenig überfordert war."

Der Rest ist bekannt: Rast feierte nach der 26. Rekord-Pole den 29. Sieg seiner DTM-Karriere und hielt bis zuletzt dem Druck seines Schubert-Teamkollegen Marco Wittmann stand. Muss das Rennfahren unter diesen Umständen nicht furchtbar anstrengend gewesen sein? Rast: "Das war komisch. Es fühlte sich an, als wäre es das kürzeste Rennen gewesen, das ich jemals gefahren bin. Gefühlt war es nach fünf Minuten vorbei. Ich habe während des Fahrens gar keinen Gedanken daran verschwendet, was gerade zuvor passiert war. Es ging alles so flott."

Deshalb landete Rast im Krankenhaus

Mit Schmerzen können Profi-Sportler auch in derartigen Drucksituationen schon umgehen - Adrenalin sei Dank - aber eines bereitete Rast Sorgen: seine linke Hand fühlte sich taub ab und kribbelte. Üblicherweise ein deutlicher Warnhinweis des eigenen Körpers, dass etwas so gar nicht stimmt. "Das war auch der Grund, warum ich ins Krankenhaus bin", erklärt Rast. "Weil nicht klar war, ob ein Wirbel betroffen sein könnte. Die Ärzte haben ein CT gemacht und gesehen, dass alle Wirbel okay sind."

Dieser 'Musikantenknochen-Effekt' eines Taubheitsgefühls in den Gliedmaßen könne durchaus auch auftreten, wenn die Wirbelsäule gestaucht wird, erfuhr Rast im Krankenhaus: "Natürlich machst du dir Gedanken. Ich hatte eine Schmerztablette genommen, aber das Kribbeln ging nicht weg. Auf dem Podium habe ich gemerkt, dass irgendwas nicht in Ordnung ist, weil ich keine Balance hatte. Mir war schwindelig und ein bisschen übel."

Sieger Rene Rast und Jubilar Marco Wittmann (beide Schubert Motorsport) auf dem Podium
Rene Rast und Marco Wittmann: Schubert-Doppelsieg in Zandvoort, Foto: DTM

"Alle haben mich angeguckt, als wenn ich vom Planeten Mars komme!"

Das medizinische Personal an der Strecke handelte schnell und entschied nach ersten Checks, Rast zur Sicherheit in das 13 Kilometer entfernte Krankenhaus in Haarlem zu überweisen. Um kein Risiko einzugehen, wurde er in eine sogenannte Vakuummatratze eingepackt, um den Körper zu fixieren - und das bis gegen 21 Uhr abends. Man kann sich wohl schönere Situationen vorstellen, um einen DTM-Sieg zu feiern...

Rast: "Ich habe einen CT-Scan gemacht, die Ärzte gaben im Anschluss grünes Licht und ich durfte wieder heim. Aber ich hatte nix zum Anziehen dabei! Keine Jacke, keiner Schuhe, alles weg. Ich bin dann nur in meiner Rennunterwäsche durchs Krankenhaus gelaufen. Alle haben mich angeguckt, als wenn ich vom Planeten Mars komme!" Rast kehrte am Sonntagabend noch einmal kurz ins Fahrerlager zurück, bevor er am Montagmorgen in den Flieger nach Le Mans stieg.